Russlands Angriff auf die Ukraine

  • Vielleicht, wenn man berücksichtigt, dass das hier von einem NATO-Offiziellen kommt.


    Ich meine, vom Prinzip her ist das nicht neu, insofern ich sowas von Amis schon öfter gehört habe. Und, machen wir uns nichts vor, momentan wird die Abschreckung Russlands, Massenvernichtungswaffen zu nutzen, von den Amis, wenn auch mit der NATO im Hintergrund, geleistet.

  • Eben. Die NATO ist schon seit ihrer Gründung bereit.

    Rob Bauer sagt ja nicht, dass die NATO bereit wäre, direkt in den Ukraine-Krieg einzugreifen.


    Winsley555:

    Natürlich ist mir bewußt, dass die Moral auf Seiten der Ukraine ist. Da dürfte es doch keine zwei Meinungen geben.

    Genauso wie das Völkerrecht auf Seiten der Ukraine ist. Aber diese beiden Tatsachen beenden den Krieg nicht bzw. stellen keine Lösung für den Konflikt dar.

    Aber genau um die Frage, wie dieser Krieg beendet werden kann, geht es. Da habe ich noch keine überzeugende Antwort gefunden. Die von (nicht nur) dir beschriebene Vorgehensweise, nämlich die Ukraine so lange mit allen benötigten Waffen zu unterstützen, sodass ein militärischer Sieg Russlands auch auf längere Sicht nicht erreicht werden kann, halte ich nicht für überzeugend. Zumal die Entscheidung darüber, wann dieser Punkt erreicht ist, Putin treffen wird. Ich fürchte, dass er reagiert wie Hitler, der auch noch Anfang 1945 vom "Endsieg" geschwafelt hat.

    Vielleicht muss aber erst noch Zeit ins Land gehen und das Frühjahr abgewartet werden, also davon, welches Ergebnis die avisierten Offensiven haben.

  • Ich habe bereits im Sommer geschrieben, dass die Ukraine Russland aus ihren Grenzen vertreiben wird und bin nach wie vor der Meinung.

    Finde ich kaum nachvollziehbar. Niemand externes kann wissen oder vorhersagen, wo oder wann die nächste Frühjahrsoffensive stattfindet. Wohl nicht einmal, wer sie starten wird. Vermutlich die Russen, aber die Ukrainer waren immer für überraschende Schachzüge bekannt. Vom Ausgang dieser Operationen mal ganz abgesehen. Dieser wird aber maßgeblich den weiteren Verlauf des Krieges (oder von Verhandlungen) beeinflussen.

  • Die Fokussierung auf eine Frühjahrsoffensive ist zu eng.


    Insgesamt ist die Einschätzung im deutschen Sprachraum deutlich pessimistischer, als ich das von internationalen Militärs und Fachwissenschaftlern lese. Malcolm Nance ist jetzt sicher keine oberste Autorität, aber den habe ich z.B. oben zitiert. Und der hat Einblick in das, was aufgrund der inzwischen reifen Informationsstrategie der Ukraine kaum wahrgenommen wird: Den Ausbau und die Verbesserung der ukrainischen Streitkräfte.


    Was in Deutschland immer noch vorherrscht ist die Vorstellung von Russland als einem Land mit unbegrenzten militärischen Ressourcen. Nichts könnte ferner der Wahrheit sein. Dies könnte man auf unterschiedlichen Ebenen begründen, aber vor allem wären die, die so eine Sicht pushen, im Begründungszwang.


    Entscheidend ist letztendlich die Einschätzung in der Ukraine. Und man sollte endlich mal den paternalistischen Blick hinten anstellen und anerkennen, dass die kompetent in eigener Sache sind. Sowohl die Verantwortlichen dort als auch die breite Bevölkerung sind überzeugt, dass das schaffbar ist. (Umfragen hatte ich schonmal zitiert.)


    Ich möchte daran erinnern, dass die Pessimisten schon die ganze Zeit falsch liegen, was die Einschätzung dieses Krieges angeht.


    EDIT: Sollten bis, ich sag' mal, Mittsommer keine Fortschritte gemacht worden sein, müsste ich über diese Einschätzung nochmal nachdenken. Aber ich bin fest überzeugt, dass wir bis dahin welche sehen werden.

    Einmal editiert, zuletzt von ExilRoter ()

  • Was in Deutschland immer noch vorherrscht ist die Vorstellung von Russland als einem Land mit unbegrenzten militärischen Ressourcen. Nichts könnte ferner der Wahrheit sein.

    Die Mitte ist richtig. Niemand hat unbegrenzte Ressourcen, aber die russischen Streitkräfte haben natürlich nicht ihr gesamtes militärisches Potential in der Ukraine. Das kann sich Russland mit dieser Landesgröße und seinen Ansprüchen militärisch gar nicht leisten. Das ist ein westliches Narrativ, aber es ist leider genauso wenig wahr wie das russische Pendant.


    Es gibt natürlich gut ausgestattete Truppen in Russland, die (bisher) nicht in der Ukraine eingreifen. Genauso wie es nicht so gut ausgestattete Truppen gibt, die es nicht tun. Trotz des hohen konventionellen Verlusts in der Ukraine, ist Russland Stand heute z.B. weiterhin in der Lage, innerhalb von 2 Tagen große Teile der Ostsee zu blockieren. Trotz der hohen NATO-Präsenz. Die gesamte Nord- und Pazifikflotte sind kaum involviert. Hinzu kommt die Umstellung auf Kriegswirtschaft, die eine schnelle Nachproduktion zulässt.


    Daher jetzt so schnell wie möglich Druck aufbauen, Russland aus den Landesgrenzen der Ukraine zurücktreiben und sofort den NATO-Beitritt des Landes beschließen.

  • Wir kämen jetzt in die Detaildiskussion und ehrlich gesagt würde ich die gerne vermeiden. Denn: Die ist sehr umfangreich, und wenn wir da einfach so reinrutschen, ist es schwer, den Überblick zu bewahren.


    Militärisch ist Russland bereits größtenteils entblösst. Es ist schon viele Monate her, dass z.B. Finnland festgestellt und kommuniziert hat, dass die russischen Stützpunkte im Norden komplett entblösst sind. Einheiten z.B. aus Murmansk sind in der Ukraine, im Osten sieht es ähnlich aus.


    Die Nachproduktion von Russland ist nicht nachhaltig, dies gilt sowohl für Raketen als auch für Munition. Natürlich ist die Munitionsversorgung für die Ukraine auch ein Thema, allerdings wird das gerade von den Unterstützern ernsthaft angegangen.


    Die russischen Flotten sind für die Ukraine unerheblich. Insofern sie eine Rolle spielen, also z.B. für Raketenangriffe, sind sie zum Zuge gekommen bzw. ist da kein Mehrwert zu erwarten. Nicht zuletzt auch deswegen, weil über den Bosporus nichts nachgeführt werden kann.


    Eine Einschätzung, dass Russland noch viel mehr reinwerfen kann, hält vor allem nicht der Betrachtung vor dem Hintergrund des bisherigen Kriesgeschehens stand. Russland hat mehrmals die Strategie gewechselt. Wie ich oben schrieb: Als Surovikin das Kommando übernahm, ging man zu creeping barrages in Verbindung mit der Zerstörung ziviler Infrastruktur über. Beide Ansätze sind ínzwischen 'kulminiert': Man hat damit Lysichansk erobern können, musste den Ansatz aber einstellen, weil der Munitionsverbrauch viel zu hoch war. Ebenso ist der Versuch, die Infrastruktur der Ukraine während des Winters zu zerstören, gescheitert. Ein Restrisiko besteht noch, dass das noch gelingt, aber es sah schon gefährlicher aus. Bei der Bombardierung von Dniepro vor zwei Wochen, dieser fürchterliche Angriff auf den Wohnblock, wurde eine Rakete verwendet, die gegen Flugzeugträger eingesetzt wird. Dies ist ein Zeichen, dass Russland die Präzisionsmunition ausgeht. Denn das ist eine ungenaue Waffe.


    Nachdem die creeping barrages eingestellt werden mussten, gab es die menschlichen Wellen. Damit wurden innerhalb von Monaten einige wenige Kilometer gewonnen, zu einem sehr hohen Preis. Inzwischen hat Wagner fertig, findet keine Dummen mehr, und bei Bakhmut werden die Wagner-Truppen jetzt von Mobilisierten abgelöst.


    Völlig ignoriert wurde hier bislang die russische Offensive bei Vuhlehar. Die ist kläglich gescheitert, trotz Einsatz von schwerem Gerät. Die Russen haben momentan keine Mittel mehr. Es kann sein, dass sie Kräfte sparen für ihre eigene Frühjahrsoffensive. Aber tatsächlich gibt es Stimmen, die sagen, dass das, was wir bei Vuhledar sehen, bereits die Offensive ist.


    Selbst wenn man nicht so optimistisch ist, sollte man erkennen, dass Russland schwere Verluste durch Kämpfe und Verschleiß hinnehmen musste. (Das zeigt sich auch daran, dass sie auf Iran und Nordkorea zurückgreifen müssen, was Material angeht.) Es wird nicht leicht für die, überhaupt eine schlagkräftige Frühjahrsoffensive zusammenzustellen.


    Vor einem Jahr hingegen haben sie mit frischen Kräften und noch vor Verlusten angegriffen und das ist auch gescheitert. Ich sehe überhaupt keine Gründe, warum sie jetzt mehr Erfolg haben sollten. Selbst wenn sie Mobilisierte so verheizen können, wie die Wagner-Truppen, reichen Menschenmassen gegen moderne Waffen einfach nicht.

  • Dann gibt es m.E. nur zwei Möglichkeiten: Entweder zieht Putin den Schwanz ein, oder es findet ein atomarer Weltkrieg statt.

    Das ist genau das, was Putin uns allen gerne glauben machen möchte. Dieses Narrativ stimmt aber nicht. Zum einen ist bekannt, dass die Drohung mit einem Erstschlag taktischer Atomwaffen zur offiziellen Militardoktrin Russlands gehört. Diese Drohszenario hat Putin also nicht einmal erfunden, sondern nutzt es eben nur exessiv. Dazu passt auch seine Geschichte mit der in Bedrängnis geratenen Ratte.


    Zum Zweiten hat sich die Welt- und Atommacht Sowjetunion - ein damals viel mächtigerer Staat als das heutige Russland - nach jahrelanger Besatzung schmachvoll aus Afganistan zurückgezogen, nachdem sie von den afganischen Freiheitskämpfern mit massiver amerikanischer Waffenunterstützung aus dem Land gejagt wurden. Haben die tieffrustrierten Russen damals mit taktischen Atombomben auf die Niederlage reagiert?

  • Wir kämen jetzt in die Detaildiskussion und ehrlich gesagt würde ich die gerne vermeiden.

    Ja, hinzu kommt, dass ich sie aus dienstlichen Gründen nicht führen darf. Daher muss ich es aus meiner Sicht so belassen, wie ich schrieb.


    Das klingt so easy.

    Dürfte aber in der Praxis schwerer werden als bei Schweden. Frag mal Erdogan.

    Sorry, war mein Fehler. Ich meinte mit NATO-Beitritt nicht den formalen Prozess, sondern eine Schutzmachterklärung der Nuklearkräfte der NATO. Aber da bitte keine einfache Abschreckung, sondern die Minimalabschreckung der Nuklearen Teilhabe. Heißt konkret: Nuklearwaffen auf den Boden der Ukraine mit Zugriffsgewalt der Steller.

  • Dann gibt es m.E. nur zwei Möglichkeiten: Entweder zieht Putin den Schwanz ein, oder es findet ein atomarer Weltkrieg statt.

    Das ist genau das, was Putin uns allen gerne glauben machen möchte. Dieses Narrativ stimmt aber nicht. Zum einen ist bekannt, dass die Drohung mit einem Erstschlag taktischer Atomwaffen zur offiziellen Militardoktrin Russlands gehört. Diese Drohszenario hat Putin also nicht einmal erfunden, sondern nutzt es eben nur exessiv. Dazu passt auch seine Geschichte mit der in Bedrängnis geratenen Ratte.


    Zum Zweiten hat sich die Welt- und Atommacht Sowjetunion - ein damals viel mächtigerer Staat als das heutige Russland - nach jahrelanger Besatzung schmachvoll aus Afganistan zurückgezogen, nachdem sie von den afganischen Freiheitskämpfern mit massiver amerikanischer Waffenunterstützung aus dem Land gejagt wurden. Haben die tieffrustrierten Russen damals mit taktischen Atombomben auf die Niederlage reagiert?

    du benutzt das wort freiheitskämpfer so apodiktisch. waren das wirklich (alles) Freiheitskämpfer oder nicht zumindest zum großen teil islamisten , die antikommunistisch eingestellt waren und für eine freiheit von der russischen besatzung kämpften , aber keineswegs für eine freiheitliche gesellschaft ?

  • Auch wenn es einige nicht abwarten können, wird zunächst wichtig sein zu sehen, ob die qualitative Überlegenheit der westlichen Waffensysteme das hält, was viele erwarten. Und da ist aus meiner Sicht mit mangelnder Erfahrung, lückenhafter Logistik, Pannenanfälligkeit, Unterzahl und auch Lernprozesse auf der Gegenseite ganz viel unerforschtes Land.

  • Winsley555:

    Zum einen kann man den Ukraine-Krieg nicht mit Afghanistan vergleichen, auch wenn es noch so oft wiederholt wird. Genau sowenig taugt Vietnam oder Korea als Vergleich.


    Zum anderen ist dieses "Es wird schon keinen Atomkrieg geben" genauso ein Narrativ. Wenn man sich darauf verlassen könnte, dass es keinen Atomkrieg gibt, wäre die Sache in der Tat leichter und entspannter. Dem ist aber nicht so.


    Der Atomschlag als ultima ratio wird selbst von westlichen Experten wie Sönke Neitzel nicht ausgeschlossen, der ansonsten die Wahrscheinlichkeit auch eher für unwahrscheinlich hält.

  • Es ging bislang auch ohne westliche Panzer, Kherson, Kharkiv.


    Es ginge auch ohne, allerdings zu einem wesentlich höheren Preis. Und es würde deutlich länger dauern.

  • Bislang hatten sie auch noch genügend eigenen Ressourcen, die aber sich zunehmend verbrauchen.

    Ganz genau. Weiß das jemand, was die Ukrainer überhaupt selbst nachproduzieren oder wer das überhaupt außerhalb Russlands tut? Der ganze Sowjetkrempel ist irgendwann einfach mal weg und soviel erbeuten kann man ja kaum, wie es bräuchte.

  • Ich bin leider erstmal raus aus dem Faden. Hat mir viel Spaß gemacht mit Euch zu diskutieren. Auch wenn ich nicht allzu lange hier war, das werde ich schon vermissen.


    Haltet weiterhin das Niveau hoch und denkt immer dran, am Ende stehen wir alle auf derselben Seite! Bleibt fair und respektvoll! Bis hoffentlich bald wieder :herz: !

  • Wir stehen dezidiert nicht auf derselben Seite.


    Also Du und ich vielleicht, aber selbst wenn wir das mal ausklammern, gibt es hier erhebliche Differenzen.


    Wie dem auch sei: Schade! Beehre uns bald mal wieder.

  • Alles Gute Webtura!


    Ich bin ebenfalls noch nicht lange hier, aber ich habe Dich gerne gelesen.