Historische Ereignisse / Heute vor xy-Jahren... Erinnert ihr euch an...?


  • Natürlich das peinlich. Sehr sogar.


    ganz ehrlich, ich musste auch erst nachsehen. dafür ist mir der 8. november und georg elser ein begriff. warum wird da eigentlich nicht beflaggt?


    das ansinnen um stauffenberg war natürlich nobel aber ausgerechnet dieses attentat aus der wehrmacht heraus als aufhänger für "hey, es waren nicht alles nazis, ehre den widerstandskämpfern" zu nutzen finde ich seltsam. lasse ich mal durchgehen weil es wahrscheinlich der personell größte widerstand war. trotzdem riecht mir das zu sehr nach "wir müssen die wehrmacht in ein rechtes licht rücken". selbst stauffenberg und viele andere waren zum teil der "landgewinne für das deutsche volk"-euphorie einige zeit verfallen. aber ja, er war kein nazi und wollte unschuldige leben retten. das rechne ich ihm an.


    dennoch fände ich eine ehrung der zivilen widerstandskämpfer weitaus sympathischer. da gibt es ja genug. georg elser zum beispiel, der wollte sogar den gesamten krieg verhindern.

  • Für mich persönlich ist der 20.7. übrigens mehr Erinnerung daran, dass Widerstandskämpfer vom Staat getötet werden.
    Aber es stimmt schon, die Betonung liegt generell so ein bisschen darauf, dass sich Menschen gewehrt haben; allerdings auch, indem der Gegner getötet wird (wobei man da bei Hitler möglicherweise weniger Mitleid empfinden darf, obwohl das - streng genommen - eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wäre; eher hätten halt auch noch die anderen NS-Arschlöcher mehr büßen müssen, aber das sprengt an dieser Stelle den Rahmen). Ob das aber nun ein Auf-die-eigene-Schulter-Klopfen ist? Ich emfinde es spontan nicht unbedingt so.
    Aber, man könnte andere Erinnerungstage haben. 30.1. oder 27.1., 2.5./ 8.5., aber an den 20.7. sollte man sich zumindest mit nachdenken erinnern können, finde ich.
    Eine Ehrung der zivilen Widerstandspersonen ist aber zweifelsohne zu begrüßen. Obwohl es ggf. ungewöhnlicher ist, wenn sich innerhalb einer Armee Menschen rückbesinnen, die zuvor einer falschen Idee gefolgt sind.

  • Auch wenn das Attentat selbst von Soldaten ausgeführt wurde, waren am 20.Juli eine Vielzahl von Zivilisten beteiligt, die Fäden gezogen haben und die eine neue Regierung bilden wollten. Sie hat die Rache des Regimes genauso getroffen und ihrer wird ebenso gedacht.

  • Ich meine, dass an dem Tag inzwischen nicht nur dieser einen Gruppe gedacht wird, sonder aller Widerstandskämpfer.
    "Tag zum Gedenken an die Männer und Frauen der deutschen Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus" heißt es offiziell.
    Und Hede, der 27.1. ist doch ein Gedenktag.

  • elser war etwas zu eigensinnig , etwas zu kommunistisch, etwas zu sehr arbeiterklasse und etwas zu früh dran mit seinem versuch, um in der kalter krieg- brd geehrt zu werden.

  • Schon ein wenig peinlich, dass studierte Kolleginnen heute nicht wussten, warum an unserem Dienstgebäude heute die Fahne wehte.


    Exakt dasselbe hier. Und ich finde es ebenfalls ein wenig peinlich.


    Ich finde es eher bedenklich als peinlich. Etwas weiter gedacht verwundert es dann nämlich auch nicht mehr, dass nationalistisch denkende Gruppierungen wieder so viel Zulauf haben.


    Aber gut, man weiß ja, dass die geisteswissenschaftliche Schiene an Schulen eigentlich vollkommen überflüssig ist und solche Fächer am besten ganz aus dem Lehrplan verschwinden. (Nur so als einer von diversen Ansatzpunkten bei der Ursachenforschung.)

  • elser war etwas zu eigensinnig , etwas zu kommunistisch, etwas zu sehr arbeiterklasse und etwas zu früh dran mit seinem versuch, um in der kalter krieg- brd geehrt zu werden.


    exakt. und dann kriegt so eine nummer bei mir gleich den stempel geschmäckle und ist freigegeben für wüste spekulationen. keine ahnung seit wann es an diesem tag gedenken an den widerstand gibt aber bei der (von hedemann bereits angesprochenen) jämmerlichen (das wort ist von mir) entnazifizierung hätte es sicher nützlich sein können.


    Ich meine, dass an dem Tag inzwischen nicht nur dieser einen Gruppe gedacht wird, sonder aller Widerstandskämpfer.
    "Tag zum Gedenken an die Männer und Frauen der deutschen Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus" heißt es offiziell.


    auf der seite meines landesinnenministeriums zur begründung der beflaggung steht wörtlich: Jahrestag des 20. Juli 1944: Jahrestag zum Gedenken an das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944
    und ich fände ein datumsunhabhängiges gedenken an die widerstandskämpfer (von seiten des militärs oder der zivilen gesellschaft) weitaus angenehmer.


    Auch wenn das Attentat selbst von Soldaten ausgeführt wurde, waren am 20.Juli eine Vielzahl von Zivilisten beteiligt, die Fäden gezogen haben und die eine neue Regierung bilden wollten. Sie hat die Rache des Regimes genauso getroffen und ihrer wird ebenso gedacht.


    tschuldigung aber da kacke ich korinthen: das waren armeeangehörige, polizisten, diplomaten oder anderweitige personen die zumindest zu einem gewissen teil und zu einem gewissen zeitpunkt auch nutznießer des damaligen naziregime waren.


    Mo: wie einfach. warum muss ich eigentlich dieses fass aufmachen und nicht ein studierter historiker? ich habe geschichte in der oberstufe geliebt. wer hat es gesagt, adressat, historischer kontext etc. trotz all der historischen faszination sollte man nicht die kritische auseinandersetzung mit den figuren vernachlässigen. fängt doch schon in meiner wahlheimat an: kaiser karl, omnipräsent und gehört zur stadtfolklore wie kein anderer. der erste europäer. der schaffer des christlichen abendlandes. der typ hat mit dem schwert das christentum in die haiden eingeprügelt und heiligtümer anderer glaubensgemeinschaften zerstört. klingt für mich eher nach is.
    dieses jahr feiern wir dann 500 jahre antisemitismus, lohnarbeit und kapitalismus...hurra!
    ich will keine netten anekdoten hören, sondern eine kritische auseinandersetzung im zeitlichen kontext. dann lasse ich mir auch gerne erzählen, warum der 20. juni in zukunft ganz oben auf meiner prioritätenliste steht.

  • Diese Leute haben ebenso wie Georg Elser und die Gruppe um die Geschwister Scholl (und andere) mutig ihr Leben eingesetzt und die meisten haben es dadurch verloren. Das allein zählt in diesem Zusammenhang für mich und diesen Mut bewundere ich (ich hätte ihn sicher nicht aufgebracht); mir ist es deshalb völlig egal, welcher gesellschaftlichen Gruppe sie angehörten.

  • Ich finde es eher bedenklich als peinlich. Etwas weiter gedacht verwundert es dann nämlich auch nicht mehr, dass nationalistisch denkende Gruppierungen wieder so viel Zulauf haben.


    Aber gut, man weiß ja, dass die geisteswissenschaftliche Schiene an Schulen eigentlich vollkommen überflüssig ist und solche Fächer am besten ganz aus dem Lehrplan verschwinden. (Nur so als einer von diversen Ansatzpunkten bei der Ursachenforschung.)

    Bedenklich finde ich es auch - nur muss es nicht sein, dass so jemand anfällig für Rechtspopulisten wird (die übrigens zum Teil selber an Stauffenberg anknüpfen). Es kann eben auch sein, dass im Geschichtsunterricht bei der NS-Geschichte die Schwerpunkte auf anderen Feldern lagen (Diktaturdurchsetzung, Judenverfolgung, Propaganda, Vernichtungskrieg) oder der 20. Juli nur kurz erwähnt wurde - und dann eben doch gute ideologie- und strukturgeschichtliche Kenntnisse da sind, so dass so jemand "immun" ist. Das Problem lag zu meiner Schulzeit darin (und das wird heute oft nicht viel anders sein), dass in der letzten Mittelstufenklasse meist der Anschluss an das vorangegangene Schuljahr hergestellt werden musste (wir starteten im Vormärz) - und man dann irgendwie den weiteren Durchgang abschließen musste, da in der Oberstufe die Lerngruppen neu zusammengesetzt waren und das Fach Geschichte wieder in der Antike begann (und da konnte/kann man eben auch Geschichte "abwählen").
    In anderen Bundesländern ist es bisweilen noch problematischer, wenn Geschichte mit anderen Fächern in "Politische Weltkunde" o. ä. integriert und in der Sek. I zum Teil von Geographielehrern mit unterrichtet wird.

    4 Mal editiert, zuletzt von Dahl ()

  • @reh: offensichtlich ist niedersachsen einen schritt weiter. der bund hält sich da wage (zumindest nach kurzer recherche) und nennt nur den jahrestag des 20. julis.


    4no1: ich bewundere den mut ebenfalls. ausnahmslos. denke das ist auch klar geworden. ich denke trotzdem, dass man über verschiedene aspekte diskutieren darf.
    und trotzdem, ein klitzekleines bisschen, hege ich mehr sympathien für diejenigen, die nicht in diesen staat involviert waren.

  • Na endlich ist hier so viel Kontext, daß ich nun auch weiß, was das für ein wichtiger Tag gewesen sein soll. Trotz Wikipedia-was-geschah-an-dem-Tag-Suche. Hatte mich vor allem für Alexander den Großen und Carlos Santanas (70, nicht 73) Geburtstage interessiert und den sogenannten Preußenschlag für möglicherweise beflaggungsreif gehalten.


    Stauffenberg war für mich aus drei Gründen eher (nicht ganz! aber eher) unwichtig. Erstens waren da schon elf Zwölftel von dem Nazi-Spuk vorbei. Ein Gelingen des Attentats hätte wohl viel Leid erspart, aber eben erst nachdem bereits sehr viel Leid angezettelt worden war. Zweitens war das kein rundes Jubiläum. Drittens war das Attentat gescheitert, wenn ich mich richtig erinnere.


    Der Preußenschlag war wenigstens halbwegs runde 85 Jahre her und gehörte zu vielen vielen Ursachen bzw. helfenden Begleitumständen dieser beschissenen Epoche. Vielleicht schaue ich zu viel auf mögliche Ursachen. Und den Tom Cruise-Film kenne ich auch noch nicht.

  • Mo: wie einfach. warum muss ich eigentlich dieses fass aufmachen und nicht ein studierter historiker? ich habe geschichte in der oberstufe geliebt. wer hat es gesagt, adressat, historischer kontext etc. trotz all der historischen faszination sollte man nicht die kritische auseinandersetzung mit den figuren vernachlässigen. fängt doch schon in meiner wahlheimat an: kaiser karl, omnipräsent und gehört zur stadtfolklore wie kein anderer. der erste europäer. der schaffer des christlichen abendlandes. der typ hat mit dem schwert das christentum in die haiden eingeprügelt und heiligtümer anderer glaubensgemeinschaften zerstört. klingt für mich eher nach is.
    dieses jahr feiern wir dann 500 jahre antisemitismus, lohnarbeit und kapitalismus...hurra!
    ich will keine netten anekdoten hören, sondern eine kritische auseinandersetzung im zeitlichen kontext. dann lasse ich mir auch gerne erzählen, warum der 20. juni in zukunft ganz oben auf meiner prioritätenliste steht.


    Worauf willst Du jetzt genau hinaus? Meiner Meinung nach sollten beim Stichwort "20. Juli" idealerweise die Glocken generell in Richtung Widerstand gegen Faschismus und Totalitarismus klingeln. Die Voraussetzung dafür ist, dass man irgendwann beigebracht kriegt, was a) Nationalsozialismus als Staatssystem heißt und b) wer dagegen aus welchen Motiven Widerstand geleistet hat.


    Selbstverständlich halte auch ich wenig von der jahrzehntelangen Tendenz, den Widerstand aus Wehrmachtskreisen (20. Juli 1944) zu glorifzieren und Widerstand von anderswo - die Weiße Rose vielleicht ausgenommen - in den Hintergrund zu rücken. Übrigens könnte man genau mit dem Ansatz auch einen spannenden Geschichtsunterricht hinkriegen: Wer leistet wann aus welchen Motiven gegen welches System Widerstand. Und es ist auch nicht verkehrt, diese Menschen als Menschen zu porträtieren anstatt stumpfes Heldengedenken zu betreiben.


    Gilt übrigens auch aus meiner Sicht für Karl den Großen und Martin Luther. Oder für Bismarck, Adenauer, Brandt, John F. Kennedy, Winston Churchill, und selbst für Nelson Mandela oder Mahatma Gandhi. Niemand ist frei von Fehlern. Ich denke mal, da sind wir einer Meinung.


    Worauf ich gleichzeitig aber noch abgezielt habe: Wenn man z.B. den Geschichtsunterricht über die Jahre immer weiter zusammenstreicht, muss man sich am Ende halt nicht wundern, dass Schulabgänger aller Schultypen immer weniger über historische Zusammenhänge, Parallelen und Beispiele wissen und immer weniger in der Lage sind, das politische Handeln von Menschen differenziert zu bewerten.


    Wenn einem nur das Datum fehlt, um die Beflaggung am 20. Juli zuordnen zu können, ist das eine. (Wobei ich das bei Lehrern eigentlich als fachübergreifendes Wissen erwarte.) Wenn man dann aber auch noch über den Widerstand gegen den NS nichts weiß oder es einen irgendwie gar nicht richtig interessiert, kriegt es eine bedenkliche Dimension. Was ich zu "meinem" Fach Geschichte schreibe, gilt übrigens auch für Geografie oder Politik: Fluchtursachen und -bewegungen zu erklären, braucht z.B. Zeit und kann gleichzeitig nicht das einzige sein, was in diesen Fächern gelehrt wird.


    Für mich ist so ein "Häh? Warum wird denn heute geflaggt?" also eher Symptom einer Entwicklung, und ich habe ja bewusst eine Relativierung insofern dazugeschrieben, dass ich auch noch andere Gründe für das Wachstum von AfD und anderen Gruppen sehe und dass der Zulauf dorthin nicht nur von Geschichtskenntnissen abhängt. Aber eben auch.

  • Wer betreibt denn stumpfes Heldengedenken, Mr.Mo ? Wenn die Rückschau auf die Beflaggung allein oder auf Pokalhelds Hollywood-Schmonzette reduziert wäre, hättest Du sicher recht. Aber in den letzten Jahrzehnten ist eine Vielzahl von Filmen und Dokus gelaufen - natürlich nicht auf RTL oder Sky - die die Motive, Zerrissenheit, Mitschuld der Widerständler wie Hofacker,, v. Hassell, Tresckow und anderen differenziert beleuchtet haben, ohne Heldengedenken zu betreiben. Gilt auch für Stauffenberg. Dass der 20.Juli für viele, so z.B. für die Kollegin vom Rehlein oder für den Pokalheld nach eigener Aussage eher unwichtig ist, muss respektiert werden. Die Begründung des letzteren kann ich jedoch nicht so ganz teilen, wenn er das etwas lapidar damit begründet, vorher sei schon viel Leid verursacht worden, deshalb... Dennoch, wenn der Umsturz gelungen wäre und der Krieg abgekürzt worden wäre, wären noch Millionen Menschen verschont geblieben (mein Vater sagte mir mal, im letzten Kriegsjahr seien in Europa noch mal so viel Menschen getötet worden, wie in den fünf Jahren zuvor, weiß nicht, ob das stimmt); das war schon einen Versuch wert, ihn zu probieren, ohne aufrechnen zu wollen.
    Und unwichtig, weil das Attentat, ausgeführt von einem Mann mit nur noch drei Fingern, scheiterte ? Nein, der Versuch war wichtig, und das Gedenken gilt, siehe Rehs Beitrag, zumindest in NDS zurecht allen Widerstandskämpfern.


    Deiner Kritik an "Geschichte nach Namen" stimme ich zu, sollte aber nach BBs Fragen eines lesenden Arbeiters Allgemeingut sein.

  • mein Vater sagte mir mal, im letzten Kriegsjahr seien in Europa noch mal so viel Menschen getötet worden, wie in den fünf Jahren zuvor, weiß nicht, ob das stimmt.



    das stimmt, jedenfalls ungefähr.

  • Nach Ian Kershaw, Das Ende, S. 514 f., war die Zahl der zwischen Juli 1944 und Mai 1945 verstorbenen deutschen Zivilisten größer als in den vorangegangenen Jahren des Krieges, die Zahl der getöten deutschen Militärpersonen war in dem Zeitraum fast so hoch wie seit 1939 (bis Juli 1944 2,7 Mio. Tote; danach 2,6 Mio.).