Russlands Angriff auf die Ukraine

  • Wenn man die Ukraine unterstützen will, sollte man das nicht halbherzig tun. Ich wäre sehr überrascht, wenn die drohende Munitionsknappheit nicht schon sehr früh bekannt war.

    Vor einem Jahr und 10 Monaten hätte man die Munitionsproduktion hochfahren müssen. Zumindest in DE, FR, GB und den USA. Zum einen, um langfristig liefern zu können, zum anderen, um selbst nicht leer zu laufen.

  • Kai

    Ja, Deutschland liefert bereits viel an die Ukraine...wie einige andere Länder auch. Das wird auch nicht von mir bestritten. Allerdings reicht das nicht aus, um Putins Horden aus der Ukraine heraus zu schmeißen. Dazu bedarf es weit größerer Anstrengungen, vor allem im Bereich Munition und weitreichenden Waffen, um die russische Logistik zu stören. Die Taurus könnten sofort geliefert und mit ihnen wohl die Kertch-Brücke angegriffen werden. Würde sie zerstört, würde das Russland vor erhebliche Probleme stellen. Die Regierung könnte sie liefern, will aber nicht.

    Ebenso ist für mich kein Wille zu erkennen für ausreichend Munitions-Nachschub zu sorgen. Wir könnten/sollten uns das leisten, wollen aber nicht. Und das kann ich nicht nachvollziehen, denn verliert die Ukraine, wird es für uns wohl erst recht sehr teuer.

    Achja, ob die Bundeswehr zurzeit ihre Aufgaben voll erfüllen könnte, sei einmal dahin gestellt.

  • Möglicherweise WOLLEN einige westliche Staaten aus durchaus nachvollziehbaren befürchtungen nicht, dass die Ukraine die russen rausschmeißt, sondern befürworten in Wahrheit eine Verfestigung des status quo. Weil andernfalls die Situation in Russland NOCH gefährlicher und unkalkulierbarer wird, auch für den westen. Das habe ich doch schon geschrieben. Seid ihr schwer von begriff!? Also wirklich...

  • wurner: Schön, dass du jetzt tatsächlich differenzierst.


    Wir sind uns auch in diesem Punkt einig:


    Allerdings reicht das nicht aus, um Putins Horden aus der Ukraine heraus zu schmeißen. Dazu bedarf es weit größerer Anstrengungen, vor allem im Bereich Munition und weitreichenden Waffen, um die russische Logistik zu stören.

    Dazu folgende Anmerkungen:

    Das Thema "Munition" ist lange bekannt. Es ist aber wohl auch so, dass Deutschland aus eigenen Beständen soviel geliefert hat, wie es eben nur kann. Mehr geht nicht, weil eben nicht mehr da ist. Ja, die Munitionsproduktion hätte hochgefahren werden müssen. Da der Staat Deutschland aber nicht selbst durch staatliche Unternehmen produziert (im Gegensatz zu totalitären Staaten), ist man auf diese Unternehmen angewiesen und da gab es auch diverse Gespräche, dessen Inhalt ich nicht kenne. Aber vielleicht kennt sie jemand anders hier, insbesondere die, die hier Deutschland unterstellen, dass eben dieses Deutschland nicht mehr Munition liefern will, als bislang geschehen ist.


    Zum Thema "Taurus" kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Ich habe leider jetzt keine Quelle parat, bin mir aber sicher gehört zu haben, dass die Taurus eben nicht - wie vielfach unterstellt - vergleichbar mit den gelieferten britischen und amerikanischen Systemen ist. Da geht es um Reichweite, Geschwindigkeit und ein paar Dinge mehr. Es ist auf jeden Fall nicht so wie die bekannten Experten Friedrich Merz und Co suggerieren, dass die Systeme 1:1 vergleichbar wären. Hier dazu eine Quelle: Selbst bei Lieferung – Ukraine könnte Marschflugkörper Taurus erst in Monaten nutzen. Da ist für mich interessant, was selbst der Taurus-Manager Knopf dazu sagt.


    Jetzt wird mit Vehemenz die Lieferung von Taurus gefordert, in vorderster Front mal wieder Frau Strack-Zimmermann. Aber eben auch die Oppositionspolitiker. Gerade bei den Letztgenannten darf man kritisch hinterfragen, ob deren Motivation ausschließlich aus der Unterstützung der Ukraine besteht oder ob da nicht doch erhebliche partei- und machtpolitische Gründe eine Rolle spielen. Hauptsache, das Bild vom ewig zögernden Scholz aufrechterhalten. Das sind ja auch die gleichen Leute, die vehement die Panzerlieferungen forciert haben. Und sie haben uns damals erklärt, dass mit der Lieferung von Panzern die Ukraine ihre Ziele erreichen wird. Das war ganz offensichtlich falsch und ich bin der Meinung, dass viele aus der Panzer-Lobby das auch schon vorher wußten. Trotzdem haben sie in der Öffentlichkeit so getan, dass die Panzer den Ausschlag geben würden. Und jetzt wird so getan und mit Gründen unterlegt, die keiner nachprüfen kann, dass mit der Lieferung der Taurus alles besser wird und die ukrainischen Kriegsziele erreicht werden. Ich habe da erhebliche Zweifel.


    Thema "Politischer Wille": An oberster Stelle steht nach wie vor, dass Deutschland und die NATO-Staaten nicht Kriegspartei werden wollen. Daher unterlassen sie alles, was in deren Augen dazu führt, dieses Ziel zu gefährden. Der politische Wille ist also, nicht Kriegspartei zu werden. Das kann man natürlich anders sehen ("Ach, das wird schon nicht" oder "alles nur übertriebene Furcht"). Aber ich gehe davon aus, dass die Politiker, die am Ende entscheiden (also nicht Frau Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter, Markus Söder etc.), über eine wesentlich bessere und fundiertere Entscheidungsgrundlage und Informationen verfügen, als die Sofa-Helden aus den Talkshows. Die Stiftung "Wissenschaft und Politik (SWP)" hat zum Thema Kriegspartei/Waffenlieferungen unter Völkerrechtsgesichtspunkten dieses veröffentlicht: Waffenlieferungen an die Ukraine »Fahren auf Sicht« – auch was das Völkerrecht angeht. Kurz zusammengefasst: Es ist auch aus völkerrechtlichen Gründen nicht so einfach und klar, wie es von den Populisten dargestellt, es gibt nicht genau definierte Schwellen und viele zu beachtende Aspekte. Langer Text, nicht wertend, ausgewogen geschrieben. M.E. Lesenswert und hilfreich in einer Diskussion.


    Ich persönlich denke (und habe dies hier auch schon mehrfach begründet), dass die Ukraine ihre Kriegsziele nur dann erfüllen kann, wenn die NATO in den Krieg eintritt. Das will ich aber nicht und unserer Regierung genauso wenig wie die amerikanische Regierung. Die bisherige Unterstützung reicht "nur" dazu aus, dass Rußland sein Ziel verfehlt. Daran würde auch die Lieferung von Taurus, mehr Munition, Kampfjets und anderer, auf der Wunschliste stehender Güter, nichts ändern.

  • Kai:


    Thema Munition: Die EU hatte eine Million Granaten versprochen, und davon nur ein Teil geliefert. Es handelt sich hierbei also um eine EU-Angelegenheit, und damit fangen die Probleme so richtig an.

    Granaten für die Ukraine: EU-Staaten vor Offenbarungseid
    Eine Million Granaten in einem Jahr – das war das Versprechen vom Frühjahr. Doch bisher kamen erst 300.000 zusammen, und die Neuproduktion dauert.…
    www.faz.net


    Letztlich sind die Rüstungsbetriebe Privatunternehmen, das ist richtig. Daher benötigen sie ganz klar definierte Staatsaufträge, damit sich ein Hochfahren der Produktion lohnt bzw. ihre Anstrengungen wirtschaftlich abgesichert sind.


    Thema Taurus: In beziehe mich jetzt mal auf die Aussagen vom Ex-Nato General Gerhard Bühler. Er meint, dass der Taurus gegenüber dem Storm-Shadow den Vorteil hat, dass die Reichweite erheblich größer sei (500km). Dadurch werden zum einen die Piloten geschützt, da sie nicht in die Nähe der russischen Flugabwehr fliegen müssen, um diesen Marschflugkörper ausklinken zu können. Außerdem sei dadurch der Taurus schwerer abzufangen, da er im Anflug auf sein Ziel Schlangenlinien fliege, und somit eine Zielerkennung für die Russen erschwert wird. Der Taurus könnte von der Ukainischen SU-25?, oder aber von der F-16 abgefeuert werden. Das bedarf allerdings erst einmal allen erforderlichen Schritte der Implementierung des Systems. Auch die Zieldaten für den Taurus benötigt die Ukraine nicht.

    Also alles möglich, wenn gewollt.

    Nachzuhören ist das hier ab Minute 33. in der Podcast-Folge #153: Taurus-Bundesregierung unter Zugzwang der Serie "Was tun, Herr General?" https://www.mdr.de/nachrichten…iff-krieg-ukraine100.html


    Thema Politischer Wille: D'accord!

    Der von dir verlinkte Artikel bezieht sich auf das Völkerrecht. Sollte Putin den Krieg gewinnen, also Teile der Ukraine ,oder aber die ganze Ukraine vereinnahmen, dann ist das Völkerrecht Geschichte. Und Putin liefert damit auch eine Blaupause an andere Staaten, es ihm nachzutun. Holla, das wollen wir nicht erleben!


    Zitat

    Ich persönlich denke (und habe dies hier auch schon mehrfach begründet), dass die Ukraine ihre Kriegsziele nur dann erfüllen kann, wenn die NATO in den Krieg eintritt.

    Das sehe ich komplett anders. Die Ukraine hat zurzeit nicht das größte Problem darin Soldaten zu stellen (ich weiss, das ändert sich zunehmend), sondern das fehlende Material ist das Riesenproblem. Sollte der Westen sich wirklich entschließen die Waffenschmieden anzuschmeißen und große Mengen an Drohnen, Panzer, Flugzeugen etc. zu liefern, dann kann sie den Krieg gewinnen und die Russen rausschmeißen. Die wirtschaftliche Stärke hat der Westen allemal.

  • wurner : Danke für deine sachliche Antwort. Wir haben ja Übereinstimmungen und Unterschiede. Wie so oft in Diskussionen, aber es gleitet zum Glück nicht ab. Das hatten wir hier ja schon anders. Also Daumen hoch!


    Wenn ich mehr Zeit habe und es paßt, werde ich dir ausführlicher antworten.

  • Aloha,


    die Munitionsknappheit in der Ukraine ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die ukrainischen Streitkräfte bis heute nicht dazu befähigt worden sind, die Anti-Access Area Denial (A2AD) - Zonen der russischen Armee zu überwinden. Daher benötigen sie immer noch sehr viel Rohr- und Raketenartilleriemunition. Daran werden auch die KEPD-350 - ALCM kaum etwas ändern können. Aus militärischer Sicht sind nicht zusätzliche Artilleriemunitions-Fabriken die Lösung, sondern die Herstellung der weitergehenden Befähigung.

  • Aloha,


    die Munitionsknappheit in der Ukraine ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die ukrainischen Streitkräfte bis heute nicht dazu befähigt worden sind, die Anti-Access Area Denial (A2AD) - Zonen der russischen Armee zu überwinden. Daher benötigen sie immer noch sehr viel Rohr- und Raketenartilleriemunition. Daran werden auch die KEPD-350 - ALCM kaum etwas ändern können. Aus militärischer Sicht sind nicht zusätzliche Artilleriemunitions-Fabriken die Lösung, sondern die Herstellung der weitergehenden Befähigung.

    Wer oder was könnte sie denn dazu befähigen?

  • Allerdings: Ausgemacht, aber nicht ausgeschaltet.

    Naja, bis zum Sommer kriegst du das hin , oder? Bin ja auch kein Eisarschsegler.


    Zitat


    Aus den NATO-Streitkräften wären das die USA, die Türkei und mit vielen Abstrichen UK und Italien.

    Ui, die Türkei!?

    Siehst du da eine Chance, dass die USA das machen werden?

  • Allerdings: Ausgemacht, aber nicht ausgeschaltet.

    Naja, bis zum Sommer kriegst du das hin , oder? Bin ja auch kein Eisarschsegler.


    Ui, die Türkei!?

    Siehst du da eine Chance, dass die USA das machen werden?

    Rein militärisch hätten wir das sofort machen können, aber es gibt militärische Entscheidungen, die ich nicht beeinflussen kann. Ich darf leider auch keine weiteren Details dazu nennen.


    Zu der anderen Frage: Ich rechne aufgrund des US-Wahlkampfs nicht damit. Das gleiche gilt aus politischer Sicht für die Türkei.

  • Trübe Aussichten. Danke dir für diese Infos!

  • Fabian Rene Hoffmann, Doktorand und Forschungsstipendiat für Nuklearwaffenpolitik und -strategie an der Universität Oslo, hat gestern einen vielbeachteten Beitrag zum Thema "Bevorstehender Angriff Russlands auf NATO-Länder" verfasst.


    Zusammengefasst sagt er, dass Russland einen Angriff auf die NATO innerhalb der nächsten 2-3 Jahre plane - und zwar nicht primär konventionell. Vielmehr ginge es Russland um die vollständige Eskalationskontrolle, die letztendlich den Krieg zu für Russland günstigen Bedingungen frühzeitig beenden soll, bevor überhaupt die konventionelle Überlegenheit der NATO zum Tragen käme.


    In der russischen Doktrin würde die Unterwerfung der NATO vor allem mit breitflächigen Fernangriffen auf kritische zivile Infrastruktur in allen europäischen NATO-Staaten beginnen - einschließlich möglicher Austausch taktischer und strategischer Atomsprengköpfe. Russland rechne damit, dass Europa komplett geschockt und die NATO vollkommen uneinig reagieren würden und daher schnell zu einer Verhandlungslösung übergehen würden. Eroberte Gebiete würden schnell unter den eigenen (russischen) Atom-Rettungsschirm gestellt werden.


    Nun bin ich absolut kein Experte auf dem Gebiet, aber Europa scheint hinsichtlich Schutz vor Raketen und Fernwaffen wirklich blank da zu stehen. Einen Schutz für Zivilbevölkerung gibt es ohnehin nicht. Mich würde so ein plötzlicher Angriff auch komplett unvorbereitet treffen.


    Ich fand den Beitrag ziemlich beängstigend und in sich irgendwie auch logisch. Das gleiche erleben wir im Ukraine-Krieg gerade auf brutaler, aber im Vergleich ja noch niedriger Ebene. Aus Sorge vor Eskalation wird nichts geliefert.


    Den Beitrag auf Twitter gibt es hier:

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    Für Herrn Hoffmann ist der Zeitpunkt für eine glaubhafte Abschreckung fast schon zu spät. Damit spielt er aber nicht die konventionellen Fähigkeiten an, sondern die gesellschaftlichen und nuklearen.

  • Als Ergänzung:


    Der von Dir genannte Beitrag ist auch in der europäischen Presse angekommen, wie zum Beispiel deutschsprachig hier:


    https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/militaerexperte-fabian-hoffmann-dem-westen-bleiben-zwei-bis-drei-jahre-um-krieg-mit-russland-zu-verhindern_id_259578875.html


    Ich habe persönlich seit meinem Wehrdienst vor mehr als zwanzig Jahren so gut wie keine Berührungspunkte mehr mit militärischen Themen. Es liest sich beängstigend - zumindest früher galt mal die "eiserne Regel" in der NATO: "So wie Du mir, so ich Dir".


    Aber das beschreibt weniger die militärischen Fähigkeiten, sondern vielmehr den politischen Willen, den ich heute diesbezüglich nicht einzuschätzen vermag.

  • Ist das alles so? Bei einem Angriff auf ein NATO Land, müssen erst die Politiker entscheiden, was sie tun. Oder greifen da nicht Automatismen? Ich halte den Parlamentvorbehalt ja manchmal für gut... aber in einem aktuten Fall kann man doch nicht 14 Tage warten, bis die MdBs aus dem Urlaub zurück sind.... obwohl, da gabs ja mal Notstandsgesetze... gibts die noch?


    Wobei, Putin hat Finnland auch schon gedroht.

  • Grundsätzlich halte ich das für Hirngespinste die etwas bezwecken sollen, noch mehr Geld in den Rüstungssektor zu pumpen, um einige Wenige noch reicher zu machen.

    Auf der anderen Seite hätte ich mir auch keinen russischen Angriff auf die Ukraine vorstellen können.