[...] Vielleicht ist dieses deutsche Verständnis der parlamentarischen Demokratie mit Stabilität, Planungssicherheit und wirkungsarmer Opposition, auch ein Teil des Problems.
Damit ist man dann bei der Glaubensfrage angekommen. Mag so sein, ich persönlich glaube das nicht. Ich denke, dass Menschen grundsätzlich Stabilität suchen/wollen und dieses Verständnis bzw. diese Form der parlamentarischen Demokratie daher eher eine Errungenschaft, als ein Problem ist.
Das Problem ergibt sich erst durch den Verlust an Vertrauen, weil (gerade in politisch fraglos schwierigen und sehr anspruchsvollen Zeiten) diese Verhältnisse keineswegs eine Selbstverständlichkeit sind. Vertrauen in genau diesen Wert wurde verloren/verspielt und Menschen wenden sich dann oftmals eben anderen "stabilen" Werten zu.
Nationalismus/Patriotismus sind hier die Stichworte und das ist, wie man es derzeit beobachten kann, sicherlich kein sonderlich deutsches Phänomen ... aber wir (sollten) wissen, wohin das führen kann.
Womit man dann eben doch wieder bei der Weimarer Republik ist.
Ich stimme vollkommen mit Dir überein, dass der Vergleich im Hinblick auf die damals und heute bestehenden Verhältnisse eigentlich vollkommen unpassend ist.
Gerade auch, weil ich vor einiger Zeit mal die Möglichkeit bekommen habe, mich sehr intensiv mit deutscher Polizeigeschichte (Kaiserzeit-Weimarer Republik-Nationalsozialismus) beschäftigen zu können und diese Geschichte natürlich sehr eng mit bestehenden gesellschaftlichen/politischen Verhältnissen verbunden ist.
Ich halte die AfD auch vor diesem Hintergrund für gefährlich und antidemokratisch, allerdings auch für klug genug, das zu verbergen.
Zitat
"Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. […] Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir."
Joseph Goebbels
Sowas sagt man heute nicht mehr (offen).
"Wir werden sie jagen" ist davon aber gar nicht so weit weg, wenn man es weiterdenkt.
Das führt (uns) dennoch nicht direkt dazu, diese/unsere Geschichte wiederholen zu müssen. Aber es führt uns nach meiner Meinung auf jeden Fall in noch unruhigere und unbeständigere Zeiten, wenn sich Demokraten nicht mehr einigen und Vertrauen (zurück-) gewinnen können.
Naja ... so jedenfalls meine Befürchtung. Man wird sehen. Es ist noch deutlich zu früh für den Ausruf einer ganz großen Krise, aber Sorgen macht das schon.