Kicker.de: "Ein unheimlich ehrgeiziger Typ"
Lange war er nicht gefragt. Inzwischen trumpft Silvio Schröter (25) bei 96 auf. Schwere Verletzungen sollten seine Karriere stark beeinflussen
Der Blick in die Zeitung ringt ihm ein Lächeln ab. "96-Liebling-Schröter" prangt in großen Buchstaben auf der Titelseite, die in einem Café in der Hannoveraner Innenstadt ausliegt. "So schnell kann es gehen", sagt Silvio Schröter. "Lange hatte mich hier keiner so richtig auf dem Zettel und plötzlich hast du solche Schlagzeilen." Er sagt das nicht rechthaberisch oder beleidigt, er stellt es nur fest. Weil es so ist. Für den Aufstieg zum Überflieger auf der rechten Außenbahn benötigte der gebürtige Sachse einen langen Anlauf.
2003 kam Schröter aus Cottbus nach Hannover. Trotz Kreuzbandriss hatte sich 96 um den früheren Dresdner bemüht. Zum Hinrundenende gab er seinen Einstand, machte zu Rückrundenbeginn ordentliche Spiele unter Ralf Rangnick, ehe es einen Rückschlag am operierten Knie gab und dann der Trainer wechselte. "Wenn du in den ersten Wochen unter dem neuen Mann verletzt bist und es läuft, ist es klar, dass du nur schwer wieder reinkommst", sagt Schröter im Rückblick. Tatsächlich kam er schwer rein. Auch in die neue Serie. Vor allem, weil ihn auch Ewald Lienen nicht so richtig auf dem Zettel hatte. Zumindest nicht für seine Lieblingsrolle auf der rechten offensiven Außenbahn
Irgendwie galt ich in Hannover immer als Ersatz für Steve Cherundolo, dabei sind meine Stärken in der Offensive." Dort spielte er bei Dynamo Dresden und anfangs in Cottbus im 3-5-2-System. "Erst als wir auf Vierer-Kette umgestellt haben, aber keinen Rechtsverteidiger hatten, rückte ich nach hinten." Die Wende in Hannover bescherte ausgerechnet wieder ein Kreuzbandriss. Der von Teamkollege Tranquillo Barnetta am siebten Spieltag in Rostock. Seitdem hat Schröter seine Paraderolle inne, traf gleich im nächsten Spiel gegen Wolfsburg doppelt - "und plötzlich war alles wieder da, was vorher vielleicht gefehlt hat. Zwei Wochen vorher gehörte ich nicht mal zum Kader. Der Tiefpunkt - ich war schon am verzweifeln. Und nach Wolfsburg spürte ich schon im Training, dass alles geht. Du traust dir alles zu und fast alles klappt."
Vor allem vor dem Tor klappt plötzlich vieles. Lediglich einen Treffer hatten die Statistiker in 57 Bundesligaspielen vor der Saison beim 25-jährigen Rechtsfuß notiert, plötzlich wurden es drei nach acht Einsätzen in dieser Spielzeit, dazu das wichtige 1:0-Siegtor im Pokal gegen Dortmund. Schröters neue Torgefahr hat ihren Ursprung bei Lienen. "Vor dem Spiel gegen Wolfsburg hat der Trainer verlangt, dass ich häufiger nach innen ziehen und den Abschluss suchen soll. Und plötzlich klappte es." Der Senkrechtstarter selbstkritisch: "Ich weiß gar nicht warum, aber ich hatte vorher nie diesen Zug zum Tor, bin immer eher zur Grundlinie gegangen. Vielleicht war dadurch mein Spiel auch leichter auszurechnen. Seit dem Gespräch mit dem Trainer interpretiere ich die Rolle jedenfalls anders." Und besser denn je.
"Gut gearbeitet", bescheinigt ihm Lienen, "hat er schon immer und im Training seine Torgefährlichkeit angedeutet." "Silvio ist ein unheimlich ehrgeiziger Typ", lobt auch Ex-Trainer Eduard Geyer. Umso überraschter war Schröter über eine weitere Schlagzeile. "Fauler Hund", stand da über seinem Bild. Ex-96-Torjäger Dieter Schatzschneider mutmaßte, "der Junge könnte längst bei Klinsmann sein, wenn er nicht so ein fauler Hund wäre". Wie Schatzschneider darauf komme, sagt Schröter, sei der erste Gedanke gewesen. "Aber dann musste ich doch drüber lachen. Denn das hat nun wirklich noch nie einer zu mir gesagt."
Und die Sache mit Klinsmann? Schröter ist fast erschrocken über die Nachfrage. "Dass da mein Name seitens der Medien kürzlich genannt wurde, ist mir fast unverständlich. Ich saß doch vor sechs Wochen noch auf der Tribüne." Seitdem freilich ist viel passiert. "Überragend" findet Lienen Schröters Auftritte auf Rechtsaußen in seinem 4-3-3-System, wenn er mit Tempo und Ballsicherheit Richtung Tor marschiert. Die überraschende Selbsterkenntnis: "Seit dem Kreuzbandriss bin ich noch schneller. Die Nationalelf", versichert Schröter glaubhaft, "habe ich trotzdem nicht im Hinterkopf." Es wäre nicht das erste Mal, dass er dort auftaucht, wo ihn bis vor kurzem keiner so richtig auf dem Zettel hatte.