Corona

  • Eine "Schwächung" der (bundes-) parlamentarischen Beteiligung um die (föderale) Handlungsfähigkeit der zuständigen Ämter über Anordnungen und Umsetzungen zu beschleunigen und nicht durch den parlamentarischen Diskurs und Entscheidungsapparat zu verlangsamen oder gar totentscheiden zu lassen, rettet uns zwar gerade eher den Arsch aber gut. Im Grundsatz schreibst du ja selbst; "dass der Deutsche Bundestag das Recht habe, "eine epidemische Lage von nationaler Tragweite" festzustellen. Gleichermaßen habe er das Recht, diese Lage aufzuheben."


    Also "defacto Ausschaltung parlamentarischer Rechte" ist das kaum.

  • Das mag bei einer Notsituation ja durchaus Sinn machen, aber die Frage ist ob man in den letzten Monaten nicht schon wieder zeitliche "Luft" hatte das Parlament und den Bundesrat stärker mit einzubeziehen.

    Das ist sicher eine valide Frage! Und ich persönlich wünsche mir das durchaus.

    Dass ich immer noch ziemlich entspannt bin, liegt primär daran, dass ich nicht eine Sekunde das Gefühl habe, dass unser Parlament in der Form ausgehebelt wird, wie das in Autokratien wie der USA geschieht, in der der Irre viel per Dekret reagiert und die Kammern quasi gegen ihren Willen übergeht.

  • In D wird sehr viel über Erlasse und Verordnungen geregelt. Gewaltenteilung - inkl gerichtlicher Überprüfung.

    Ich sehe hier keinen absichtlichen Missbrauch oder gar Verschwörung - aber viel Überforderung


    Und als die Lage entspannter wurde, begannen die Sommerpausen der Parlamente ....

  • Eine "Schwächung" der (bundes-) parlamentarischen Beteiligung um die (föderale) Handlungsfähigkeit der zuständigen Ämter über Anordnungen und Umsetzungen zu beschleunigen und nicht durch den parlamentarischen Diskurs und Entscheidungsapparat zu verlangsamen oder gar totentscheiden zu lassen, rettet uns zwar gerade eher den Arsch aber gut.

    Ganz gut, dass die Quasselbude mal Ruhe gibt, ne.

  • Was ist denn mit all den Behördenentscheidungen, die immer mal wieder in vollem Bewusstsein gegen bestehende Gesetze und/oder gesprochenes Recht gefällt werden, schon lange vor Corona.

    Egal, weil sie meist andere treffen? Oder wo ist da das bürgerliche Veto?

  • Eine "Schwächung" der (bundes-) parlamentarischen Beteiligung um die (föderale) Handlungsfähigkeit der zuständigen Ämter über Anordnungen und Umsetzungen zu beschleunigen und nicht durch den parlamentarischen Diskurs und Entscheidungsapparat zu verlangsamen oder gar totentscheiden zu lassen, rettet uns zwar gerade eher den Arsch aber gut.

    Ganz gut, dass die Quasselbude mal Ruhe gibt, ne.

    Die Quasselbude ist erstmal in Dt. ein effektiver aber auch langsamer und aufgeblähter Apparat. Gut, dass wir sie haben, wie wir sie haben, aber auch gut, dass sie nicht durchexerziert wird, wenn es mal schnell gehen muss, wir haben ja an dem Punkt wie schon beschrieben wurde effektive Auffangnetze wie zeitliche und hinreichende Begrenzung und unser (Verwaltungs-)Rechtssystem.

  • Seit spätestens Juni muss es aber nicht mehr schnell gehen. Die Verordnungen laufen Wochen bis Monatelang..

    Nix mehr mit „wir müssen jetzt aber schnell entscheiden“.
    die MP wollen sich keiner Diskussion stellen, so sieht’s aus..

  • Also ich erlebe wöchentlich dem Infektionsgeschehen angepasste Entscheidungen. Ich erlebe Leitvorschläge des Bundes, MP-Konferenzen, Fachausschüsse, Konferenzen mit Experten (RKI, Wissenschaftler, aus allen möglichen Richtungen), föderale Umsetzungen, Anpassungen. Ich habe oft das Gefühl, wir reden nicht über das selbe Land.

  • prickelpit96 Ich habe deswegen auch (noch) keine schlaflosen Nächte....aber vielleicht sollten wir unentspannter sein ("seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt"). Wenn wir jetzt Transparenz (Bayern) und Kontrolle schon so leichtfertig(?) und ohne Not (?) hergeben (temporär hin oder her), warum sollten meine Mitbürger bei den Populisten und der AFD die überall in Lauerstellung stehen anders reagieren?

    Einmal editiert, zuletzt von juk96 ()

  • Wegen sowas bin ich auch zunehmend genervt. Zum Teil gilt die Quarantäne-Anordnung 14 Tage ab Anordnung - obwohl der Kontakt zum Infizierten schon etliche Tage zurückliegt ...

    Da scheinen sich die verantwortlichen Leute im Gesundheitsamt auch lustig gegenseitig zu widersprechen. Bei uns in der Schule wurde klar die Ansage vom Gesundheitsamt gemacht "14 Tage ab letztem Kontakt mit der infizierten Person". Deine Variante kenne ich von anderen Schulen auch. Hinzu gab es auch einen Mitarbeiter im Gesundheitsamt, der nach dem negativen Test die Leute wieder in die Schule lassen wollte, was von seinem Vorgesetzten dann gleich wieder kassiert wurde.


    Unabhängig davon, welches Vorgehen einem richtig erscheint: Es wäre schon schön, wenn die Gesundheitsämter und die dort Arbeitenden konsistente Entscheidungen fällen würden.

    Das ganze wird auch dadurch noch skurriler, dass der Unterricht einfach nicht mehr stattfindet, auch wenn vollmundig Online-Unterricht versprochen wurde (von der Schulleitung). Kein Lehrer hat sich danach bei meiner Tochter gemeldet, außer um Aufgaben zu verteilen. Sie durfte sich dann also 5 Wochen vor den Vorabiklausuren neuen Stoff komplett selber beibringen.

    Das ist ja erst einmal kein Problem der angeordneten Quarantäne sondern der Art und Weise, wie die Schule damit umgeht. Aber wenn ich das lese, krieg' ich echt n Hals, weil die betreffenden Kolleg:innen damit mal wieder alle Vorurteile bestätigen. Ich wundere mich immer wieder, dass sich Schulen so etwas erlauben, kann aber versichern, dass das nicht überall so aussieht. Bei uns wurde die in Quarantäne befindliche Klasse selbstverständlich mit Arbeitsaufträgen versorgt und die Lehrer, die selbst in Quarantäne waren, haben für ihre anderen Lerngruppen auch Aufgaben heraus gegeben. Es gibt sogar eine klare Regelung wann in Quarantäne befindliche Kolleg:innen Videokonferenzen für welche Lerngruppen anzubieten haben.

  • Also ich erlebe wöchentlich dem Infektionsgeschehen angepasste Entscheidungen. Ich erlebe Leitvorschläge des Bundes, MP-Konferenzen, Fachausschüsse, Konferenzen mit Experten (RKI, Wissenschaftler, aus allen möglichen Richtungen), föderale Umsetzungen, Anpassungen. Ich habe oft das Gefühl, wir reden nicht über das selbe Land.

    Und selbstverständlich alles ohne Gegenstimmen der gewählten Opposition, da sich die MP ja selbst aussuchen, auf wen sie hören..

  • Meines Wissens nach sitzen oppositionelle Parteienvertreter auch in den Ausschüssen und jeder MP, bzw. jede Landesregierung ist über kleine und große Anfragen Rechenschaft schuldig. Ich verstehe nicht nur so ganz worauf du in deinem perfekten Szenario hinauswillst, Generaldebatten im Bundestag mit anschließenden Einzelabstimmungen über Maskenpflicht und Co.? Oder was behagt dich jetzt an Regierungsarbeit und Regierungsverantwortung. Ich verstehe es ehrlich nicht.

  • Meines Wissens nach sitzen oppositionelle Parteienvertreter auch in den Ausschüssen und jeder MP, bzw. jede Landesregierung ist über kleine und große Anfragen Rechenschaft schuldig. Ich verstehe nicht nur so ganz worauf du in deinem perfekten Szenario hinauswillst, Generaldebatten im Bundestag mit anschließenden Einzelabstimmungen über Maskenpflicht und Co.? Oder was behagt dich jetzt an Regierungsarbeit und Regierungsverantwortung. Ich verstehe es ehrlich nicht.

    Nicht Bundestag, da der das ja nicht entscheidet.

    Aber warum weigern sich MP wie zB Stephan Weil weiterhin, die Entscheidung in die Parlamente zu geben, obwohl er da ja sogar die Mehrheit hätte?

    Ich versteh es nicht.

    Die Oppositionen dort kritisieren das auch seit Monaten

  • Zumal ja auch eine gerichtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung von Maßnahmen an Kriterien wie "geeignet" oder "erforderlich" ansetzt. Wie soll ein Gericht das vernünftig bewerten, wenn es überhaupt kein operationalisierbar formuliertes Ziel gibt?


    Am 24.08. hat sich zum Beispiel unser niedersächsisches OVG in Lüneburg mit dem Abstandsgebot im Kino auseinandergesetzt und dabei seine Ausführungen zum damit verfolgten Ziel wie folgt begonnen:


    "Der Verordnungsgeber verfolgt mit dem Abstandsgebot als Besucherpflicht das legitime Ziel, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden" (OVG Lüneburg 13. Senat, Beschluss vom 24.08.2020, 13 MN 297/20, http://www.rechtsprechung.nied…ml=bsndprod.psml&max=true, Rn. 30).


    In diesem Zusammenhang kann man sicher einige Fragen stellen. Z.B., inwieweit eine Überlastung tatsächlich droht. Auch hängt die Überlastungsfrage ja wesentlich von den dem Gesundheitssystem zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Hier kann man überlegen, inwieweit es eine Verpflichtung des Staates gibt, eine Überlastung durch eine Ressourcensteigerung abzuwenden, um so die Notwendigkeit repressiver Maßnahmen zu reduzieren. Wobei man dann wiederum bedenken muss, dass die Mittel für eine Ressourcensteigerung im Gesundheitswesen auch wieder irgendwo herkommen müssen und es sicher keine Pflicht gibt, alle theoretisch verfügbaren Mittel ins Gesundheitswesen zu stecken, bevor überhaupt über Freiheitseinschränkungen nachgedacht werden darf. Ebensowenig änderte ein Verschulden des Staates in Form mangelnder Mittelbereitstellung nichts daran, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems die Gesundheit der Bevölkerung bedrohte, sodass vom Staat auferlegte Einschränkungen trotzdem gerechtfertigt sein können.


    Was den Vergleich zu anderen (Infektions-)krankheiten (oder weitergefasst allgemein anderer Gesundheitsbedrohungen) angeht, "wieso das alles bei Corona, aber nicht bei Grippe", wäre zu überlegen, inwieweit es sich überhaupt um ein relevantes Gleichbehandlungsproblem handelt. Schließlich hätten Coronaviren auch dann, wenn sie nicht gefährlicher sein sollten, keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Grippeviren. ;) Solange also Anticoronamaßnahmen nicht wesentlich anders treffen als es Antigrippemaßnahmen täten, kann man in meinen Augen von vorneherein keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung geltend machen. Was natürlich nichts daran ändert, die Frage auf der politischen Ebene diskutieren zu können, ob Corona eine Sonderrolle begründet.


    Dass kein quantifiziertes Ziel vorgegeben wird, finde ich übrigens nicht problematisch. Letztlich ist es doch wohl einfach so, je geringer die Bedrohung durch Corona ist, desto strengere Anforderungen muss man an die Angemessenheit stellen. Und natürlich ist die Angemessenheit auch von der Dauer abhängig. 96 Tage Tanzverbot ist was anderes als 96 Jahre Tanzverbot.


    Die Hetzer von der Bundeszentrale für politische Bildung haben da was zusammen geschrieben


    Der von der BpB thematisierte neue § 5 IfSG mit der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" und den daraus resultierenden Ermächtigungen ist indes meines Wissens nicht die Grundlage z.B. für die niedersächische Coronaverordnung, auf der die uns betreffenden Beschränkungen vorwiegend resultieren. Diese Verordnung basiert auf § 32 IfSG, den es schon vor Corona gab.


    Die Dominanz der Rechtsverordnungen. Normalerweise ist das Parlament die gesetzgebende Gewalt. Das wird jetzt schon ziemlich lange ausgehebelt u.A. durch die Interpretation des Paragraphen 32 des Infektionsschutzgesetzes. Das heißt "über Nacht" werden weiterhin über Verordnungen, die uns bekannten "Regeln" erlassen (die z.B. immer noch starken Einfluss auf die Berufsausübung einiger Branchen haben und auch wenn es nicht so "schlimm" wie in anderen EU-Staaten sprechen wir dennoch über die stärksten Grundrechtseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik), ohne das diese in einem ständigen Prozess parlamentarisch legitimiert werden.


    § 32 IfSG ermächtigt, "auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen". Diese Ermächtigung tritt somit neben die Ermächtigung der zuständigen Behörden, hierzu entsprechende Verwaltungsakte, insbesondere sogenannte Allgemeinverfügungen, zu erlassen. Auch ohne Rechtsverordnungen könnte hier also viel auf Exekutivebene geregelt werden.


    Übrigens ermächtigt ja § 32 IfSG selbst zunächst nur die Länder zu einer Regelung per Rechtsverordnung, nicht aber zu einer Regelung per Parlamentsgesetz. Hierzu sagt dann aber Art. 80 Abs. 4 GG, dass in diesem Fall "die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt" sind. Eine gesetzliche Regelung wäre daher also wohl möglich, aber nach meinem Verständnis gerade nicht der eigentliche Standard; Abs. 4 wurde auch erst in den 90er Jahren oder so eingefügt. Ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll wäre, die Verordnung als Ganzes in den Landtag zu bringen, aber vorstellbar könnte es sein, den Landtag zur besseren demokratischen Absicherung einen Rahmen als Gesetz beschließen zu lassen, dass es Einschränkungen gibt, und die Einzelheiten weiter per Verordnung festzulegen (wobei ich mir gerade nicht klar bin, ob es da Konflikte mit der Bund-Land-Kompetenz o.Ä. geben könnte).

  • Auf eine Frage von Jan Böhmermann bei Twitter hat Prof. Drosten geantwortet, dass sich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch die Ausbreitung von an deren viralen und bakteriellen Erkrankungen massiv verändert hat.


    Vielleicht wäre es da ganz gut, mal darüber nachzudenken, ob bestimmte Verhaltensweisen auch zukünftig durchaus einen Sinn haben könnten...

  • Nee.


    Ich möchte schon gern unter Leute, und habe keinen Bock, darauf bis an mein Lebensende zu verzichten. Die Diskussion hatte ich gestern erst mit einem Freund, der sich um seine Oma (> 90) sorgt, die gern noch Freundinnen besucht.


    Ich kann mit den Einschränkungen gut leben, weil ich im Hinterkopf habe, dass sie dafür sorgen wieder vorbei zu gehen. Bis ans Lebensende wäre es nicht lebenswert.