Alles anzeigenWirkliche Fachleute gehen davon aus, dass wir in 2-3 Wochen mehr Intensivpatienten haben werden als im April...
Dafür muss man nicht einmal Fachleut sein, sondern nur in Mathematik in Klasse 10 ein wenig aufgepasst haben. (Disclaimer: Ich bin mir sicher, dass es komplexere Modellierungen gibt, die das Ganze besser abbilden. Für "uns" ist die Modellierung aber gut genug)
Die Daten über die Intensivbettauslastung (und wie viele Patienten davon mit Covid-19 auf der Intensivstation liegen), kann man beim DIVI Intensivregister abrufen.
Ich habe die Daten des letzten Monats einmal genommen und ein wenig damit herum gespielt. Dazu stellt man sich die Werte sinnvollerweise zuerst in einer normalen Punktwolke dar (zugehöriges Diagramm; ich habe gleich noch ein wenig mehr eingetragen; Erklärungen siehe unten) und erkennt, dass vermutlich ein exponentielles Wachstum bei der Anzahl an durch Covid-19-Patienten belegten Betten vorliegt. Linearisiert man die Werte (zweites Diagramm: y-Achse logarithmisch skaliert), erhärtet sich dieser Verdacht für die Werte, da die tatsächlichen Werte - mehr oder minder gut, für den mathematischen Laien aber gut genug - auf einer Geraden liegen.
Ich nehme jetzt mal nur das nicht-linearisierte Diagramm für die weiteren Ausführungen, weil die logarithmische Skalierung für die meisten nicht besonders intuitiv ist:
1. Die dünne blaue Linie stellt die tatsächlichen Fälle dar (also die oben erwähnte Punktwolke).
2. Die dicke blaue Linie ist die exponentielle Regression der echten Werte mit der Funktion I1(t)=362·e0,0516·t bzw. (nach Basiswechsel) I1(t)=362,1,0530t.
3. Die rote Kurve ist die Funktion I2(t)=362·1,0581t, welche als Basis den Mittelwert der Wachstumsfaktoren hat (dazu teilt man jeweils den Wert von einem bestimmten Tag durch den des vorangegangenen Tages).
I1 und I2 sind nahezu identisch. 362 ist der Startwert am 1. Oktober, danach folgt der Wachstumsfaktor der jeweiligen Modellierung. Die beiden Werte sind sehr ähnlich, sorgen aber im Ergebnis für durchaus relevante Unterschiede:
Nehmen wir an, die aktuelle Entwicklung bei den Intensivbetten ginge so weiter wie im Oktober. Dann würde nach Modell I1 an Tag 85 (das wäre Weihnachten, oh du fröhliche...) die aktuelle Zahl von insgesamt rund 29000 verfügbaren Intensivbetten durch Covid-19-Patienten gerissen werden. Bei Modell I2 wäre dies bereits an Tag 78 der Fall. Eigentlich müsste man noch eine dritte Modellierung machen, denn die letzten Tage lassen darauf schließen, dass der Wachstumsfaktor eher bei 1,07xx als bei 1,05xx liegt. Dann würden wir die 29000 Covid-19-Intensivpatienten bereits Anfang Dezember erreichen.
Bronco möge mich korrigieren, aber eine vollständige Belegung aller verfügbaren Intensivbetten mit Covid-19-Patienten (und es wird ja weiterhin Schlaganfälle und Herzinfarkte geben) ist nicht gut und hört sich für mich für die Folgetage nach Triage an!? Für wie viele der Betten es überhaupt genug medizinisches Personal gibt, ist dann ja eh noch die nächste Frage.
Um auf den Punkt von stscherer noch einzugehen: Im April hatten wir rund 3000 Intensivpatienten mit Covid-19. Die Zahl werden wir bei gleichbleibendem Trend Anfang nächster Woche reißen.
Man kann also nur hoffen, dass die aktuell getroffenen Maßnahmen greifen.
Auch wenn ich die Mathematik nicht vollständig nachvollziehen kann (Klasse 10 ist schon etwas her...) wenn das so eintritt, dann gute Nacht. Kurze Rückfrage: dass regelmäßig natürlich auch Intensivbetten wieder frei werden, sei es durch Tod oder Verbesserung des Gesundheitszustands, ist in der Berechnung berücksichtigt?