Haz: Schwiezkasten [Roter Platz]

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    Schwiezkasten


    Herbst in Hannover, und das bedeutet wie jedes Jahr: Der Trainer ist reif. Dieses Jahr ist der Trainer frühreif. Gründe: heißer Juli, verregneter August, verhagelter Start. Spiele: drei: Ernte: null. Danke. Bitte.
    Deshalb: Notfallplan, große Lösung! Schluss mit Nasebohren, jetzt wird angepackt. Die Politik fordert Langzeitarbeitslose als Busbegleiter, warum nicht also gleich auf den Trainerstuhl? In Hannover werden solche Konzepte von Rene C. Jäggi umgesetzt, dem kommenden starken Schweizer bei Hannover 96. Erste Aufgabe: Bestandsaufnahme. Wer gehört zum Kader, wer ist spielberechtigt? Wer spielt, aber taugt nicht? Wer taugt, aber spielt nicht? Zweite Aufgabe: über nichts wundern. Der interessierte junge Mann auf der Osttribüne sieht nicht aus wie Brdaric. Es ist Brdaric.
    Dritte Aufgabe: Verträge. Beschlossene Sache ist, dass ein Kotrainer einen neuen Vertrag im Außendienst bekommt (Kristl von der Post), der andere bekommt dafür seine Wertsachen, den Schlüssel zur Mannschaftskabine und die Dauerkarte „Innenraum“ zurück. Einen neuen Vertrag bekommt auch Ilja Kaenzig. Wo, wann und vor allem in welchem Metier, wird sich zeigen. Der Mann ist noch jung und spricht vier Sprachen, da muss es wahrlich nicht Fußball sein.
    Wichtigste Baustelle: der Trainer. Im Angebot hat Jäggi aus alten Pfälzer Zeiten Erik Gerets, Kurt Jara, Andreas Brehme, Michael Henke, Otto Rehhagel, Kalli Feldkamp, Friedel Rausch und Eckhard Krautzun. Horst Eckel wäre eine weitere Option, er müsste aber noch den Trainerschein machen. Als Geheimwaffe aus alten Schweizer Zeiten gilt Übungsleiter Köbi Kuhn, der mit der original Taktiktafel aus dem Jahr 1954. Und sonst? Rapolder? Röber? Röbolder? Der Niederländer Jos Luhukay (in Paderborn als „Fliegender Holländer“ bekannt) trägt vertrauten Cheftrainer-Oberlippenbart, aber man könnte dann auch gleich Ilie Nastase oder Günter Grass nehmen. Was ist mit Sigi Held? Bernd Stange? Rudi Gutendorf? Alle drei verstehen es, in Krisengebieten Fußball von Grund auf zu erklären. Wo steckt eigentlich Reinhold Fanz?
    Die billigste Lösung wäre statt eines festen Coaches eine Trainer-Hotline. Bei Technik- oder Taktikproblemen einfach im Ballcenter anrufen (12 Cent/Minute), indische Fachkräfte helfen umgehend und kompetent. Falls sich jemand mit „Neururer, kann ich ihnen helfen?“ meldet: Es ist ein Scherz. So oder so.
    Herbst in Hannover. Und man wird das Gefühl nicht los, dass irgendwo in Griechenland ein alter Bekannter einen leckeren Ouzo trinkt und zufrieden seine Zettel ordnet.


    Der Platzwart