Beiträge von SnoopDogg96

    Will Aachen etwa Geld für Bremser?


    DRESDEN/HANNOVER. Es war, wenn man so will, ein historischer Sieg für Michael Schönberg. Er wird als der bisher einzige 96-Trainer mit hundertprozentiger Erfolgsquote in die Klub-Geschichte eingehen. Stefan Mertesacker war mit 96 im November 1994 (1:1 gegen Zwickau) immerhin auch ungeschlagen geblieben.
    Nach elf Tagen mit Chef-Kompetenz übergibt Schönberg den Posten heute an Dieter Hecking, der Dirk Bremser nachholen will. Der Kotrainer sieht das als „Wertschätzung für die gute Arbeit, die wir beide in den letzten Jahren in Aachen geleistet haben“. In den nächsten Tagen soll es Gespräche mit 96 geben.
    Aachens Sportdirektor Dirk Schmadtke findet es „sehr merkwürdig, welche Auffassung Herr Bremser vertritt“. Er vermisst „ein Bekenntnis zum Verein“. Will Schmadtke etwa auch für Bremser noch Geld von 96? Für Martin Kind ist das „ein sensibles Thema“. Der 96-Boss muss auch die Personalien Schönberg und Thomas Kristl regeln. „Ich habe die Mannschaft auf dieses Spiel vorbereitet. Was dann kommt, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, beteuerte Schönberg in Dresden. Er plant die Zukunft mit seiner Familie in Deutschland: „Wir verkaufen unser Haus in Dänemark. Unsere vier Kinder wollen nicht mehr zurück.“
    Hecking wollte gestern „noch nicht sagen“, was mit Schönberg und Kristl „passiert“. Sie dürften in seinem Team aber bestenfalls eine Nebenrolle bekommen. GN

    Einzelkritik


    Robert Enke: Sehr aufmerksam, er stürzte wiederholt in höchster Not aus dem Tor und rettete. Bei den Gegentoren machtlos, Vorbeck traf zweimal aus geringer Entfernung.
    Christoffer Andersson: Bemühte sich um Schwung in der Offensive, beim Passspiel fehlte es aber oft an Präzision.
    Vinicius: Begann stark, ließ sich aber vor dem 2:1 von Vorbeck überlaufen. Wackelte auch danach.
    Dariusz Zuraw: Bekam Vorbeck nach einer ordentlichen ersten Halbzeit auch nicht in den Griff.
    Michael Tarnat: Harmoniert auf der linken Seite schon beachtlich mit Huszti. In der Defensive griffig, konnte das 2:3 durch Vorbeck aber auch nicht mehr verhindern.
    Altin Lala: Noch nicht ganz der Alte, aber der Kapitän eroberte einige Bälle. Das zeichnet ihn aus.
    Hanno Balitsch: Bereitete das 1:0 vor, musste in der 57. Minute mit Rückenbeschwerden raus. Er stellt sich morgen in München beim Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt vor.
    Szabolcs Huszti: Bester Mann auf dem Platz, nicht nur wegen seines Kunstschusses von der Ecke zum 1:3. Dribbelte und flankte vorzüglich, der Ungar kämpfte überdies mit Feuereifer. Bekam einen schmerzhaften Pferdekuss.
    Arnold Bruggink: Der Holländer ist immer noch kein Überflieger im Mittelfeld, aber er hatte sein erstes Erfolgserlebnis mit dem wundervollen Treffer zum 1:0. Biss sich ins Spiel.
    Jiri Stajner: Bewegte sich viel, ohne allzu viel in der 96-Offensive zu bewegen. Erlitt ebenfalls einen Pferdekuss.
    Thomas Brdaric: Köpfte das 2:0, tat sich aber sehr schwer in den Zweikämpfen.
    Silvio Schröter: Brachte Schwung auf der rechten Seite, mit ihm verlor 96 aber etwas an Ordnung.
    Erik Jendrisek: Engagiert, aber glücklos.
    Jan Rosenthal: Beim Schlusspfiff auch auf dem Platz. GN

    Reaktionen


    96-Interimstrainer Michael Schönberg: Man kommt nicht nach Dresden, um Geschenke abzuholen. Es war klar, dass wir nur bestehen können, wenn wir uns reinknien.
    Tom Stohn, Dresdens Interimstrainer: Es ging hoch und runter. Am Ende haben die Hannoveraner das Spiel kontrolliert mit ihrer Cleverness.
    Robert Enke: Das war ein hartes Stück Arbeit, aber jede Mannschaft hätte sich hier schwer getan. Die erste Halbzeit war ein Schritt in die richtige Richtung. Durch das kompakte Spiel haben wir an Sicherheit gewonnen. Wir können zufrieden sein, eine Runde weiterzukommen.
    Michael Tarnat: Man hat gesehen, dass die Mannschaft noch nicht die Sicherheit hat, die man sich selber vorstellt. Auch vorne nicht und im Mittelfeld.
    Silvio Schröter: Es war ein Supergefühl für mich, mal wieder hier in Dresden zu sein. Wir haben das relativ souverän über die Runden gebracht, ohne ernsthaft in Bedrängnis zu geraten. Hier musst du erstmal gewinnen.
    Altin Lala: Nach dem 2:1 ist etwas Unsicherheit und Hektik reingekommen. Letztendlich war das Erfolgserlebnis wichtig. Denn wenn man Erfolg hat, ist alles leichter.
    Frank Fahrenhorst: Es war ganz wichtig, dass wir das Spiel gewonnen haben. Jetzt muss langsam wieder Ruhe hier einkehren, wir müssen vernünftig mit der Mannschaft arbeiten.

    Endlich Sieger


    Ein „Zeichen“ für Hecking. Huszti trifft mit Eckball.


    Es geht doch: 96 verschafft sich in Dresden das gute Gefühl, noch gewinnen zu können, und kommt eine Pokalrunde weiter.
    VON GUNTHER NEUHAUS
    DRESDEN. Man durfte sich nicht eben willkommen fühlen als weit gereister Gast im Rudolf-Harbig-Stadion, das einen morbiden Charme versprüht. Ungehindert von den Ordnern entrollten die aggressiven Dynamo-Fans ein Spruchband, das die feindselige Atmosphäre in Worten ausdrückte: „Wessischweine brauchen heute schnelle Beine“ war darauf zu lesen, was Fans und Spieler aus Hannover wohl als Drohung verstehen sollten.
    Die 96-Profis schienen allerdings nicht sonderlich beeindruckt, sie waren offenbar gut eingestellt. „Uns war klar, dass wir hier hart arbeiten müssen“, sagte später Michael Schönberg. Er hatte „schon die ganze Woche über das Gefühl, dass wir hier als Mannschaft bestehen können“.
    Schönbergs Anvertraute, damit hoben sie sich diesmal wohltuend etwa von Hamburgern und Bremern ab, nahmen den unterklassigen Gegner ernst. Der Führungstreffer gelang nach feiner Vorarbeit von Hanno Balitsch, der Martin Stocklasa übertölpelte und Arnold Bruggink den Ball präzise vorlegte, der Holländer traf aus 20 Metern in den Winkel (36. Minute). Sein erstes Pflichtspieltor für 96.
    Thomas Brdaric legte sieben Minuten später nach, einen Eckstoß von Szabolcs Huszti verlängerte er am kurzen Pfosten mit dem Kopf ins Tor. Eine unglückliche Figur machte Dresdens Torwart Tino Berbig nicht nur in dieser Situation – er leistete gewissermaßen Aufbauhilfe West.
    Dresdens Aushilfstrainer Tom Stohn brachte zur zweiten Halbzeit Stürmer Marco Vorbeck für Tomas Votava, und der frühere Rostocker sorgte für einige Verwirrung in der bis dahin stabilen 96-Abwehr. „In der ersten Halbzeit hatten wir alles unter Kontrolle“, sagte Michael Tarnat, „aber dann kam wieder unser altes Leid. Einige meinen, mit ein bisschen Arschwackeln und ein bisschen Fußballspielen können wir gegen solche Mannschaften bestehen. Aber das ist leider nicht der Fall.“
    Vor dem 1:2 (49.) wackelte also der Brasilianer Vinicius, für Frank Fahrenhorst in die Startelf gekommen, ins Leere und machte so den Weg für Vorbeck frei. „Danach sind wir ein bisschen auseinandergefallen“, kritisierte Schönberg, doch Huszti stellte mit einem direkt verwandelten Eckball den Zwei-Tore-Vorsprung wieder her (54.). Vorbeck verkürzte erneut, aber nach dem 2:3 (68.) unterband 96 die Dresdner Überfall-Kommandos schon früh, der Zugriff gelang im Mittelfeld. Vinicus hatte schließlich Pech mit einem aus 35 Metern an die Latte getretenen Freistoß (87.).
    „Wir haben gegen einen unangenehmen Gegner gut dagegengehalten“, befand Robert Enke. Tarnat hielt es für „wichtig, dass wir mal wieder ein Erfolgserlebnis hatten“, und der neue Trainer Dieter Hecking vernahm „das erste Zeichen. Mit diesem Erfolg haben wir einen positiven Trend hereinbekommen.“ Er weiß allerdings auch, „dass wir schon Freitag in Wolfsburg die richtige Antwort geben müssen“.

    Pressestimmen zu Heckings Wechsel


    Aachener Zeitung: „Obwohl die Aachener dem Werben der Niedersachsen nachgaben und ihren Erfolgscoach … die Freigabe erteilten, billigen sie die Abwerbung durch die Niedersachsen keineswegs. Sportdirektor Jörg Schmadtke bezeichnete die Vorgehensweise als ,äußerst außergewöhnlich‘. Er wolle aber keine Details nennen, ,sonst kommen wir in eine Grundsatzdiskussion über Ethik und Moral‘.“
    Neue Presse: „Klubchef Martin Kind wird beim Überweisen der Ablöse für Hecking noch einmal seufzen, dann darf er sich zufrieden zurücklehnen – er hat die aktuelle Idealbesetzung für den Trainerjob verpflichtet.“
    Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Selbst in der an kuriosen Personalien nicht armen Bundesliga dürfte Heckings fliegender Wechsel zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen beispiellos sein. Aber man hat sich im Fußball ja an vieles gewöhnt.“
    Süddeutsche Zeitung: „Hecking wechselt nun in der laufenden Saison aus privaten Gründen, wie es heißt. Er will bei der Familie sein. Das mag nett klingen, doch sollte Hecking die Mechanismen des Marktes (besonders in Hannover) gut genug kennen, um zu wissen, dass dies eine Nähe auf Zeit ist.“
    Bild Hannover: „Hecking, die rote Hoffnung. Diese Trainer-Wahl kommt auch bei den Fans an.“

    Anstoss


    Der Däne hat Mut


    VON UWE VON HOLT
    Mittags Tränen-Abschied in Aachen, nachmittags Heimfahrt nach Bad Nenndorf, abends durchatmen bei den Lieben zu Hause, die den Papa ab jetzt öfter sehen werden. Es war ein bewegender Freitag für Dieter Hecking, am Ende der für ihn wichtigsten Woche seiner bisherigen Karriere.
    Klugerweise verzichtet der neue 96-Trainer auf den Blitzeinstieg beim Pokalspiel in Dresden, er beobachtet heute und morgen die kommenden Gegner für die Bundesliga, stellt sich zwischendurch offiziell den Medien vor – und lässt Interimstrainer Michael Schönberg in Ruhe arbeiten.
    Der Däne hat es in seinem ersten und letzten Pflichtspiel als Chefcoach ja gar nicht so leicht. Dynamo ist Tabellenführer der Regionalliga, und mit einer ähnlichen Leistung wie zuletzt wäre die Pokalsaison 06/07 für Hannover nach der ersten Runde vorbei.
    Man darf gespannt sein, ob Schönberg es geschafft hat, die desorientierte Mannschaft eingenordet zu haben. Mutlos hat er sich der Aufgabe jedenfalls nicht gestellt. Schönberg setzt Neururers Liebling Frank Fahrenhorst auf die Bank, er hätte auch Vahid Hashemian nicht aufgestellt, der allerdings ohnehin ein wenig kränkelt.
    Schönberg hat also auch ein anderes Gesicht, hart und mit Konturen. So hätten wir ihn gern eher gesehen.

    Schönberg kegelt Fahrenhorst raus


    Interimstrainer räumt auf. Hashemian fehlt heute.


    Michael Schönberg beginnt schon mit den Aufräumarbeiten im brüchigen 96-Gebilde und greift zu harten Personalmaßnahmen. Frank Fahrenhorst sitzt heute in Dresden auf der Bank.
    VON GUNTHER NEUHAUS
    HANNOVER. Erfrischend ehrlich ist dieser Michael Schönberg bisweilen, auch wenn seine Erkenntnisse nicht jedem Freude bereiten. „Die Haare werden auch nicht mehr mehr“, würdigte er gestern den Trainingsbesucher Karsten Surmann. Nun ja, für Shampoo-Werbung taugen sie beide nicht mehr.
    Schönberg und Surmann verbindet die gemeinsame Erinnerung an den DFB-Pokalsieg 1992, als Hannovers Zweitliga-Mannschaft im Finale überraschend Mönchengladbach schlug. Schönberg hatte damals den letzten Elfmeter zum 4:3 verwandelt.
    Bis ins Endspiel ist es in dieser Saison noch ein weiter Weg, Schönberg will heute die erste Runde in Dresden überstehen – und räumt schon mal ordentlich in der Mannschaft auf. Er redete gestern gar nicht lange um seine Startformation herum, „das soll ja kein Geheimnis sein“. Wie beim Trainingsspiel wird Frank Fahrenhorst heute nicht zur A-Elf gehören, stattdessen rückt der Brasilianer Vinicius in die Innenverteidigung neben Dariusz Zuraw.
    „Ich habe dem Frank gesagt: Der Vini hat super trainiert, der hat die Chance verdient“, erklärte Schönberg. Das würde zumindest bedeuten, dass Ex-Nationalspieler Fahrenhorst weniger gut trainiert hat. „Die Entscheidung muss ich tragen“, weiß Schönberg, sie war allerdings offenbar auch in Gesprächen mit Führungsspielern gereift. „Falls Frank eingewechselt wird“, fordert der Interimstrainer, „soll er mir beweisen, dass es ein Fehler war, ihn nicht aufzustellen.“
    Fahrenhorst sitzt also heute nur auf der Ersatzbank – das trifft ihn hart. Als Stammspieler war er vom Vizemeister Bremen gekommen, doch nach drei erniedrigenden Klatschen mit 96 wird er im Pokal bei einem Drittligisten zum Reservisten degradiert. Ex-96-Trainer Peter Neururer hatte ja wiederholt PR für Fahrenhorst betrieben, er wollte seinen Abwehr-Liebling wieder in die Nationalmannschaft reden. Nach den letzten Eindrücken könnte Fahrenhorst aber durchaus eine Schaffenspause brauchen, beim neuen Trainer Dieter Hecking kann er dann wieder angreifen.
    Werbung in eigener Sache wird auch Vahid Hashemian betreiben müssen, der von Neururer trotz schwacher Leistungen geschützt worden war. Hashemian fuhr gestern nach zwei Einsätzen für den Iran wegen einer Erkältung nicht mit nach Dresden. Auch Gunnar-Heidar Thorvaldsson blieb hier, er ist nach zweimal 90 Minuten für Island mit den Kräften am Ende.

    NP-Umfrage: Das halten Hannoveraner von Hecking


    Enno Isermann (34), Geschäftsführer: Er ist wenigstens ein richtiger Hannoveraner und hat in der Vergangeneit bewiesen, dass er es kann.


    Marcel Wendler (22), bald Student: Man muss sehen, ob er auch hier so gut mit der Mannschaft klarkommt wie in Aachen.


    Ingo Stahnke (56), Vertriebsleiter: Im Grunde ist es richtig, aber ich verstehe nicht, wieso erst Neururer King ist und jetzt nicht mehr.


    Kurt Meder (59), Postbeamter: Hecking wird sicher mit mehr Herzblut an die Sache herangehen als jemand, der nur auf das Geld schaut.


    Paul Löchel (70), Rentner: Gute Sache mit Hecking, aber mir missfällt die lange Vertragsdauer. Da werden die gleichen Fehler gemacht.


    Christian Bölke (16), Schüler: Es ist nicht in Ordnung, dass ein Verein dem anderen in der Saison den Trainer wegkauft.


    Uwe Baumbach (34), Kfz-Mechaniker: Hecking ist okay, aber man hätte mit dem Ablösegeld vorher bessere Spieler kaufen sollen.


    Steffen Matthias (19), Zivi: Ich finde es gut, dass Dieter Hecking Trainer ist. Er macht es auf jeden Fall besser als Peter Neururer.

    Wie startet Hecking?


    Am Wochenende soll Dieter Hecking noch nicht das 96-Training leiten, in Dresden sitzt ja ohnehin Michael Schönberg auf der Bank. „Das macht Sinn“ für Hecking: „Er hat die Mannschaft auf dieses Spiel vorbereitet.“ Der neue Cheftrainer will den DFB-Pokal zur Spionagetour nutzen. Er beobachtet heute Leverkusen in Koblenz und morgen den nächsten Bundesligagegner Wolfsburg in Bremerhaven.
    Morgen Abend plaudert Hecking im „Sportclub“ (NDR-Fernsehen ab 22.45 Uhr) über den Wechsel und über die neue Herausforderung. Am Montag soll er das 96-Team zum ersten Mal trainieren, bis dahin wird er auch seinen Vertrag bis 2010 bei 96 unterschrieben haben. GN



    Was plant Kind noch?


    Martin Kind will heute beim Spiel in Dresden dabei sein, auch um ein „Signal“ zu setzen, „dass jetzt der Sport Priorität hat. Denn wenn das Produkt nicht funktioniert, ist alles für die Katz.“ Der 96-Boss will in Dresden und auch am Freitag in Wolfsburg Siege sehen.
    Im Hintergrund arbeitet er jedoch weiter am 96-Umbau. Kommenden Mittwoch tagen „mehrere Gremien“, dann wird etwa der neue Aufsichtsrat bei der 96-Profifirma bestellt. Ohne Kind allerdings, der als Geschäftsführer auch formal wieder der Big Boss werden soll. Gesucht werden außerdem ein neuer Verwaltungschef (in der kommenden Woche) und ein Sportdirektor. Ilja Kaenzig steht weiter vor dem Aus. GN

    Tränen zum Abschied


    Für 96-Trainer Hecking fängt ein neues Leben an. Auch bei der Familie.


    Dieter Hecking weinte beim Abschied in Aachen. Er wird morgen bei 96 vorgestellt und startet am Montag in sein neues Trainerleben.
    VON GUNTHER NEUHAUS
    HANNOVER. Es war ein tränenreicher Abschied gestern Vormittag in Aachen. Vor dem Training war Dieter Hecking ein letztes Mal in die Kabine marschiert, um den Spielern Lebewohl zu sagen. Jeder könne jederzeit zu ihm kommen, sagte Hecking noch mit brüchiger Stimme, dann kamen ihm die Tränen.
    „Ich habe extra auf den Boden geguckt, sonst wäre mir das auch passiert“, erinnerte sich später Rainer Plaßhenrich, der Hecking in den letzten Jahren begleitet hatte. Einige Spieler aber konnten nicht an sich halten und weinten auch. „Das war für beide Seiten sehr emotional. Wir haben zwei Jahre mit Höhen und Tiefen zusammengearbeitet“, blickte Hecking noch einmal zurück. „Wir haben uns als Einheit verstanden, das war so, wie ich mir eine Fußballmannschaft vorstelle. Und zwar nicht nur bei den Spielen.“
    Dieser Abschied fiel also verdammt schwer. „Sein letzter Satz war: ‚Ihr schafft das schon, ihr seid gut genug’“, beschrieb Plaßhenrich die gefühlsgeladene Situation. „Dann hat er fluchtartig die Kabine verlassen.“ Durch den Hinterausgang flüchtete sich Hecking in die Arme seiner Frau Kerstin, die ihn mit dem Auto heimholte. Vor dem Mittag hatte er noch einige „persönliche Gegenstände“ aus seiner möblierten Mietwohnung geholt. Dann traf sich Hecking mit „Freunden und Bekannten aus der Geschäftswelt“ zum Essen. „Das Ende einer solch schönen Zeit“, weiß er, „bedeutet auch einen Anfang.“
    Für Hecking fängt nun ein neues Leben an. Um 13.50 Uhr machte er sich mit seiner Kerstin auf den Heimweg zum Rest der Familie. An den Familienalltag muss sich der prominente Papa von fünf Kindern „erst wieder gewöhnen. Ich habe sechs Jahre gelebt wie ein Junggeselle mit Trauschein, da ist einiges zu kurz gekommen. Es ist wichtig, dass ich wieder bei der Familie sein kann und als Vater Hilfestellung geben kann, so wie es sein muss.“
    Seine Jüngste, Charlotte (4), geht in Bad Nenndorf in den Kindergarten, Theresa (18) sowie die Zwillinge Jonas und Aron (12) zur Schule. Maria-Lena (20) hat das Abi bestanden und wird „eine Musical-Schule in Osnabrück besuchen“, wie Hecking nicht ohne Stolz berichtet. „Sie hat da ein paar Talente.“
    Wie es um die Begabungen der 96-Spieler bestellt ist, davon will sich Hecking ab Montag ein Bild machen. „Ich habe im Spiel gegen Bremen und gegen uns“, das sagt er noch so und meint Aachen – „einiges gesehen, das man verbessern muss.“ Das Defensivverhalten etwa, aber der allseits geschätzte Trainer will „darüber zuerst mit den Spielern reden“. Hecking, der sich anders als Vorgänger Peter Neururer „nicht in die Vereinspolitik einmischen“ will, sieht es als „fantastische Chance und Herausforderung, 96 zu trainieren“. Die Spieler sollten Hecking auch als Chance verstehen, Neururer hat kaum einer eine Träne nachgeweint.

    Einwurf


    Gutes Händchen


    Glückwunsch, Hannover 96! Mit Dieter Hecking bekommt der Verein, der bei der Trainerwahl in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen ein gutes Händchen hatte, nicht nur seinen Wunschkandidaten. Die „Roten“ bekommen mit Hecking alles, was sich viele Menschen in dieser Stadt für ihren Lieblingsklub wünschen: einen Trainer, der aus der Region stammt. Einen, für den 96 nicht nur eine Zahl, sondern nach seiner aktiven Zeit in Hannover auch eine Leidenschaft ist. Einen, der mit seiner sympathischen Art zu einem positiven Image beitragen kann; einen Trainer, der noch unverbraucht ist und trotzdem schon sportliche Erfolge vorzuweisen hat.
    Damit niemand falsche Vorstellungen bekommt: Auch Dieter Hecking ist keine Garantie für einen Erfolg, mit ihm auf der Bank muss es nicht automatisch einen 5:0-Sieg im nächsten Bundesligaspiel in Wolfsburg geben. Aber die Voraussetzungen, dass mit Hecking der Erfolg nach Hannover zurückkehrt, und zwar nicht nur kurzfristig, sind größer als mit fast allen anderen Trainern, die bei 96 im Gespräch waren.
    Mit dem Namen Hecking ist die Hoffnung verbunden, dass Hannover 96 dort weitermacht, wo der Klub mit Ralf Rangnick aufgehört hat. Unter Peter Neururer war 96 ohne Konzept, nicht nur in sportlicher Hinsicht. Hecking hat mit seiner Reputation bei den Fans auch die Chance, die Marke 96, von der Klubchef Martin Kind gerne spricht, wieder mit Leben zu füllen – und nicht wie Neururer mit heißer Luft.
    Der Coup mit Hecking ist auch für Martin Kind wichtig. Seit seinem Comeback als starker Mann baut er 96 personell und strukturell kräftig um und wird dies weiter tun, wenn zum Beispiel Hecking und Ilja Kaenzig kein gutes Trainer/Manager-Paar abgeben. Kind hat sich mit seinen Aufräumarbeiten nicht nur Freunde gemacht, obwohl an der Notwendigkeit eines Neustarts keine Zweifel bestehen. Zu Dieter Hecking werden ihm aber auch seine Kritiker gratulieren.

    Heiko Rehberg

    Reaktionen


    Michael Tarnat (96-Spieler): „Wichtig, dass wir endlich einen neuen Trainer haben und anfangen können zu arbeiten. Zu dem alten ist ja alles gesagt.“
    Thomas Brdaric (96-Spieler): „Wenn er die Arbeit, die er in Aachen geleistet hat, hier fortsetzt, werden wir viel Freude an ihm haben.“
    Silvio Schröter (96-Spieler): „Ich kenne ihn überhaupt nicht und lasse mich überraschen.“
    Jörg Sievers (96-Torwarttrainer): „Dieter ist in dieser Situation der beste Trainer, den wir kriegen konnten. Er wird von der Öffentlichkeit und der Mannschaft akzeptiert und gehört zu der jungen, erfolgreichen Trainergeneration.“
    Jörg Schmadtke (Alemannia-Sportdirektor): „Es waren professionelle Verhandlungen mit 96, aber auch ein hartes Stück Arbeit. Ab sofort beginnt die schwierige Suche nach Dieters Nachfolger.“
    Martin Biskowitz (96-Aufsichtsratsmitglied): „Das ist unter schwierigen Bedingungen eine super Lösung mit Zukunftscharakter.“ gru/hr/wie