Man muß sich dafür nur vom Sim City-Schema verabschieden, das Wohngebiete und Einzelhandel strikt voneinander trennt.
Womit wir übrigens wieder beim Ihme-Zentrum wären...
Ich bin sicherlich voreingenommen, was das Ihme-Zentrum angeht. Durfte da als Zivi ein paar Sachen erleben. Aber auch ohne meine persönlichen Erfahrungen dort möchte ich sagen, daß da praktisch nichts klug gelöst wurde.
Ich weiß, was Du meinst. Mit dem Einzelhandel "unten", dem Wohnen darüber und ein paar Büros mittendrin. Doch ich widerspreche heftig. Die Gründe:
1) das Ihme-Zentrum ist eine Stadt in der Stadt. Sie ist in nichts integriert, sondern abgesondert. Weil die Erdgeschoßebene um eine Etage nach oben versetzt wurde.
2) die Ebene wurde nach oben versetzt, damit der motorisierte Lieferverkehr im echten Erdgeschoss leichter rein kann. Super, autogerechte Stadt... Stadtbaurat Hillebrecht (1948-75 im Amt) läßt grüßen. Er hinterließ die Fußgängerzone in der Innenstadt (die mit ähnlichen Argumenten wie heute die Radverkehrsförderung zunächst abgelehnt wurde, sich dann aber doch als Erfolg erwiesen hat), aber auch viele, viele Probleme.
3) Brutalismus und Hochhäuser mitinenander kombiniert. Geht es noch entmenschlichter?
4) Der Versuch, den Fußverkehr über die Brücke Richtung Limmer Straße zu leiten, schlug fehl. Weil da ein autozentrierter Verkehrsplaner so getan hat, als verhielten sich Fußgänger genauso wie Autofahrer. Amateurfehler, vielleicht verzeihlich um 1970-73 herum, doch heute *muß* man klüger sein. Gilt auch für Londoner Hirngespinste einer Fahrradhochstraße im Autobahn-Miniaturformat (Google-Suchbegriff "SkyCycle") vor ein paar Jahren. Setzen, sechs.
5) Das Parkproblem wurde mit Tiefgaragen angegangen. Kann man machen. Meine Karre steht hier und jetzt auch in einer Tiefgarage. Aber weder Du noch ich noch irgendjemand anderes kann ernsthaft in Erwägung ziehen, drei Viertel der Stadt zusätzlich unterkellern zu wollen, nur damit wir da Blechkisten unterbringen können, die oberirdisch dann wieder nur im Weg oder im Stau (=auch wieder im Weg) stehen, zu laut sind, zu groß sind, zu gefährlich sind, zu teuer sind.
6) Das Preis-Leistungs-Verhältnis dürfte ziemlich schlecht aussehen. Das war mal die größte Baustelle Europas mit einem Betonfundament fast runter bis zum Erdkern, mit Vorbereitungen für einen U-Bahn-Tunnel und allem drum und dran. Nichts umsonst hat die Renovierung schon mehr als einen Investor in die Knie gezwungen. Stadtplanung oder -entwicklung geht viel einfacher, besser und günstiger als das.
Mit meinen persönlichen Erfahrungen im Ihme-Zentrum möchte ich sagen, daß man das ganze Arreal entweder in die Luft jagen oder sanft abtragen sollte. Und dann 20 Jahre lang 'ne Wiese hinmachen. Damit sich alles wieder erholen kann. 20 Jahre Umbaupause reichen meines Erachtens für eine Erholung nicht aus. Eine Pause ist kein Ende.
Das Auto in der Stadt als Massenphänomen ist ein Problem. Wer glaubt, das Problem mit anderen Autos oder anderen Parkplätzen (z.B. mit Tiefparken, z.B. in Tel Aviv steht irgendwo ein spektakuläres Parkhaus im Industrielager-Stil) lösen zu können, der muß und wird scheitern. Da hilft auch kein selbstfahrendes Auto und kein Loop. Da helfen 15 Minuten-Stadt, Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV, gerne kostenfrei oder günstiger als jetzt, da hilft wahrscheinlich ein bißchen home office.
Es gibt so viele Beispiele für (oft sogar inhabergeführtes) Kleingewerbe im Erdgeschoß und Wohnen darüber, vorm Krieg und nachm Krieg, da braucht es solche vermeintlichen Prestigeprojekte oder größenwahnsinnigen Schwachsinn oder stadtebaulichen Ankerpunkte nicht.