WM 2022 in Katar

  • An FIFAs Stelle würde ich das Konzept Fußball muss in einem Stadium vor sogenannten Fans stattfinden, komplett überdenken. Es würde reichen, wenn es eine Ehrentribüne und Umkleidekabine vor Ort gäbe. Den ganzen Rest kann man komplett streamen und man hätte sich auch viele Tote und die unschönen Nachfragen erspart. Ob nun Bier oder nicht kann man dann auch im kleinen Kreis vor Ort klären. Da könnte ja auch jeder was mitbringen, ein Salat oder einen Kuchen oder halt ein Sixpack. Der geneigte Zuschauer kann es sich dann in seinem Heimatstadion mit anderen angucken, wenn er unbedingt dieses antiquierte Stadionding braucht.


    edit: Katar wird im Laufe des Turniers schon ähhh Mittel finden, die Fandarsteller und andere Häftlinge ähhh Zuschauer zu überzeugen *hüstel*, bis zum Spielende im Stadion zu bleiben.

    Einmal editiert, zuletzt von KU8A ()

  • Die FIFA ist für mich eine Welt-Organisation, die sich im Laufe der Jahre (nicht erst seit 2010) zu einem Moloch mit mafiaähnlichen Methoden und Strukturen entwickelt hat. Korruption, Nötigung und Geldgier gehören zu den systembedingten Genen dieses Konstruktes. Blatter, Platini oder Infantino sind die Repräsentanten, aber auch schon Havelange wurde Korruption und Beziehungen zur organisierten Kriminalität vorgeworfen. Havelange war seit 1974 FIFA Präsident. Das sind jetzt fast 50 Jahre und geändert hat sich nichts. Und in absehbarer Zukunft wird sich auch nichts ändern, wenn man sieht, dass Infantino ohne Gegenkandidat wahrscheinlich wieder"gewählt" wird.


    Die Kritik im Zuge dieser WM wird zumindest in Europa lauter. Dennoch tut keiner wirklich etwas, um diesen Sumpf trocken zu legen. Versuche sind da (Stichwort Ethikkommission), sie verpuffen aber oder werden zertreten. Es hat den Anschein, dass dieser Verband unreformierbar ist. Also nimmt man es so hin, äußert meist mehr oder weniger diplomatisch seine Kritik und die Karawane zieht weiter.


    Warum entzündet sich gerade jetzt die Kritik? Wäre alles in Ordnung, wenn nicht Katar, sondern die USA oder Australien diese WM bekommen hätten? Ich denke nicht. Aber ich bin mir sicher, dass das System FIFA nicht dermaßen im Fokus der (europäischen) Kritik stehen würde, wenn es eben nicht Katar gewesen wäre. Schließlich sind seit Havelange 12 Turniere veranstaltet worden (u.a. anderem in Argentinien oder Rußland) und da ist es auch mehr oder weniger ruhig geblieben.


    Die FIFA scheint dermaßen mächtig zu sein, dass man den Eindruck bekommen kann, dass sie unantastbar ist. Die einen Verbände wollen nicht, die anderen können nicht. Alles bleibt wie es ist und dann geht man her und nimmt so eine 1-Love-Kapitänsbinde zum Vehikel, den Aufstand zu proben. Im Vergleich, was in den letzten 50 Jahren alles (theoretisch) möglich gewesen wäre, Änderungen herbeizuführen, empfinde ich es als lächerlich. Aber immerhin: Wenn die europäischen Verbände den Mut und die Konsequenz an den Tag legen, bei Sanktionen der FIFA im Notfall das Turnier zu verlassen, wäre es endlich mal ein Statement. Gegen die FIFA und ihre Willkür und ihre Machenschaften, nicht so sehr gegen Katar. Kurz: "Entweder spielen wir mit dieser Binde oder wir spielen gar nicht".


    Was Katar angeht, ist die Sache noch schwieriger. Da ist ein kleines Land, das ein ganz anderes Weltbild in den Punkten Menschenrechte, Gleichberechtigung, Toleranz hat. Ein Weltbild, das einerseits konträr zu den Werten der Völkergemeinschaft steht, aber andererseits kein Alleinstellungsmerkmal auf dem Globus hat. Gleichzeitig verfügt dieses Land über sehr viel Geld, Rohstoffe und dient als Moderator in den Konflikten im Nahen Osten. Siemens und Co nehmen gerne Aufträge aus Katar an, Habeck nimmt gerne Gas aus Katar und viele sind froh, wenn Katar dazu beiträgt, dass die Konflikte im Nahen Osten nicht eskalieren. Wo liegen jetzt die Prioritäten? Menschenrechte vs. wirtschaftlicher Macht. Ich finde das sehr schwierig zu beantworten. Na klar: Man könnte sagen: Wir machen keine Geschäfte mehr mit derartigen Staaten und kaufen dort auch keine Rohstoffe. Bei Katar fangen wir an, Rußland aus anderen Gründen sowieso und dann müßte noch China dazukommen. Öl und Gas aus den Golfstaaten nehmen wir auch nicht mehr ab. Wo bleiben wir (Europa) dann ? Ich glaube, das würde ganz düster werden.


    Dann ist da noch der Sport. Wie in den letzten 50 Jahren. Die Turniere waren unterhaltsam, spannend und teilweise sogar begeisternd. Ich war immer dabei und habe am TV geguckt. Wenn man die Fußballerspieler ( die sog. Millionarios") fragt, ist es für sie das größte, an einer WM teilzunehmen. Große Teile der jeweiligen Bevölkerung fiebern mit ihren Mannschaften mit. Völlig unabhängig davon, dass die FIFA als Veranstalter kriminelle Strukturen hat und so mancher Gastgeber fragwürdige Zustände hatte.


    Ich bin also hin- und hergerissen. Die Machenschaften der FIFA regen mich tierisch auf und die Zustände in Katar verurteile ich. Fußball finde ich klasse und ich freue mich über jedes gute Spiel, besonders wenn es die DFB-Elf zeigt, gewinnt und möglichst weit kommt. Ganz ehrlich: Wenn ich dann das Spiel gucke, ist es mir fast egal, wo es stattfindet: ob in Rußland, ob in USA oder in Katar. Da kann man mich für kritisieren, aber es ist nun mal so. Ich sage mir: ich nehme auch das Gas aus Katar, denn ich will, dass meine Bude einigermaßen warm ist. Dann kommt einfach Wasser in meinen Wein. Gleichzeitig habe ich eine Hochachtung vor denjenigen, die konsequent sind. Kein WM-Fußball, kalte Bude, aber dafür moralisch einwandfrei.

  • Das ist doch unglaublich. Sollen sie halt sportliche Strafen für das Tragen dieser Binde aussprechen, das Turnier ist sowieso nichts mehr wert. 0 Standhaftigkeit von Spielern und europäischen Verbänden.

  • Aus meiner Sicht ist diese WM so stark in der Kritik, weil sich die FIFA eben durch die Vergabe an ein so winziges, dem Fußball völlig fremdes und sehr zweifelhaftes Land noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, ihre korrupten Strukturen zu verschleiern.

  • Das brauchen sie auch nicht zu verschleiern. Spätestens seit dem Skandal um die WM 2006 dürfte jedem klar sein, das scheinbar alle, wie gesagt alle in UEFA, FIFA und den anderen Verbänden korrupt sind.

    Das jetzige Einknicken wegen der Kapitänsbinde ist doch bezeichnend dafür. Die FIFA sagt, wer mit der Binde aufläuft, bekommt eine Geldstrafe. Warum gehen dann die Verbände nicht bei und sagen, die bezahlen wir. Nein, man könnte meinen, die haben sich noch was ausgehandelt, damit die Spieler die Binde nicht tragen. Traurig.

  • Geldstrafen hätten die Verbände angeblich bezahlt... sportliche Strafen wie gelbe Karten oder gar Punktabzug wollte man hingegen leider nicht akzeptieren.

  • Ich würde das Bedürfnis nach Wärme schon geringfüging essentieller einordnen, als das Bedürfnis nach weltmeisterschaftlichem Fußball.

    Aber das ist alles schon rauf und runter diskutiert und jedem ist seine eigene Meinung und Konsequenz dazu garantiert.


    Was die FIFA und potentielle Verbesserungen angeht, befürchte ich das sich unser hübscher gewohnter Fußball hin zu etwas anderem entwickelt. Einem rein vermarktbaren Produkt, das in weiten Zirkeln der Welt unabhängig von anderen Werten gesehen und genossen wird. Der Einfluß der europäischen Länder ist sehr gering und die FIFA Spitze nutzt die Mehrheiten aus Asien und Afrika, um ihre eigene Idee zu verfolgen.


    Es wäre wirklich schön, wenn die UEFA sich im Gegenzug anders aufstellen, Turniere wieder kleiner und natürlicher aufstellen und das Spektakel der Welt überlassen könnte.

  • Geldstrafen hätten die Verbände angeblich bezahlt... sportliche Strafen wie gelbe Karten oder gar Punktabzug wollte man hingegen leider nicht akzeptieren.

    Doch, man akzeptiert diese, in dem man die Binde nicht trägt !

  • Was die FIFA und potentielle Verbesserungen angeht, befürchte ich das sich unser hübscher gewohnter Fußball hin zu etwas anderem entwickelt. Einem rein vermarktbaren Produkt, das in weiten Zirkeln der Welt unabhängig von anderen Werten gesehen und genossen wird.

    Diese Entwicklung ist doch schon lange im Gange. Fußball ist seit vielen Jahren ein vermarktbares Produkt - national wie international. Das Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.

  • Wie schon gesagt, ist es ein großer Unterschied, ob man Gas aus Katar benutzt oder eine WM mit Katar als Ausrichter schaut. Außerdem hat Habeck das Gas sicher nicht gern genommen.

  • Wie schon gesagt, ist es ein großer Unterschied, ob man Gas aus Katar benutzt oder eine WM mit Katar als Ausrichter schaut.

    Ist das so ?

    Gas aus Katar ist ok. Eine WM anzuschauen (!) wegen der Menschenrechtsverletzungen und weil es ein kleines, fußballfremdes Land ist, nicht.

    Ja, ist auch eine Meinung.


    Gas ist eben wichtiger als TV Fußball. Kann ich verstehen. Ich würde auch die warme Bude vorziehen, wenn ich mich entscheiden müßte und nur eines von beiden ginge.


    Wie schon gesagt: Zum Glück leben wir in einer Freiheit und jeder kann bei uns selbst entscheiden, ob er den Fernseher einschaltet und welches Programm er dann wählt.

  • Vielleicht wäre es besser gewesen, man hätte es darauf ankommen lassen. Sich mit einigen der größten Verbände anzulegen wäre eventuell die Chance, diese FIFA, so wie sie jetzt ist, zu reformieren. Würden alle nach den Strafen abreisen, bleibt doch von der ohnehin fragwürdigen Veranstaltung nur noch Comedy übrig. Ich hätte mir gewünscht, man wäre standhaft geblieben für die Sache.

  • Auch Infantino hat den Begriff "Whataboutism" jetzt gegoogelt:

    "Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen." (Sportbuzzer)


    3000 Jahre? Meint er den Trojanischen Krieg oder was?

  • Verstehe ich das richtig:


    Man hat keine Eier die Regenbogenflagge zu tragen, sondern wollte als schlechtestem aller Kompromiss schon eine abgewandeltes Pseudo irgendwas tragen was absolut nichts repräsentiert? Und jetzt knickt man selbst von dem tragen dieses nicht-Symbols ein...weil es die Assoziation wecken könnte, die es auf ganz schlechte Art und Weise ja wecken sollte?


    Oh man....

  • Was die FIFA und potentielle Verbesserungen angeht, befürchte ich das sich unser hübscher gewohnter Fußball hin zu etwas anderem entwickelt. Einem rein vermarktbaren Produkt, das in weiten Zirkeln der Welt unabhängig von anderen Werten gesehen und genossen wird.

    Diese Entwicklung ist doch schon lange im Gange. Fußball ist seit vielen Jahren ein vermarktbares Produkt - national wie international. Das Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.

    Wenn die Uefa den Mut hätte, könnte sie hier aber einen Erneuerungsprozess einleiten. Ich kann ja verstehen, wenn man das Turnier zu Ende spielt. Es gibt Verträge mit Sponsoren, TV-Stationen und so weiter. Das wäre zu teuer, allerdings nach der WM sollten zumindest die EU-Mitglieder der Uefa-Länder sich zusammenschließen und konkret mit dem Austritt drohen oder am besten austreten.


    Von anderen Kontinentalverbänden kann man das nicht erwarten. Dort gibt es Länder, die tatsächlich auf die Fifa-Gelder angewiesen sind, aber die Uefa sollte sich nicht so devot gegenüber der Fifa zeigen. Klar, Uefa-Delegierte haben den Mist mit der WM damals mitverbrochen, siehe Platini, aber der Neuendorf scheint doch ein vernünftiger Mann zu sein und die FA hat längst ihr eigenes Geschäft mit der Premier League. Die haben jeden Ligaspieltag WM.


    Ich bin schon gespannt auf das Katar gegen Niederlande-Spiel, in dem diese Farce auf dem Platz noch ein bisschen deutlicher wird. Die anderen Partien werden zumindest am Bildschirm einer relativ normalen WM entsprechen, wenn Messi, Ronaldo und Co. ihre Show beginnen.