aus der Frankfurter Rundschau:
ZitatAlles anzeigenKindskopf in der Krise
Jan Simak merkt bei Bayer Leverkusen, dass die Schuhe von Michael Ballack zu groß sind
Von Thomas Kilchenstein
Vermutlich wird sich Bayer Leverkusen jetzt grämen, nicht auch noch daran gedacht zu haben: an das Kindermädchen. Obwohl, das ist jetzt ein bisschen böse, wenn Zuschauer pfeifen, weil der erste Pass missriet, der zweite nicht besser war und der dritte im Nichts landete, dann ist das nicht schön, keine Frage. Aber muss man dann gleich heulen? Jan Simak hat es wenigstens bis in die Kabine gepackt, ehe die Tränen liefen nach seinem knapp 25-minütigem Kampf mit dem Ball gegen Manchester United. "Wir werden uns um ihn kümmern", sprang ihm Manager Reiner Calmund gleich gewohnt rhetorisch zur Seite. Es muss das schiere schlechte Gewissen gewesen sein; lediglich zwei Betreuer hat das Bayer-Werk für den schwer Erziehbaren bereitgestellt, die dem 23-Jährigen das Eingewöhnen in der großen Stadt erleichtern sollen: Die kümmerten sich rührend um die Aufenthalterlaubnis, das neue Auto, einen Audi A6, um ein Konto bei der Stadtsparkasse, sie besorgten einen Deutschlehrer, damit er nach drei Jahren auch versteht, was der Trainer will. Und dann haben sie ihn drauf aufmerksam gemacht, dass man seine Stromrechnungen auch bezahlen kann.
Wenn aber einem, auf einmal nicht mal mehr der Ball gehorchen mag, dann hilft auch kein Aufpasser.
Jan Simak, der Superstar der Zweiten Liga, hat bei Bayer Leverkusen sehr schnell merken müssen, dass die Bäume doch nicht in den Himmel wachsen. Zwei Tore hat er gleich geschossen, dann herrschte Ladehemmung, die Leistung sackte ab, und schon war er raus aus der ersten Elf. Auf einmal muss der so genialisch veranlagte Tscheche am eigenen Leib spüren, dass die anderen auch Fußball spielen können, nicht mal schlecht sogar, dass nicht, wie noch bei Hannover 96, "19 von 20 Bällen automatisch bei mir landen": Jan Simak, das Enfant terrible, ist gewogen und (vorerst) als zu leicht befunden worden.
Vielleicht waren schlicht die Erwartungen zu hoch: In die Fußstapfen des großen Michael Ballack sollte er treten, genauso genial das Spiel machen wie Ballack und wenigstens so viele Tore schießen wie in der zweiten Liga, nämlich 18. Dass das den Fußballer Simak, der bisweilen angetrunken Auto fährt, Spielschulden anhäuft und auch sonst seinen eigenen Kopf hat, womöglich leicht überfordern könnte, wollte niemand wahr haben in Leverkusen. Dort hatte man eher Bedenken wegen der außersportlichen Eskapaden des großen Kindskopfs. Die indes sind bislang aus geblieben. "Wenn ich den hier in Leverkusen sehe, mag ich gar nicht glauben, was da immer in Hannover erzählt wurde", sagte Förderer Klaus Toppmöller.
Fußballerisch hat man ihm den Durchbruch allemal zugetraut, gerade "Toppi". Er allein hatte sich für die Verpflichtung des Mittelfeldspielers stark gemacht, die Bayer-Verantwortlichen hatten eher abgewinkt, 6,5 Millionen Euro für einen Zweitligaspieler waren ihnen zu viel. Doch bislang kommt der Tscheche, der erhebliche Defizite in der Defensive hat, überhaupt noch nicht zu recht. Die anhaltende Krise bei Bayer macht es ihm nicht leichter. Die Zeiten, da Simak alles zugeflogen war, sind vorbei. Er wird sich erstmals in seiner jungen Karriere durchbeißen müssen.
Am Samstag gegen Bayern München wird er nicht spielen, sagt Toppmöller. Er habe momentan einen schweren Stand und sei nervlich so stark angeschlagen.