Aber wirklich neu ist das doch nicht, oder? Ich wurde vor 27 Jahren eingeschult und auch damals schon durften wir erst ab der 5. Klasse mit dem Rad zur Schule fahren. Als ich es dann irgendwann trotzdem gemacht habe und das Rad bei den großen Jungs und Mädchen am Realschulfahrradständer abgestellt habe, haben mich irgendwelche Arschlochkinder bei der Klassenlehrerin, die einen Fetisch fürs Denunziantentum hatte, verpfiffen, welche mich weit nach Schulschluss privat (!) zusammen geschissen und meine Eltern angerufen hat.
Davon mal ab:
Wenn meine Eltern mich hätten zur Schule bringen wollen, hätte ich gekotzt.
Das...
Die gemeinsame Gänge zur Schule mit den Lieblingsklassenkameraden und vor allem das gemeinsame Heimgehen nach der Schule, welches für Süßigkeitenkäufe und Dummheiten effizient genutzt wurde...
Mit Helikoptereltern wäre die Schulzeit sozial gesehen wohl deutlich unattraktiver gewesen.
...und vor allem das.
Ich war als Kind gegenüber gleichaltrigen Kindern in Sachen Freiheit unheimlich priviligert und durfte mich ziemlich frei draußen bewegen (oder habe es halt einfach gemacht). Nach Schulschluss ging es erstmal zum Tante-Emma-Laden Onkel-Erich-Laden, Dose 0,5er Pepsi für 70 Pfennig und eine Packung Ganzjahresfeuerwerkskörper holen und dann gucken, was man damit für Döneken anstellen kann. Ich kann mich gar nicht mehr an die genauen Abmachungen mit meinen Eltern diesbezüglich (also, bezüglich des Wegbleibens, nicht des Pyromanisierens der Umgebung) erinnern, ich weiß nur, dass es meiner Mutter gereicht hat, wenn ich irgendwann (so an drei bis fünf Tagen die Woche) in der Mittagszeit kurz durchgeklingelt und bescheid gegeben habe, dass ich heute (mal wieder) bei Tobias, Vitus oder Christopher esse. Mein Vater hat, wenn er Urlaub hatte, ein paar Mal versucht, mich vor der Schule einzusammeln, aber nachdem er irgendwann gerafft hat, dass ich kontinuierlich versucht habe, ihn zu "übersehen" und mit meinen Kumpels von dannen gezogen bin, hat er es aufgegeben. Herdentier eben...
Heute bin ich zwar ein Großstädter durch und durch, aber die Kindheit auf dem Dorf mit all den Freiheiten möchte ich nicht missen. Ich bedauere ernsthaft alle Kinder, die diese Erfahrungen nicht machen können und so ein ganz klein wenig helfen mir diese Erinnerungen dabei, wenn ich mal wieder traurig darüber bin, dass ich nicht aus einer Bildungsfamilie komme und keine drei Instrumente spielen und fließend Alt-Griechisch und Mandarin sprechen kann. Ich mag zwar dadurch nicht der gebildetste sein und sicherlich blieben mir dadurch einige Türen im Leben verschlossen bzw. mussten mit großem Aufwand als Erwachsener geöffnet werden, aber wenn das der Preis für die vielen schönen Momente in der Kindheit ist, dann kann ich damit ganz gut leben.