Finanzkrise

  • Achso, ja, und dafür lieber kein Edit, Inflation könnte es auch in dem Moment geben, indem die Wirtschaft wieder anspringt und somit die Banken wieder Geld unter's Volk bringen. Das wäre aber keine Hyperinflation. Außerdem halte ich das für die nächsten Jahre für praktisch ausgeschlossen.


    EDIT: Dass Hyperinflation noch geht, sieht man ja an Simbabwe. ;) Da gab' es übrigens ein nettes Interview mit dem Zentralbankpräsidenten von ZIM zur Finanzkrise. " I decided that God had been on my side and had come to vindicate me."


    Aber das geht halt praktisch nur, wenn völlig unkontrolliert Geld nachgedruckt wird, damit z.B. der Staat seine Bediensteten bezahlen kann, weil er defacto Pleite ist. Und das ist in EU sehr unwahrscheinlich, weil zumindest ich mir nicht vorstellen kann, dass die EZB das mitmachen würde. Aber wer weiß. Von einer wirklichen Hyperinflation sind wir in jedem Fall noch sehr weit entfernt.

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  • Interessant, da möchte ich gerne einhaken:


    Mir fallen derzeit zwei Bereiche ein mit fallenden Preisen in den USA: Einmal die Autoindustrie, wo sich die Hersteller seit Jahren eine ruinöse Rabattschlacht leisten. Und der Immobilienmarkt, der vor zwei Jahren in sich zusammengefallen ist. Gibt es noch mehr Bereiche? Oder reichen die zwei schon aus für eine allgemeine deflatorische Entwicklung? Bin mir nicht sicher, weil beides ja hausgemachte Probleme sind, durch Überproduktion bzw. Kreditschwemme.


    Oder befürchtest Du eine Deflation, die noch nicht da ist? Eine Abwärtsspirale, angetrieben durch Konsumzurückhaltung (Angst vor Arbeitslosigkeit) -> Produktionsrückgang (mehr Arbeitslosigkeit) -> mehr Konsumzurückhaltung...


    Mit dem Rausinflationieren der USA meinst Du das Herabsenken der Zinsleitsätze, oder? Die sind jetzt nahe Null. Inwiefern haben die ihr Pulver noch nicht verschossen?


    Wo liegt Deiner Meinung nach das Problem der EZB? Preisstabilität ist einer ihrer Grundsätze, sie ist gegen (hohe) Inflation und definitiv gegen Deflation. Ist ihre politische Unabhängigkeit nicht eine tolle Sache?

  • Letztes Jahr ist die Inflationsrate in der EU sogar noch gestiegen, es gab' ja auch (noch) höhere Lohnabschlüsse. Aber generell gilt: Finanzmärkte sind zusammengebrochen, alle (!) Finanzmarkt-Assets werden erstmal schlechter bewertet, Börse auch, Geld wird entzogen wegen der Pleitewelle, das schlägt auf die "Realwirtschaft" durch, Firmen gehen pleite, Löhne sind weg, keiner hat mehr Geld, deswegen wird alles verramscht. --> Deflationäre Entwicklung. Einfach ausgedrückt ist es genau das, was ich hier schonmal mit Eisenfuß diskutiert hatte. Es wird - vereinfacht gesagt - praktisch festgestellt, dass viel weniger Werte da sind, als die aktuellen Preise ausdrücken, das drückt die Preise und Geld zu haben ist deswegen wertvoller.


    Gibt es mehr Bereiche? Guck' Dir die ganze Börse an. Rohstoffe.


    Und wie gesagt, letztes Jahr war nominell noch Inflation. Also ja: Die richtige Deflation erwarte ich noch. Ungefähr dann, wenn der "Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte" ausbleibt, falls wir überhaupt so lange ruhiges Fahrwasser haben. (Vorher dürften massive Kredite an EU-Staaten und Bankenverstaatlichungen kommen, löst beides nochmal Turbulenzen aus.)


    Das Problem der EZB: Sie ist praktisch völlig unabhängig. Die EUR-Staaten können ihr nur Vorgaben machen, wenn sie alle einig sind. Das dürfte nie der Fall sein. Die Idee war, dass man zur Geld- und Marktstabilität eine unabhängige Zentralbank installiert, welche nicht durch Politik manipulierbar ist. Das ist vorbildlich gelungen. Nun aber ist die Wirtschaft bankrott, komplett, und ist ohne den Staat völlig hilflos. Politik und Zentralbank müssten an einem Strang ziehen. Aber sowohl die europäische Politik ist durch unterschiedliche Interessen gesteuert, als auch die EZB dürfte entweder partikulare Interessen annehmen oder eigene Verfolgen.


    Diese marktorientierte Schieflage charakterisiert ja die ganze EU. Man hat immer unter vorgehaltener Hand gesagt "Die politische Union kommt später." Jetzt bräuchten wir sie. Aber wer glaubt im Ernst, dass sie in der Krise machen, was sie vorher nicht geschafft haben? Und das noch demokratisch legitimieren können?


    Ich sehe sehr schwarz für die EU. Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie man aus diesem Dilemma rauskommen will. Und ein Zerbrechen heißt auch, Europa wirtschaftlich praktisch in die Steinzeit zurückzuwerfen.


    Hoffentlich täusche ich mich. aschi, mach uns Mut.

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  • Ach so, ja, die verbleibenden Mittel der USA: Zinssenkungen sind nicht direkt inflationär. Vor allem hat die FED die Geldmenge ausgeweitet, um Geld in den Finanzsektor zu stecken. Aber das bringt halt in inflationärer Richtung nichts, weil die Banken es nicht rausrücken, weil sie ja defacto pleite sind, und deswegen jeden Penny festkrallen. Genau wie bei uns.


    Aber: Man kann den Leuten auch direkt Geld in die Hand geben, z.b. also das bedingungslose Grundeinkommen mit 1500 EUR einführen. Das hätte einen sofortigen Effekt und wäre ein todsicherer Weg, Inflation hervorzurufen. (Ausnahme: Das mehr, was die Leute kriegen, sparen sie komplett aus Angst vor der Zukunft.) Das ist der "Hubschrauber" von Friedman, Milton-nicht-Michel. Das muss natürlich deutlich mehr sein als einmalige Konsumchecks. Das wird auch in den USA von vielen gefordert als schneller, deutlicher und effektiver Ausbau des sozialen Sicherungssystems, und ergänzt sich natürlich auch ganz gut mit den anrollenden Arbeitslosenwellen.


    Eine Inflation hat den positiven Effekt, dass sie praktisch die anstehende Abwertung vornehmen würde. Von daher denselben Effekt wie ein Deflation, es betrifft nur erstmal andere und die Folgen sind anders.

    • Offizieller Beitrag

    Im Prinzip muss man weiterhin konstatieren, dass es das Wichtigste ist, dass die Leute nicht glauben, dass es bergab geht. Wir Konsumenten müssen Geld ausgeben und das ordentlich. Jaja ich weiß: das sagt sich so leicht - nur wenn das nicht (weiterhin) passiert, dann geht´s richtig ab.
    Die Delle wird ja sowieso kommen, weil es genug Firmen gibt die unabhängig vom Konsum den Bach runtergehen. Deren Angestellte werden entlassen, haben kein Geld mehr zum konsumieren - die vom Konsum abhängigen Firmen kommen in Schwulitäten und so weiter.
    Die Gefahr bei einer Deflation ist ja, wenn ich nicht irre, dass die Preise sinken und die Leute trotzdem nix kaufen, weil sie denken "morgen is noch billiger".
    Ich bin weiterhin gespannt und glaube - gegen den Trend - dass wir alle mit dem Schrecken davon kommen!

  • Die Ursache für die Deflation ist nicht Psychologie, sondern dass die Werte fiktiv waren. Das nennt man eine "Blase".


    Die fiktiven Werte müssen reduziert werden. Auf welches Niveau ist nicht klar, paradoxerweise hängt das letztlich auch von der zukünftigen Entwicklung ab. Aber irgendwie muss die Luft aus der Blase gelassen werden und das heißt, es muss jemand genommen werden.


    Die Frage ist nur, wem. Außer dem wieviel, natürlich. Und ob das alles funktioniert. Aber mit Psychologie hat das nichts zu tun.


    EDIT: Aber das allererschreckendste ist, dass völlig unklar ist, wo zukünftiges Wachstum überhaupt herkommen soll. Es gibt Leute, die meinen, wir leben seit mindestens zehn Jahren nur von Blasen. Es gibt auch Leute, die meinen, dass es letztlich seit 1965 tendenziell bergab geht.

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  • Ich sehe auch Stephans Gedanken mit der Psychologie.
    Politische Aktivitäten müssen als Zielsetzung das Vertrauen der Bevölkerung haben.


    Sollte das nicht gelingen und wir kommen in eine Deflation (sehe ich auch wie der ExilRote als größte Gefahr),
    haben wir hier japanische Verhältnisse. Das traurige ist, dass die USA momentan fast identische Maßnahmen betreiben
    die Japan in die Deflation geführt haben. Wobei ich die Hoffnung habe, dass die bescheuerten Amis mit ihrem komplett
    geschädigten Konsumverhalten immer fleißig weiter kaufen, kaufen und kaufen.


    Was mich auch beunruhigt: Globale Krise, globale Auswirkungen aber kein globaler Lösungsweg.
    Da treffen sich einfach zuviele Leute und labern zuviel rum.


    Ich denke aber auch, dass wir noch 2-3 Jahre mindestend mit den Folgen dieser Krise umgehen müssen.
    Wichtig ist, dass man aus den Fehlern lernt.


  • EDIT: Dass Hyperinflation noch geht,


    Aber das geht halt praktisch nur, wenn völlig unkontrolliert Geld nachgedruckt wird, d.


    Nicht nur.Es kommt ja darauf an, ob das umlaufende papier "Geld" durch Wirtschaftsleistung "gedeckt" ist. Wenn letztere sinkt hast Du auch bei gleichbleibender Geldmenge inflationäre Tendenz. und die EZB muss jetzt schon (wir sind noch am Anfang der Krise) über 10Mrd der als Sicherungen hinterlegten Deckungen abschreiben(Wiwo oder FTd letzte Woche).Natürlich sehen wir jetzt momentan überall deflationäre Tendenzen, aber so wie überall rund um den Globus das Geld auf den Markt geschmissen wird, wird sich das in 3 oder 4 jahren wohl ins Gegenteil umkehren.


    zur politischen Intention: Die Politik hat im Prinzip kein Interesse Inflation zu vermeiden. inflation frisst Schulden. Und eine Insolvenz (Staatspleite) als Alternative ist zwar ehrlicher und sauberer, bringt aber Vertrauensverlsut und schlechtere Kreditbedingungen beim "Neustart".

  • Habe mich gerade mit Rio Tinto Limited eingedeckt. Der tiefe Preis war einfach zu verlockend. Ich fuehle mich wie Alf in der Boersen Folge...

  • Welfenprinz, es ging um _Hyper_inflation, nicht um inflationäre Tendenzen oder aber auch um eine deutliche Inflation. Eine vergleichsweise maßvolle, kontrollierte und beschränkte Inflation (Stichwort Einmaligkeit der Finanzhilfen) wäre das beste, was uns passieren könnte. Eine Abwertung um sagen wir 10-15% über ein paar Jahre würde ja z.B. gleichzeitig die neuen Staatsschulden entwerten. Das wäre sozusagen das kleinste von den Übeln, die zur Auswahl stehen. Und es ist noch nicht mal sicher, denn es ist eben nicht so einfach, dass eine größere Geldmenge gleichzusetzen wäre mit Inflation. Letztere bezieht sich ja auf's Preisniveau. Das in drei bis vier Jahren vorherzusagen, kann man natürlich versuchen. Wenn man nichts besseres zu tun hat.


    Aber darüber kann man sicher streiten, und das will ich gar nicht. Eine Diskussion um die hypothetische Wirkung der jetzigen Maßnahmen in Bezug auf eine Inflation in 3 bis 4 Jahren halte ich für völlig gaga, wer sowas diskutiert, hat immer noch nicht auch nur ansatzweise kapiert, was gerade passiert und worum es geht.


    EDIT: Womit ich nicht gesagt haben will, dass man die Zwecke, für die das Geld eingesetzt wird, nicht kontrovers diskutieren könnte oder sollte. Ganz im Gegenteil.

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  • Welfenprinz, es ging um _Hyper_inflation, nicht um inflationäre Tendenzen


    ja. Die "hyperinflation", die totale Geldentwertung ist im deutschen Bewusstsein eingebrannt.Aber weil Deutschland eben zweimal Kriegsveliererwar, also die "Realwirtschaft" als Deckung des Geldes verlor.
    USA,GB oder F sind nach der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht in eine Hyperinflation gekommen, obwohl auch gerade in den USA mit Keynes ' methoden gearbeitet wurde.
    Andererseits spielt die globale Vernetzung heute nun mal eine grosse Rolle. Und ich weiss nicht inwieweit die Notenbanken überall auf der Welt unabhängig sind(z.B. Russland). An Einzelbeispielen wie Arbentinien oder Simbabwe sieht man, dass Hyxperinflation auch heute noch möglich ist.




    Zitat

    . Eine Abwertung um sagen wir 10-15% über ein paar Jahre würde ja z.B. gleichzeitig die neuen Staatsschulden entwerten.


    Das meinte ich mit der politischen Intention.



    Zitat

    r, denn es ist eben nicht so einfach, dass eine größere Geldmenge gleichzusetzen wäre mit Inflation.


    sondern ob sie auch wieder angepasst wird an die Wirtschaftsleistung. Was durchaus mit einer gewissen zeitlichen Phasenverschiebung erfolgen kann.

    .

    Zitat

    Eine Diskussion um die hypothetische Wirkung der jetzigen Maßnahmen in Bezug auf eine Inflation in 3 bis 4 Jahren halte ich für völlig gaga, wer sowas diskutiert,


    Was meinst Du was ich in den letzten Wochen und Monaten für Diskussionen erlebt habe, was jetzt das sinnvollste zu tun sei. Gold ja oder nein, Aktien ja oder nein, Verschulden und Sachwerte anschaffen ja oder nein........... natürlich ist es gaga zu behaupten man wisse , was in drei oder zehn jahren ist. Aber noch mehr gaga wäre es sich nicht damit zu berschäftigen.

  • Das mit der 'Deckung des Geldes durch die Realwirtschaft' wird meiner Meinung nach massiv überschätzt. Wie Du richtig anmerkst, hängen Geldwert und Wechselkurse auch von vielen anderen Dingen ab, z.B. von der Position im Gesamtsystem der Weltwirtschaft und der Währungen.


    Das sieht man ja auch daran, dass DE in den zwanzigern eine Hyperinflation hatte, und andere nicht. Hyperinflation hat nichts mehr mit "reiner" Wirtschaft zu tun, sondern ist politisch. So wie ich das verstehe, ist Hyperinflation die Alternative zum Staatsbankrott, soll heißen, wenn es Staat pleite ist - was nicht heißt, dass er kein Geld mehr in der Kasse hat, sondern _dass er keins auftreiben kann_, weil ihm niemand leiht oder er boykottiert wird - bleibt ihm nur Staatsbankrott (sozusagen Suizid für Staaten) oder Hyperinflation (oder pure Gewalt).


    Die Sonderrolle von DE bei der Hyperinflation war, so wie ich das verstanden habe, dadurch bedingt, dass man eben durch den Friedensvertrag gebunden war und die Politik weniger Optionen hatte. Vgl. Simbabwe. In dem Interview, welches ich zitierte, wiess der Zentralbankchef von ZIM darauf hin, dass die Hyperinflation aufgrund des internationalen Wirtschaftsboykotts die einzige Option war.


    Man sollte von daher schon zwischen Inflation - egal ob 10, 50 oder 200% - und Hyperinflation unterscheiden, sonst geht alles durcheinander. Meiner Meinung nach sind das zwei gänzlich unterschiedliche Phänomene.

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  • Sinn ist Klasse. Zusammen mit Georg Schramm die letzten Mohikaner einer großen deutschen Kabarett-Tradition.


    Schon alleine über das Pseudonym könnte ich mich immer wieder beömmeln. Hach!

  • Zum Glück brauchen wir keinen tollen Typen mehr, die Rolle ist mit aschi ja bestens besetzt.


    Manno, sind wir hier im Bravo-Thread?


    Mein toller Typ des Jahres 2008 ist übrigens Robert Kurz. Habe ich das Telepolis-Interview hier schon verlinkt? (Inhaltlich noch besser ist allerdings das dort verlinkte Interview von 2002).

  • Übrigens auch lesenswert in dieser Zeit ist Dieter Wermuth. Gute Sachen zu lesen gibt's natürlich viele, bei mir liegt auch gerade Flassbeck "Gescheitert" auf dem Tisch. Aber Wermuth muss ich jetzt mal verlinken, weil er bei mir abschreibt (s. letzter Absatz), wobei er es im Gegensatz zu mir schafft, die Contenance zu wahren.