Es handelt sich vielmehr um einen klassischen Volkskrieg wie etwa die Befreiungskriege gegen Napoleon oder aus jüngerer Zeit den Vietnam- oder den Afganistankrieg, wo das von außen angegriffene Volk aufsteht und sich geeint hinter ihrer politischen Führung versammelt, um die Invasoren aus ihrem Land zu vertreiben.
da gehe ich mit. allerdings haben wir hier die situation, dass zwei nachbarstaaten krieg führen , die vor 33 Jahren noch teil eines gemeinsamen staates waren, und sich zumindest teilweise kulturell und sprachlich sehr nah sind. diese konstellation gab es in afghanistan und vietnam natürlich nicht, auch wenn afghanistan an die sowjetunion grenzte.
Oh so groß, wie Du meinst, sind die Unterschiede gar nicht. Zumindest beim Vietnam-Krieg als auch beim Ukraine-Krieg handelt es sich jeweils um post-koloniale Befreiungskriege.
Vietnamkrieg
Nach dem Unabhängigkeitskrieg zwischen der Kolonialmacht Frankreich und Vietnam begann ein Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südvietnam. Nordvietnam wurde von China und der Sowjetunion unterstützt, während die USA Südvietnam unterstütze. Im März 1965 trat die USA seitens der Südvietnamesen in den Krieg mit ein. 1975 endete der Vietnamkrieg mit einer schmachvollen Flucht der letzten Armeeeinheiten der Amerikaner einem Sieg für die Nordvietnamesen.
Ukraine
Bereits ab dem 16. Jahrhundert gehörten weite Teile der heutigen Ukraine zur der damals dominierenden osteuropäischen Großmacht und die hieß - Überraschung Überraschung - nicht Russland, sondern Polen-Litauen. Russland als Staat existierte zu dieser Zeit noch gar nicht. Es gab damals lediglich als dessen Vorläufer das Moskowitische Reich, welches zuvor mehrere Jahrhunderte lang lediglich ein abhängiger Satrappenstaat der Mongolen gewesen war und das zu dem damaligen Zeitpunkt gerade erst seine Unabhängigkeit von den Herrschern der Goldenen Horde erlangt hatte.
Mitte des 17. Jahrhunderts entstand auf dem Boden der Südukraine ein proto-demokratischer Kosakenstaat, der in seinem dauernden Abwehrkampf gegen die polnisch-litauische Oberherrschaft ein Vasallenbündnis mit dem Großfürsten von Moskau einging. Obwohl die Kosaken dies nur als ein temporäres Bündnis gegen einen gemeinsamen Feind verstanden, begründen die russischen Zaren seitdem ihre Herrschaftsansprüche mit dem Abschluß dieses Vertrages.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts zerfiel das polnisch-litauische Großreich in Folge der drei polnischen Teilungen. Polen hörte als Ergebnis dieser Teilungen als unabhängiger Staat auf zu existieren. Größte Profiteure dieses Niedergangs waren das seit 1721 imperiale russische Reich, das Königreich Preußen und das Kaiserreich Österreich.
Im Rahmen der polnischen Teilungen fielen die heutige Westukraine an Österreich, während große Teile der Ostukraine unter die russische Zarenherrschaft fiel. Die Krim, das heutige Streitobjekt, gehörte allerdings nicht dazu. Sie stand unter der Herrschaft der Krim-Tataren und gehörte so indirekt zum Osmanischen Reich. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begannen die russischen Zaren damit, weite Teile der Ostukraine systematisch zu kolonisieren und ihren Herrschaftsbereich immer weiter auszudehmen. Nach einem Sieg über die Krim-Tataren im Russisch-Türkischen Krieg erlangte das russische Zarenreich auch die Oberherrschaft über die Krim und annektierte diese 1783.
Während die ukrainische Sprache und Kultur im Zarenreich mehr und mehr einer massiven Russifizierung ausgesetzt war, konnte sie sich unter habsburgischer Herrschaft freier entfalten. Vor allem von dort gingen im 19. Jahrhundert starke Impulse zur Herausbildung einer eigenen Nation aus. Dies führte während des 1. Weltkrieges im Jahr 1917 zur Gründung eines unabhängigen ukranischen Staates, dem jedoch im Zuge der russischen Oktoberrevolution keine lange Existenz beschieden war. Ein von den Bolschewiki initiierter Aufstand bereitete diesem ersten ukranischen Staat ein jähes Ende. Die Bolschewiki errichteten stattdessen auf dem Boden der Ukraine die "Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik". Neben der Russischen Sozialistischen Föderativen Republik trat diese dann 1922 der Sowjetunion bei.
Wenn Du also argumentierst, dass beide Staaten vor 33 Jahren noch Teil eines gemeinsamen Staates waren, so stimmt dies zwar durchaus, allerdings war die Sowjetunion nach dem Willen der Bolschwiki nichts anderes als die Fortführung des untergegangenen russischen Imperiums unter neuer Flagge. So wie das Zarenreich seit ihrer imperialen Expansion Ende des 18. Jahrhunderts die Ukraine als zugewonnenes Kolonialgebiet behandelt hatte, so erging es den Ukrainern im 20. Jahrhundert unter dem Diktat der Bolschewiken. Obwohl die einzelnen Sowjetrepubliken formal gleichgestellt waren, hatten die Ukrainer faktisch keinerlei Mitbestimmungsrechte und waren zudem die größten Opfer der stalinistischen Schreckensherrschaft. Sie erlitten einen der furchtbarsten Genozide der Menschheit überhaupt, welcher als "Holodomor" in die Geschichte einging. Mehr als 4 Millionen Ukrainer fielen 1933 so dem organisierten Hungertod anheim.
Die Antwort auf diese furchtbare Unterdrückung war eine neue ukranische Nationalbewegung unter Stepan Bandera, welche die Unabhängigjeit von der Sowjetunion erreichen wollte. Bandera war ein nationalistischer Politiker und Anführer des rechtsextremen, terroristischen Flügels der OUN, der OUN-B. Er arbeitete mit der deutschen Wehrmacht zusammen und seine OUN-B-Milizen übernahmen nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Lemberg teilweise die Polizeigewalt. Sie trugen maßgeblich zu den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung bei und bereiteten unter anderem Verhaftungen und Massenerschießungen vor. Nachdem andere Mitglieder der OUN einen unabhängigen Staat ausgerufen hatten, inhaftierte die Gestapo Bandera 1941 im KZ Sachsenhausen als Ehrenhäftling mit besseren Haftbedingungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg floh Bandera zurück nach Deutschland und wurde in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er wurde 1959 in München von einem KGB-Agenten ermordet.
Aufgrund der Kolloberation seiner Nationalbewegung mit der deutschen Wehrmacht wird er von einigen Historikern, vor allem aber von russischen Politikern als Nazi bezeichnet. Die meisten Ukrainer sehen in ihm dagegen nur einen ukrainischen Freiheitskämpfer, der die Bürger der Ukraine von der sowjetischen Schreckensherrschaft befreien wollte.
1954 wurde dann die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim durch Beschluss des Obersten Sowjets mit der Ukraine verbunden.
Fazit:
Diese gesamte Vorgeschichte muss man kennen, wenn man den Ukraine-Krieg und seine Hintergründe verstehen will. Putin führt mit seinem Überfall der Ukraine einen post-kolonialen Krieg, um eine bedeutende ehemalige Kolonie des russischen Imperiums für sein neues und bereits vom Zerfall bedrohtes Imperium zurückzugewinnen, ebenso wie die Franzosen es in den 50er Jahren vergeblich versuchten, ihre ehemalige Kolonie Vietnam wieder ihrem Kolonialreich einzuverleiben.