NP: Endlich zu Hause

  • Endlich zu Hause


    „96 muss sich eine Nische suchen.“ So plant der neue Trainer den Neustart.


    Der neue 96-Trainer Dieter Hecking stellte sich gestern in Hannover vor. Mit der NP sprach er im Exklusivinterview über seine Pläne.
    VON ANDREAS WILLEKE UND GUNTHER NEUHAUS
    Herr Hecking, vor sieben Jahren sind Sie als Spieler gegangen, jetzt kehren Sie als Trainer zurück. Mit welchen Gedanken und Gefühlen?
    Ich habe am Morgen erst gewählt, bin dann zum Stadion extra nicht über die Autobahn, sondern über Land gefahren, um mir die Zeit zu nehmen, meine Gedanken zu ordnen. Ich habe das ja sehr gern gemacht in Aachen, aber es ist schon was anderes, nach 26 Kilometern bei der Arbeitsstelle zu sein. Das ist ein sehr gutes Gefühl.
    Wie hat die Familie auf den Wechsel reagiert?
    Heute Morgen habe ich mit meinem Sohn diskutiert, wie ein gleichschenkliges Dreieck auszusehen hat. Diese Zeit hatte ich bisher nicht. Das ist für mich und meine Kinder ein sehr schönes Gefühl.
    Was bedeutet Ihnen 96?
    96 bedeutet für mich, dass ich etwas zurückgeben kann. Ich habe hier als Spieler drei wunderschöne Jahre erlebt und mich danach immer mal wieder sehen lassen, habe den Weg von 96 immer verfolgt. Es gab bei mir immer den Wunsch, diesen Verein mal trainieren zu können. Weil ich auch gesehen habe, Mensch, da gibts den einen oder anderen Punkt, den man anders machen könnte.
    Was werden Sie anders machen?
    Ein wichtiger Punkt ist die Identifikation mit dem Verein. Ich werde das vorleben als Roter und die Mannschaft in die Pflicht nehmen. Wir müssen wegkommen von der Mentalität „Heute sind sie da, morgen wieder weg“. Und dann wollen wir erfolgreich Fußball spielen.
    Sie haben in Aachen viel mit jungen deutschen Spielern gearbeitet. Ist das ein Weg, den Sie mit 96 gehen wollen?
    96 muss sich eine Nische suchen. Ich hatte immer das Gefühl, dass man hier den zweiten und dritten Schritt vor dem ersten machen will. Aber ich will jetzt keine Neuverpflichtungen fordern. 96 hat ja auch gegen Bremen 70 Minuten hervorragend Fußball gespielt. Der Kader gibt also anscheinend Qualität her, und die gilt es herauszuholen. Dann wird man die weiteren Schritte einleiten müssen.
    Wie wollen Sie die Abwehrprobleme beseitigen?
    Bei den Spielen gegen Werder und Aachen habe ich gesehen, dass das ein ganzheitliches Problem war, kein individuelles. Wir müssen dahin kommen, dass die Mannschaft deutlich kompakter agiert. Wenn wir gemeinsam gegen den Ball arbeiten, werden wir Möglichkeiten nach vorn bekommen.
    Sie haben noch mit Altin Lala und Steven Cherundolo zusammengespielt. Haben die jetzt einen Stammplatz?
    Nein, natürlich nicht. Aber es ist gut, wenn man bestimmte Köpfe und ihre Denkweise kennt.
    Haben Sie Ihre Wunschelf schon im Kopf?
    Ich habe 28 Spieler im Kopf, die ich im Kader habe. Mit jedem einzelnen werde ich mich so beschäftigen, dass wir eine gute Elf auf dem Platz haben werden.
    Durch die Länderspielpause haben Sie die Chance zu einem Neustart. Wie leiten Sie den ein?
    Wir müssen erstmal aufarbeiten, was bis jetzt gewesen ist. Da wirds Gespräche geben. Das Spiel in Wolfsburg am Freitag kommt gerade recht. Im Derby mit dem neuen Trainer erwarte ich, dass die Mannschaft da weitermacht, wo sie in Dresden aufgehört hat.
    Sie sind nach Ralf Rangnick der erste Trainer, der eine Aufbruchstimmung in Hannover verbreitet. Spüren Sie Rückenwind?
    Wenn ich mir eine Zeitung hole und es kommt einer in den Laden und sagt, jetzt gehe ich wieder zu den Roten, denkt man, du hast durch dein Erscheinen schon etwas Positives bewirkt. Ich hoffe nur, dass man mir auch die Zeit gibt, meine Sachen zu entwickeln.
    96 hat einen großen Trainerdurchlauf. Haben Sie Angst, dem Druck nicht gewachsen zu sein?
    Ich weiß, dass in Hannover schnell mal Gegenwind kommt. Ich glaube aber, dass ich dem gewachsen bin. Es war gut, dass ich mal sechs Jahre weg war, dass ich Erfahrungen machen konnte, die bis auf den Abstieg in Lübeck durchweg positiv waren. Daraus ziehe ich sehr viel Selbstvertrauen.
    Empfinden Sie es als Belastung, dass 96 für Sie Ablöse gezahlt hat?
    Das ist ungewöhnlich, aber anders wäre es halt nicht möglich gewesen. Alemannia hat sich sehr seriös verhalten, das war nicht selbstverständlich. Sie haben alles versucht, um mich zu halten. Aber ich habe gesagt – tut mir leid, der Punkt ist gekommen für mich als Familienmensch. Der eine oder andere Kritiker wird mir dafür einen mitgeben, aber das prallt an mir ab.