Ich denke dieses Thema hat einen eigenen Faden verdient...
Die Fanszenen haben im Nachgang der 12:12-Kampagne beschlossen ein Konzeptpapier "Fanfreundliches Stadionerlebnis" überregional auszuarbeiten und darüber in Verhandlung mit den Verbänden zu treten. Das ganze läuft (man korrigiere mich, wenn ich da falsch liege) unter der Schirmherrschaft von ProFans und soll mit in die Gespräche, die sich Andreas Rettig als neuer DFL-Geschäftsführer auf die Fahnen geschrieben hat, genommen werden. Derzeit sind die Szenen vor Ort aufgerufen Ideen zu sammeln und auszuformulieren. Diese werden dann auf einem überregionalen Treffen zusammengetragen und schlussendlich in einem gemeinsamen Papier zusammengefasst.
Folgende Punkte erarbeitete die Fanszene Hannover auf ihrem Treffen am vergangenen Sonntag (vollständiges Protokoll siehe Sicherheitskonzept-Faden):
ZitatAlles anzeigenAls Vorschläge für ein Papier „fanfreundliches Stadionerlebnis“ wurden folgende Punkte gesammelt:
Fanutensilien
Grundsätzlich sollen gleiche Bedingungen für Heim- und Auswärtsfans gelten. Fanutensilien (große und kleine Schwenkfahnen, Trommeln, Zaunfahnen, Megaphone, Spruchbänder etc.) werden als selbstverständlich erachtet und sind kein Zugeständnis an die Fans. Dementsprechend sollen sie nicht Verhandlungsmasse sein bzw. als Druckmittel genutzt werden. Jegliche Restriktion (Anzahl der Fahnen, Stocklänge) oder Anmeldeverpflichtung (Spruchbänder) ist überflüssig. Weiterhin gehört die Datenabgabe für Vorsänger und Trommler eingestellt. Für Gegenstände, die nicht mit ins Stadion genommen werden dürfen sollen Schließfächer in ausreichender Anzahl auf Heim- und Gastseite installiert werden.
Anmerkung zu Spruchbändern: Spruchbänder sind Mittel der freien Meinungsäußerung. Sollten auf diesen strafrechtlich relevante Aussagen (z.B. Beleidigung) getroffen werden, können diese im Nachhinein verfolgt werden. Vorherige Anmeldepflicht ist unzulässige Vorzensur und führt zur Einschränkung der Meinungsfreiheit, da auch nicht strafrechtlich relevante Aussagen verboten werden.
Stadionverbote
Stadionverbote sollen ein präventives Mittel sein. Demnach ist die generelle Vorgehensweise zu überdenken, da jene dem Präventionsgedanken nicht gerecht wird.
Die Laufzeit darf nicht wieder auf fünf Jahre erhöht werden, selbst drei Jahre sind unter dem Gesichtspunkt der Prävention zu lang. Da die Betroffenen zumeist Jugendliche sind, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Stadionverbote auf Bewährung auszusprechen und/oder gemeinnützige Dinge zu verrichten. Weiterhin muss das Verfahren bei Stadionverboten absolut transparent sein. Es ist ein Anhörungsrecht zu gewähren und ein Stadionverbot darf erst nach richterlicher Verurteilung ausgesprochen werden.
In der jetzigen Form kehren Stadionverbote die Unschuldsvermutung um und sind kein Mittel der Prävention, sondern schlichtweg eine Strafe. Die Rechtsprechung obliegt jedoch weder Polizei noch den Vereinen und Verbänden.
Kommunikation mit Vereinen und Verbänden
Es soll ein verbindlicher Dialog eingeführt werden. Dieser wird durch einen unabhängigen Protokollanten begleitet. Dieses Protokoll wird zeitnah veröffentlicht.
Bevor in der Presse Stellung zu fanspezifischen Themen genommen wird, soll zuvor ein Meinungsaustausch mit dieser Seite stattgefunden haben. Oft werden sich die Sachverhalte so klären lassen, ohne medial Öl in Feuer gießen zu müssen. In Gremien, in denen auch fanrelevante Dinge besprochen werden, sind Fanvertreter zu installieren und mit gleichem Stimmrecht auszustatten.
Überschneidungen zwischen Staat und Verbänden
Die Rechtsprechung liegt auf staatlicher Seite. Die Gerichtsbarkeit der Verbände soll sich auf die sportliche Ebene beschränken. Fehlverhalten, welches nicht mit dem Spielablauf zusammenhängt (z.B. Pyrotechnik) gehört wenn überhaupt durch ordentliche Gerichte sanktioniert. Weiterhin sind die vorgeschrieben Rechtswege einzuhalten und ordentliche Verfahren zu ermöglichen (keine Schnellgerichte)
Der Datenaustausch zwischen Verbänden und Vereinen auf der einen und dem Staat auf der anderen Seite ist zu unterlassen. Vereine und Verbände geht es nichts an, welche etwaigen Ermittlungsverfahren laufen.
Pyrotechnik
Bei Pyrotechnik sollen Sachverständige (z.B. Ordnungsamt, Feuerwehr) das Entscheidungsrecht innehaben, nicht DFB und DFL. Es ist je nach Standort durch die örtlichen Behörden und deren Sachverständige zu prüfen, ob eine Umsetzung des legalen Abbrennens von Pyrotechnik realisierbar ist.
Kollektivstrafen
Von Kollektivbestrafungen ist abzusehen, da sie nicht dem Verursacherprinzip entsprechen. Sie können unter Umständen zu einem Sicherheitsrisiko werden, sollten sich Fans für andere Sektoren Karten kaufen, da z.B. das Auswärtskontingent gestrichen worden ist. Ebenso ist von einer Kartenpersonalisierung Abstand zu nehmen, da kein positiver Effekt auftritt und der Datenschutz verletzt wird.
Zelte zur „Vollkontrolle“ stellen eine Verletzung der Menschenwürde dar und sind abzulehnen.
Fußball als Volkssport
Fußball ist Volkssport – und das soll auch so bleiben. Es darf nicht jede Kleinigkeit am Gewinnmaximum orientiert werden. Stehplätze sind zu erhalten bzw. an manchen Orten auszuweiten. Ermäßigte Karten für Geringverdiener müssen weiterhin in ausreichender Zahl vorhanden sein. Ebenso so dürfen die günstigsten Tickets nicht zu teuer werden (Stichwort: „Kein Zwanni für’n Steher; Topspielzuschläge). Eine Preisdeckelung über einen Festpreis erscheint weniger sinnvoll, eine Preissteigerung, die die Inflationsrate nicht übertrifft scheint besser geeignet.
In diesem Zusammenhang müssen auch Vertriebswege wie beispielsweise „Viagogo“ scharf in die Kritik genommen werden. Diese Vermittler verlangen hanebüchene Preise und dürfen nicht unterstützt werden, selbst wenn bei dem Geschäft vielleicht etwas übrig bleiben sollte.
Anstoßzeiten und Spieltagsansetzungen
Anstoßzeiten und Spieltagsansetzungen sind mit Bedacht zu gestalten. In der Regel sollten Spiele die freitags, sonntags oder montags stattfinden nur zwischen Städten ausgetragen werden, die nicht weiter als 300km auseinander liegen.
Nachwort
Fangruppen, insbesondere Ultras, sorgen mit erheblichem Anteil durch ihre Organisation und Choreographien für die heutige Atmosphäre in den Stadien. Weiterhin geht von ihnen Fan- und Jugendarbeit aus, sodass Jugendliche wertvolle Erfahrungen machen und lernen, sich verbal durchzusetzen, demokratisch zu engagieren und Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Diese Aspekte dürfen bei der Betrachtung und Kritik nicht vergessen werden.
In diesem Zuge muss ebenso die Unabhängigkeit der Fanprojekte betont werden. Eine Umverteilung der Finanzierung löst deren unzureichendes Ausmaß nicht. Noch destruktiver sind Forderungen nach mehr Einflussnahme, so kann keine fruchtbare Jugend- und Fanarbeit seitens der Fanprojekte gestaltet werden.
Wer noch gute zusätzliche Ideen hat, darf diese auch gerne hier äußern.