Corona

  • Nun "lenkt" ein Virus aber keineswegs. Vielmehr interessiert es sich auch dafür rein gar nicht. "Lenken" tun Menschen ihre Gesellschaften und zwar in Demokratien nach Abwägungen bezüglich Gefährlichkeit des Virus, Gefährlichkeit der Grundrechtseinschränkungen, Gefährlichkeit der Kollateralschäden. Man braucht keine Soziologen, Sozialpsychologen, Verfassungsrechtler und sonstige Juristen zum ersten Punkt zu befragen. Weshalb die beiden weiteren Punkte entweder durch die Virologen und Epidemiologen mit wegkassiert werden, man es a priori für weniger relevant erklärt und/oder darauf diejenigen, die es trotzdem mal wieder sporadisch aufs Tableau bringen, in die ethisch-moralische Schäm-Dich-Ecke stellt, klärt das aber noch lange nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Es geht doch erst einmal nur um die Diskussion darüber. Du würgst sie doch auch ab und benutzt den selben Mechanismus den er kritisiert. Alternativlosigkeit, mitschwingend, dass jeder der diese Alternativlosigkeit nicht undiskutiert mitträgt indirekt unethisch handelt und zieht die Diskussion direkt auf eine emotionale Ebene ("elendig an dem Virus verreckt"). Dabei geht es nicht um "schwarz" oder "weiß" oder "an" oder "aus"... es geht um viele kleine Stellschrauben und vor allem darum wo solche Entscheidungen in einer Demokratie getroffen werden sollte.

    Aber man kann doch nicht wirklich darüber diskutieren, ohne darzulegen, warum man das grundsätzlich ok findet, die Grundrechte einzuschränken. Per se würde ja jeder sagen, dass das absolut nicht geht.

    Aber "wir" akzeptieren das ja gerade nur deshalb, weil wir unter dem Eindruck der Pandemie, der Gefährlichkeit, der Ansteckungsraten stehen.

    Natürlich könnte man argumentieren, dass wir uns, wenn wir denn so schön unter diesem Eindruck stehen, dann ja auch ohne Gesetz und Verordnung an die Vorsichtsmaßnahmen halten können.

    Es scheint aber so, als täten "wir" das nicht. Wie man in den einzelnen Lockerungsphasen ja durchaus sehen kann.

    Schwierig. Sehr.

    Erschreckend im Sinne von "huch!" ist aber natürlich, wie leicht das im Grunde mit den Einschränkungen geht.

    Was mir hilft, ist meine feste Überzeugung, dass die Politik dies nach besten Wissen und Gewissen macht und ohne böse Ziele oder Absichten.

    Und - dass ich es wohl nicht anders machen würde. Wie denn auch.


    Vielmehr interessiert es sich auch dafür rein gar nicht. "Lenken" tun Menschen ihre Gesellschaften und zwar in Demokratien nach Abwägungen bezüglich Gefährlichkeit des Virus, Gefährlichkeit der Grundrechtseinschränkungen, Gefährlichkeit der Kollateralschäden.

    Das stimmt. Aber wenn die sich die Frage stellen "laufen lassen oder eindämmen?" dann ist das ja schon eine Abwägung. Und natürlich wächst das Wissen um Kollateralschäden auch mit jeder Runde und natürlich wird das dann auch mit in die Abwägung einbezogen.

    Was nicht bedeutet, dass man dann mit dem Ergebnis der Abwägung einverstanden ist/sein muss.

    Ich bin es wohl.

  • Manche hier im Forum würden Herrn Prantl jetzt sagen, er soll aufhören so rumzujammern..

    Immerhin darf er ja noch spazieren gehen (allerdings je nach Bundesland nur bis 20 Uhr)

    Das ist ja auch wieder nur das übliche Gejammere, das man jetzt seit fast einem Jahr hört. Ab in die Mülltonne damit.

    Was mir nicht passt, muss in die Mülltonne. Lässt tief blicken, was du von Meinungsfreiheit und Demokratie hältst! Nämlich offenbar gar nichts. Ein Armutszeugnis deinerseits!

  • Zackzack Es geht ja sogar noch ein Stück weiter und das ist das gefährlichere für eine Demokratie. Sie werden nur nicht mehr gefragt, sondern sie entziehen sich dem Diskurs freiwillig weil sie Angst haben unter die Räder zu kommen. Auch aus dem Interview, aber vom Journalisten:

    Zitat

    Aktuell haben es allerdings Kritiker der Regierungspolitik schwer. Ich kann mich nicht erinnern, dass einem bei Recherchen so viele Leute – Ärzte, Juristen, Unternehmer – sagen: Das oder das können Sie bitte gerne schreiben, aber bloß nicht unter meinem Namen.

    Und da macht es ja nicht halt. Auch in Forschung und Wissenschaft herrscht bei vielen genau dieselbe Stimmung. Das einige Leute lieber ihre Klappe halten bei allem was als Kritik gewertet werden könnte, weil sie persönliche Nachteile fürchten (siehe z.B. die Expertenbefragung der Uni Tübingen aus Mai). Aktuell sieht man es ja wieder an Streeck und Chanasit ... wenn der Spiegel ihnen in einem Nebensatz und wie eine Tatsache "seit Monaten Unwissenschaftlichkeit" unterstellt ohne diesen Vorwurf auch nur irgendwie zu begründen. Und man muss sich das mal vor Augen führen, was anscheinend ausreicht um als quasi Fundamentalopposition empfunden zu werden. Eine Unterstützung des aktuellen Lockdowns prinzipiell bei hohen Inzidenzen mit der Abweichung jetzt und in Zukunft die Risikogruppe effektiver zu schützen.

  • Und heute habe ich gelesen, dass Ärzte fordern, die Maskenpflicht und die Anstandspflicht solle doch überall beibehalten werden. Helfe doch so toll gegen Grippe und Erkältungen.
    Genau das ist nämlich das, was ich meine.

    Das verselbstständigt sich in einer Weise, die mir eine scheiss Angst macht!

  • Sorry, aber für die steile These der "unterdrückten Meinungen" hätte ich dann doch gerne eine valide Quelle. Ich würde deine genannten Beispiele dann nämlich doch gerne etwas differenzierter betrachten, gerade vor dem Hintergrund, dass beide genannten sich auch (sehr) gerne öffentlichkeitswirksam positionieren und präsentieren.


    Insane96: Ich lese nach entsprechender googlesuche: "Ärzte empfehlen deshalb ein Maskentragen auch nach der Pandemie" im weiteren Text wird sogar noch differenziert um "in Praxen" als "Option".


    Wenn man in jedem Vorschlag eines Branchenvertreters aus der Perspektive seiner Branche (hier Vorsitzender niedergelassener Ärzte) per Se einen Angriff auf sich sieht und generell vom Schlimmsten ausgeht, verstehe ich die Angst. Aber das ist dann schon etwas, was man als paranoid kritisieren darf,

  • Erschreckend im Sinne von "huch!" ist aber natürlich, wie leicht das im Grunde mit den Einschränkungen geht.

    Und das ist doch aber genau der Kern der Kritik und eben nicht "an" oder aus" oder "eindämmen" und "laufenlassen". Es geht in der Pandemie aktuell zu leicht. Nach der ersten Panikreaktion wo man ja auf Schnelligkeit hinweisen kann und die man gerne außen vor lasen kann, hätte die ganze Chose in einen demokratischen Prozess überführt werden müssen. Und die Bevölkerung und die Medien hätten das jetzt nicht als Alternativlos "bejubeln" dürfen, sondern sie hätten darauf drängen müssen und auf einen offenen Diskurs...weil es mit den Grundrechten einen der Kerne unserer Demokratie trifft. Und bevor mich jemand falsch versteht, klar darf man alles sagen...aber die Mechanismen die gerade wirken führen dazu, dass es die Leute freiwillig nicht mehr tun (gerade in nicht anonymen Settings).

  • Und heute habe ich gelesen, dass Ärzte fordern, die Maskenpflicht und die Anstandspflicht solle doch überall beibehalten werden. Helfe doch so toll gegen Grippe und Erkältungen.
    Genau das ist nämlich das, was ich meine.

    Das verselbstständigt sich in einer Weise, die mir eine scheiss Angst macht!

    Mit einer Anstandspflicht wäre der Gesellschaft schon viel geholfen.

    (Sorry, den Elfmeter musste ich verwandeln)

  • Streeck labert ständig hör und sehbar, kann also seine Meinung sagen was er ja auch tut.


    Und vieles stellt sich im Nachhinein als falsch heraus ( zB "Es wird keine zweite Welle geben")


    Gute Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Dinge vorhersagen kann, welche dann auch eintreffen.

  • Und heute habe ich gelesen, dass Ärzte fordern, die Maskenpflicht und die Anstandspflicht solle doch überall beibehalten werden. Helfe doch so toll gegen Grippe und Erkältungen.
    Genau das ist nämlich das, was ich meine.

    Das verselbstständigt sich in einer Weise, die mir eine scheiss Angst macht!

    Angst nicht, aber ich möchte auch nicht dass das in die Richtung geht.

  • Nun ja, so den allgemeinen Duktus einer Redeunterdrückung finde ich immer etwas schwierig. Man kann da Indizien für finden, das aber in einer solchen Allgemeinheit anzunehmen, da fehlt mir dann doch noch ein wenig Nachhalt.


    Die Sache mit Streeck/Chanasit wird schon konkreter und hat mich auch ziemlich geärgert. Die Interviewerinnen unterstellen hier ja nicht nur Unwissenschaftlichkeit, sondern werten das zugleich als schlimmer für den Diskurs als all die Corona-Leugnung.


    Ich habe schon ein wenig das Gefühl (mehr ist es nicht), dass die Wissenschaftsjournalisten bei allen Redaktionen etwas zu hoch gespült worden sind. Es ist auch da leider häufig das Problem, dass diese zwar die naturwissenschaftliche Perspektive viel präziser nachvollziehen können, die Einordnung in den Gesellschaftsprozess ist jedoch oft sehr rudimentär, dies aber bei gleichzeitig maximalen Selbstbewusstsein (klären wir mal in einem Basta-Handstreich gleich mit). Anders kann ich mir auch hier nicht erklären, dass jemand der derart tastend und nachgiebig argumentiert wie Streeck einer der größten Debattenfeinde sein soll. Da fragt man sich schon, welche Debatte überhaupt noch geführt werden darf, wenn selbst das nicht nur ein unaushaltbares "Zu viel" sein soll, sondern gleich noch böse und verwerflich.


    Hier ("Talk im Hangar 7") im Übrigen nochmal Prantl in einer Talkrunde und in direkter Auseinandersetzung mit Christian Zeller (Zero-Covid). Lohnt sich zu schauen, finde ich.


    Nebenaspekt hierbei: An der Besetzung dieser Runde lässt sich übrigens, inhaltlich meinerseits vollkommen wertneutral, schön ablesen, wie ein Eindruck gesellschaftlicher Einmündigkeit medial hergestellt werden kann. Wären sämtliche Talkrunden seit März 2020 genau so unausgewogen wie hier mit einer Mehrzahl an Kritikern und nur eineinhalb Befürwortern besetzt gewesen, wäre der heutige Gesamtdiskurs ein komplett anderer. Diskurs wird halt immer "produziert", es gibt nichts, das sich hier quasi naturgesetzlich von selbst ergeben würde (wenn auch, sehr häufig, quasi als Perpetuum Mobile von selbst weiterläuft).

    Einmal editiert, zuletzt von Zackzack ()

  • "Es wird keine zweite Welle geben"

    Haben sich SOWOHL Drosten als auch Streeck getäuscht?


    Komisch, dass nur einem das immer wieder vorgehalten wird...


    Dazu Ärzteblatt, 29.05.2020


    Hamburg − Die Virologen Christian Drosten und Hendrik Streeck halten es für theoretisch möglich, dass Deutschland eine zweite Welle mit SARS-CoV-2 erspart bleibt. Das sagte beide heute Medienberichten zufolge. „Vielleicht entgehen wir einem zweiten Shutdown“, sagte Drosten, der Virologe vom Ber­liner Universitätsklinikum Charité dem Spiegel. Die Wissenschaft habe inzwischen ein besseres Verständnis des Infektionsgeschehens. „Jetzt kennen wir das Virus genauer, wir wissen besser, wie es sich verbreitet.“


    Dies ge­schehe über wenige sogenannte Super­sprea­der, also Infizierte, die für viele An­steckungen verantwortlich sind. „Und ein solches Infektionsgeschehen kann man besser kontrollieren als eine gleichför­mige Ausbreitung unterm Radar, wie wir das am Anfang angenommen haben“, sagte Dros­ten. Es gebe jetzt eine „theoretische Möglichkeit“, dass die Deutschen „ohne zweite Welle durchkommen“. Wichtig sei nach wie vor, einen möglichen Ausbruch früh zu erkennen und zu stoppen, indem sämtliche Kontaktpersonen in Quarantäne kommen, ohne sie vorher erst langwie­rig zu testen. Dafür könnte die Zeit der Quarantäne aber deutlich verkürzt werden. Kon­taktpersonen müssten künftig nur eine gute Woche in der Isolation verbringen, denn die Inkubations­zeit und die Zeit, in der ein Mensch ansteckend sei, sei deutlich kürzer als anfangs ge­dacht, betonte Drosten.


    Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck glaubt nicht, dass Deutschland von einer ge­waltigen zweiten Coronawelle überrollt wird. Er vermute, dass es immer wieder lokale Ausbrüche geben werde. „Das wird vielleicht im Herbst auch vermehrt und überraschend geschehen − aber ich glaube nicht, dass wir eine zweite Welle sehen werden, die uns re­gelrecht über­schwemmt und überfordert“, sagte Streeck den Zeitungen des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND).

  • Und vieles stellt sich im Nachhinein als falsch heraus ( zB "Es wird keine zweite Welle geben")

    Er hat das mehrfach präzisiert. Im Grunde ist das nur Teil seines "Corona geht nicht mehr weg". Er sprach von einer Dauerwelle, die Aufs und Abs haben wird. Im Übrigen hat er schon sehr früh von einer hohen Saisonalität gesprochen. Dass er dann quasi zeitgleich eine Winterwelle negiert, passt dann ja von vornherein nicht wirklich. Anders übrigens als Drosten, der die Saisonalität nach wie vor eher für sehr gering zu halten scheint. Geklärt ist da nach wie vor nichts, es gibt einiges, das deutet hierhin, anderes, das deutet dorthin. Aber eindeutig "falsches" Gelaber? Sehe ich hier nicht.

  • die steile These der "unterdrückten Meinungen"

    Wo hast Du diese These gelesen? Bei mir nicht, falls Du mich meinst.

    Äh naja....doch


    "lieber ihre Klappe halten bei allem was als Kritik gewertet werden könnte, weil sie persönliche Nachteile fürchten"

    Dann zitiere bitte nicht sinnverfälschend. Die Meinungen werden nicht von jemanden anderen Unterdrückt. Auch habe ich das nie in so einer Absolutheit formuliert, ich habe von "einige Leute" gesprochen.


    Ein Beispiel ist ja aus dem Interview schon zitiert und kommt vom Journalisten:

    Zitat

    Aktuell haben es allerdings Kritiker der Regierungspolitik schwer. Ich kann mich nicht erinnern, dass einem bei Recherchen so viele Leute – Ärzte, Juristen, Unternehmer – sagen: Das oder das können Sie bitte gerne schreiben, aber bloß nicht unter meinem Namen.

    Und zu der von mir genannten Umfrage:


    Experteneinschätzungen zu Covid-19 Aufrechterhaltung der Abstandsregeln und Verbot von Großveranstaltungen – Nutzen von Mund-Nasen-Schutz bisher nicht belegbar | Universitätsklinikum Tübingen (uni-tuebingen.de)


    Zitat

    Die Experten vermissen eine ausgewogene Berichterstattung (82,6 Prozent) – zu oft würden die gleichen befragt. Außerdem, so die Aussage von 62,9 Prozent, fehle eine konstruktive Fachdiskussion mit unterschiedlichen Positionen der Experten. Jeder zehnte Befragte beklagte sich zudem über eine sehr restriktive Informationspolitik einiger Universitäten, sogar ein Drittel aller Expertinnen und Experten sieht die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft als bedroht.

  • Wir können hier viel über Feinheiten sprechen.


    Am Ende landen wir zwangsläufig bei der Frage, die die sich jeder für sich und wir uns als Gesellschaft stellen und beantworten müssen lautet:


    Was sind wir bereit für den Versuch der Eindämmung dieses Virus zu opfern?


    Wenig überraschend, wird man da zu vielen unterschiedlichen Antworten kommen. Der einzige Weg in einer demokratischen Gesellschaft mit dieser Mannigfaltigkeit an Antworten umzugehen, ist die breit angelegte, gesellschaftliche Debatte zu führen.

  • Und heute habe ich gelesen, dass Ärzte fordern, die Maskenpflicht und die Anstandspflicht solle doch überall beibehalten werden. Helfe doch so toll gegen Grippe und Erkältungen.
    Genau das ist nämlich das, was ich meine.

    Das verselbstständigt sich in einer Weise, die mir eine scheiss Angst macht!

    Anstandspflicht wäre schön.

    In allen Lebenssituationen.


    Und die Abstandspflicht ist für mich eine der positivsten Dinge, die Corona hervorgebracht hat.