Einsatz von Pyromaterialien (z.B. Rauch od. Bengalos) bei 96-Spielen

  • ... Wie gesagt, ich denke das Ziel einer Subkultur ist es nicht, in der Öffentlichkeit ein positives Bild abzugeben. ...


    Wohl wahr. Die Spreizung zwischen dieser wohl korrekten Grundannahme und der Installation der Kampagne führt dann aber leicht zu Verwirrungen.


    Ari, Deine Ausführungen haben mir gefallen und mich an meine Jugend erinnert, wenn ich das mal sagen darf. Zu jener Zeit hätte ich Gespräche mit Holzköpfen, wie ich heute einer bin, rundweg - weil vergebene Liebesmüh', glatt abgelehnt. Die prinzipiell rebellische Einstellung gegenüber Werten und Normen der bürgerlichen Gesellschaft führte am Ende immer zu frustrierenden Ergebnissen. Ergo: Gespräch sinnlos. - Auch wir haben damals die uns nicht überzeugenden Werte und Normen der Gesellschaft durch eigene ersetzt und dies gelebt. Ist völlig in Ordnung so und wiederholt sich in jeder Generation.


    So gesehen steht ein Dialog über das Kampagnenthema allerdings unter keinen guten Vorzeichen. Die Standpunkte der Antipoden sind einfach fundamental zu verschieden. Man wird von Kampagnenseite nie und nimmer den gesetzlich vorgeschriebenen Weg zur Genehmigung von Pyrotechnik im Stadion beschreiten können, weil schlicht ein Großteil der Unterstützer wegbrechen würde, angesichts der "Verbürgerlichung" des Kampagnenziels.


    Auf der einen Seite also die "Rebellenfraktion" und auf der anderen Seite die "Law and Order-Fraktion". Ich kann nicht erkennen, wie ein Konsens möglich sein sollte, ohne dass wesentliche Teile des Selbstverständnisses dabei über Bord gehen. Das kann nicht klappen.


    So steht uns fraglos eine Verschärfung der Repression bevor und dass unter dem Beifall der bürgerlichen Gesellschaft. Daraus ergeben sich für mich Fragen:


    • Ist es klug die Repression zu "befeuern"?
    • Arbeitet man damit nicht letztlich an der eigenen "Abschaffung"?
    • Ist das Bengalo-Ding es wirklich wert?


    Meine Antworten - in Kurzform - früher wären in etwa gewesen, zu:


    • Ja. Man muss für seine Freiräume (ersatzweise: Ideale) kämpfen.
    • Egal. No risk no fun.
    • Blöde Frage. Lohnt sich nicht mit Dir zu reden, Alter...


    Nun werden auch Zwischentöne in der Diskussion kaum weiterhelfen, weil das "bürgerliche Lager" gewisse Fakten auf seiner Seite weiß:


    • Gesetze und Normen.
    • Der Einsatz von Pyrotechnik in Menschenmenge nicht sicher ist.
    • Ein Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann.
    • Last not least: Bengalos nicht in der Hand gehalten werden sollten.


    Angesichts der Verschiedenheit der jeweiligen Ansätze und der frustierenden Ergebnisse eines möglichen Konsens (Bengalos nur durch spezielles Personal nach festgelegtem Plan und das auch noch auf festen Gestellen nur in bestimmten Bereichen unter Wahrung von Sicherheitsabständen...) dürfte sich mE eine weitere Diskussion erübrigen. Die in Klammern aufgeführte Konsenslinie werden die Pyroverwender niemals akzeptieren und die Pyrogegner sind noch nicht einmal so weit, diese überhaupt diskutieren zu wollen.


    Kurzum: Das wird nix.

  • Guck mal, wie schön wir bei Herrn Plasberg diskutiert hätten!


    Diese Spreitzung führt natürlich in letzter Konsequenz zu einem Scheitern, zumindest nicht zum Ziel derjenigen, die gerne legal Feuerwerk machen wollen. Zu denen zähle ich übringens genauso wenig, wie zu den Jungs mit Rauchtöpfen in Ordnerjacken.

    Die prinzipiell rebellische Einstellung gegenüber Werten und Normen der bürgerlichen Gesellschaft führte am Ende immer zu frustrierenden Ergebnissen. Ergo: Gespräch sinnlos. - Auch wir haben damals die uns nicht überzeugenden Werte und Normen der Gesellschaft durch eigene ersetzt und dies gelebt. Ist völlig in Ordnung so und wiederholt sich in jeder Generation.

    Das ist nicht nur wichtig, sondern in unserer angepassten Gesellschaft absolut notwendig. Der Deckmantel des Fußballs scheint vielen dabei etwas plump und letztlich nichtig - ganz abzuweisen ist das nicht. Betrachtet man allerdings die Umstände, in denen die Jugend sich heute ihre Werte erschließen muss (ja, Werte muss man sich erarbeiten), gibt es dazu kaum Möglichkeiten! Es gibt fast keine Bewegungen mehr, die ein vernünftiges Austesten von Grenzen zulassen. Und nur durch ausprobieren gelangt man zu Einsichten und letztlich zu Werten, die man verinnerlicht und die die Basis unseres demokratischen Systems ausmachen, dass durch Wiederstand geprägt ist.


    Mir ist es so viel lieber, als dass niemand mehr irgendwas in Frage stellt.

    Auf der einen Seite also die "Rebellenfraktion" und auf der anderen Seite die "Law and Order-Fraktion". Ich kann nicht erkennen, wie ein Konsens möglich sein sollte, ohne dass wesentliche Teile des Selbstverständnisses dabei über Bord gehen. Das kann nicht klappen.

    So ist es - ganz mein reden. Allerdings wird sich hier zeigen, wie sehr das Sebstverständnis verankert ist. Letztlich ist das auch die für mich interessanteste Frage, denn die Fluktuation der Anhänger und der geringe Altersschnitt unterscheidet sich schon deutlich von anderen Bewegungen.


    Zu deinen Fragen: Eins und zwei sehen wir ähnlich. Das macht den Reiz aus und ganz ehrlich - es gibt auch berechtigte Kritik an den Funktionären des Sports.


    Zu drei: Nein. (Überrascht :)?) Aber: Pyro ist ja nur die Versinnbildlichung der gesamten Situation zwischen Ultras, Fans und Verbänden. Ich denke, es hängt nicht von Pyrotechnik ab, ob die Bewegung weiter bestehen kann. Vielmehr wird sie sich, vielleicht auch auf Druck von außen, ändern - das aber halte ich für einen natürlichen Vorgang in Subkulturen, die im Fokus stehen.


    Über die Gefahren von Bengalos (lassen wir anderes hier mal weg) sind sich alle im Klaren. Ist eben ne heiße Fackel mit großer Flamme! Allerdings darf man auch hier die Relationen nicht vergessen. Leider finde ich keine Statistiken über Verletzte durch Bengalos im Stadion, gefühlt sind es wenige.


    Eine Legalisierung, mit der jeder leben könnte, sehe ich auch nicht. Ich bin gespannt, was die neue Saison bringt - allen würde es aber helfen, die Dinge nicht künstlich aufzublasen und jeder sollte sich fragen, was genau er nun mit dieser Debatte am Hut hat. Ich sehe die Debatte wirklich gelassen (aus Gründen, die wir ja beide erörtert haben), aber es ärgert mich wirklich, wenn Funktionäre und Politiker nun von Gefahren im Stadion sprechen, wegen der man mit seinen Kindern die Bundesliga meiden sollte.

  • Das ist nicht nur wichtig, sondern in unserer angepassten Gesellschaft absolut notwendig. Der Deckmantel des Fußballs scheint vielen dabei etwas plump und letztlich nichtig - ganz abzuweisen ist das nicht. Betrachtet man allerdings die Umstände, in denen die Jugend sich heute ihre Werte erschließen muss (ja, Werte muss man sich erarbeiten), gibt es dazu kaum Möglichkeiten! Es gibt fast keine Bewegungen mehr, die ein vernünftiges Austesten von Grenzen zulassen. Und nur durch ausprobieren gelangt man zu Einsichten und letztlich zu Werten, die man verinnerlicht und die die Basis unseres demokratischen Systems ausmachen, dass durch Wiederstand geprägt ist.


    Ein sehr wichtiger Aspekt!
    Und ein extrem unterschätzter dazu.

  • Und nur durch ausprobieren gelangt man zu Einsichten und letztlich zu Werten, die man verinnerlicht und die die Basis unseres demokratischen Systems ausmachen, dass durch Wiederstand geprägt ist.


    Ehrlich gesagt halte ich dies für einen Traum. Schön wärs ja. Aber die Basis unseres demokratischen Systems ist doch viel eher eine von wirtschaftlichen Interessen gekaufte Parteiendemokratie - jedenfalls mehrheitlich derzeit. Und diese Schlacht wird mit Sicherheit nicht in den Stadien geschlagen.


    - Womit wir uns prompt beim Feindbild Kommerzialisierung des Fussballs befinden. Eher ein Nebenkriegsschauplatz in der "Systemfrage". Ich wage mal die Behauptung, dass (auch) diese Schlacht verloren gehen wird.

  • Nun ja. Welche Schlacht will man gewinnen? - Das man Bengalos auf der Tribüne schwingen kann/darf? Ich glaube es ist jedem klar, dass man dies nicht durchkriegt. - Alles andere ist jedoch äußerst unspannend. Um was geht es denn dann genau? "Kontrolliertes Abbrennen" in euphorisierten Massen nebst Selbstregulierung der Fangruppen? Es ist genau dieser Punkt an dem die Gegenseite nicht nachgeben wird (wär' ja noch schöner... nachher fordert hier noch jemand Basisdemokratie oder son Zeugs...). So what? Wie gehts weiter? Und warum?


    Dürfte doch so ziemlich klar sein, dass es exakt so weiter gehen wird wie bisher und dass der Repressionsapparat die Schrauben immer weiter anziehen wird. Da können wir hier noch so viel quatschen. Insofern hat Ari völlig recht.

    Einmal editiert, zuletzt von LordJerry ()

  • Ari hat doch den Kampf um Bengalo eindeutig von Bengalo an sich abstrahiert und Bezug genommen auf die schwindenden Möglichkeiten, innerhalb der Gesellschaft als Jugendlicher / Heranwachsender Abgrenzung durch Protest zu betreiben.


    Insofern ist Bengalo nur der Transport. Und Du hast doch selber darauf geantwortet:


    Zitat

    Ehrlich gesagt halte ich dies für einen Traum. Schön wärs ja. Aber die Basis unseres demokratischen Systems ist doch viel eher eine von wirtschaftlichen Interessen gekaufte Parteiendemokratie - jedenfalls mehrheitlich derzeit. Und diese Schlacht wird mit Sicherheit nicht in den Stadien geschlagen.

  • Yep. Aber dies ist ja immer noch der Pyro-Faden, Prickel. Ich fürchte halt, dass sich beim Thema Pyro nichts regen wird.


    Die generell aufgeworfene Frage kann ich nicht beantworten. Ein Problem besteht bereits darin, dass eine Subkultur nicht im luftleeren Raum existieren kann. Was meint sie hat immer jede Menge Berührungspunkte mit anderen Wirklichkeiten (ist auch im Stadion schön zu sehen) und wie stellt man angesichts dessen die Freiheitsfrage? Wenn man seinen eigenen Freiheitsrechte/-wünsche ausdehnt, kollidiert man irgendwann unweigerlich mit den Freiheitsrechten/-wünschen anderer. Wessen Rechte/Wünsche wiegen mehr? Wie überzeuge ich den, der sich nunmehr bedrängt fühlt, davon dass er sich nicht sorgen muss/soll oder gar dass er gar nicht betroffen ist? Nehme ich die Rücksicht überhaupt? Und wenn ich Rücksicht nehme und mich in Rahmen meiner freiwillig eingeengten Freiheit wohl fühle, nehmen mich andere dann überhaupt noch wahr? - Vermutlich nicht. Ist also nicht besonders spannend. Also ein solcher Exkurs wird wohl nix bringen. Ist auch gar nicht nötig, weil das Austesten von Grenzen schlicht eine Notwendigkeit darstellt.


    Ob nun gerade der Bengalogebrauch das richtige Symbol für die Subkultur Fanszene ist, darüber könnte man vielleicht gepflegt streiten.

  • Sorry, aber wieso ist ausgerechnet das Zünden von Bengalos in Fußballstadien eine der letzten verbliebenen Möglichkeiten von Jugendlichen innerhalb der Gesellschaft Abgrenzung zu erreichen? Das halte ich für hanebüchen. Und ganz ehrlich, ich glaube auch nicht, dass das der Hauptmotivationsgrund dafür ist.

  • Ari hat sich dahingehend geäussert, Sujo, dass Jugendprotest/Abgrenzung nicht einfach ist heutzutage.


    Und mein letzter Kommentar bezog sich auf den Lord. ;)

  • Ich finde es tatsächlich schwierig, das umfassend zu beantworten.
    Dazu sind wohl auch zu viele unterschiedliche Strömungen in den Stadien. Und dazu bin ich definitiv zu weit weg von den Vertretern.


    Persönlich kann ich mir vorstellen, dass der Beweggrund, Dinge zu machen, weil sie verboten sind, durchaus eine Rolle spielt.
    Aber mehr kann ich dazu beim besten Willen nicht beitragen.

  • Ich bin überzeugt, dass das eine Rolle spielt. Mir ging es explizit um die beinahe Exklusivität der Möglichkeit es Abgrenzens auf diese Weise. Das halte ich für absurd.

  • Sicher richtig, Sujo. Ich glaube es geht da letztlich um Symbole. Gewissermaßen die (oder: eine) Fahne hinter man sich sammeln kann.

  • Exakt, natürlich beschränkt sich meine Aussage nicht auf das zünden von Pyros, das habe ich aber auch herausgestellt. Es geht um Ultras und die Bewegung im Allgemeinen und Pyros gehören eben dazu bzw. eigenen sich super, um Stimmung zu machen und gleichzeitig zu provozieren.

    • Offizieller Beitrag

    Also geht es dem einen Teil um das Bewahren von Traditionen und dem anderen Teil um das ...ähm...aufbrechen derselben.
    Mich würde - und ich gebe zu, dass das eine rhetorische Frage ist - durchaus interessieren, wie wohl die Verteilung der jeweiligen "Fraktionen" aussieht.
    Mir drängt sich da eine recht interessante Frage auf: Was wäre passiert, wenn der unwahrscheinliche Fall eingetreten wäre und sich DFB und "Pyrolegalisierer" auf eine Erleubnis geeinigt hätten? Legalisierung wäre ja wohl das letzte, was die einen wollen?
    Aber klar: Das ist eh hypothetisch.


    Ich persönlich kann nicht viel damit anfangen, Grenzen auszutesten, nur um Grenzen auszutesten. Grenzen zu übertreten um ein Ziel zu erreichen ist da schon eher verständlich.
    Allerdings: Ok - es ist ja wohl auch nicht der Sinn, dass ich das nachvollziehen kann.

  • Dass das Ergebnis der letzten Seiten sein soll, dass die Kampagne kein echtes Interesse an einer Legalisierung hat, kann ich mir, mit etwas Wohlwollen, nur durch das Abgleiten der Diskussionen durch die vielen rhetorischen Fragen herleiten. Sollte das nämlich eine gefestigte Meinung, gar eine Unterstellung sein, nähme ich ich das persönlich. Die von uns investierte Zeit und Energie war mit Sicherheit kein Scheingefecht!


    Für die abschließende Weigerung der Gegenseite sich auf einen ernsthaften Dialog einzulassen können wir zumindest nichts. Ebensowenig die Gesetzeslage, die einer Legalisierung nicht im Wege steht (siehe Rechtsgutachten von Kampagne und DFB).

  • Die fehlende Homogenität der Szene wird verhindern, dass der Kampagne Erfolg beschieden sein wird.


    Solange 'Ihr' nicht an einem Strang zieht, bzw. die völlig unterschiedliche Zielsetzungen und Intentionen eint, könnt Ihr das Thema Pyro eigentlich in die Tonne treten.