Herr Enke, macht es derzeit eigentlich Spaß, bei Hannover 96 Fußball zu spielen?
Klar, warum nicht?
Der Hickhack um Trainer Ewald Lienen und Manager Ilja Kaenzig ist doch sicherlich ziemlich belastend.
Ich sage es mal sehr drastisch: Es gibt immer mal Probleme außerhalb der Mannschaft, doch das hat mich nicht zu interessieren. Wir Spieler haben eine Verpflichtung, alles für den Verein zu geben. Aber es ist schon sehr heftig, was hier abgeht.
Und alles in der Öffentlichkeit.
Ich habe das bisher nirgends so krass erlebt. Das ist für einen Bundesligaklub schon problematisch. Ich hoffe, dass es jetzt besser und ruhiger wird, dass wieder der Sport im Vordergrund steht.
Das ist schwer zu glauben. Die Stimmung gegenüber Trainer Lienen ist nicht nur bei den Fans in den vergangenen Wochen immer negativer geworden.
Das ist einfach ungerechtfertigt. Da wird öffentlich der Kopf vom Trainer gefordert. Das geht schon sehr ins Persönliche. Man muss doch mal sehen, unter welchen Bedingungen Ewald Lienen hier arbeitet. Er hatte schon zu Saisonbeginn viele Spieler im Kader, die wussten, dass sie über diese Saison hinaus keine Zukunft im Verein haben. Er hat es dennoch geschafft, aus der Mannschaft eine homogene Truppe zu machen, und er kommt gut an sie heran.
Dennoch weist die Tendenz klar nach unten. Und die defensive Spielweise der Mannschaft nervt die meisten Fans.
Defensive Spielweise – darüber kann ich nur lachen. Lienen hat uns doch nicht verboten, Tore zu schießen. Außerdem ist es lächerlich, die jüngste Niederlage in Mainz dem Trainer anzulasten. Es war ein schlechtes Spiel von uns.
Nicht das erste …
Stimmt, aber das haben nur wir Spieler zu verantworten. Ohne jemanden persönlich angreifen zu wollen: Wir sind doch vorne völlig ungefährlich, und hinten haben wir sehr lange zu viele Gegentreffer zugelassen. Da sind wir glücklicherweise dabei, uns wieder zu fangen. Egal, wie man es dreht, wir müssen uns an die eigene Nase fassen.
Dennoch könnte die Partie am Sonntag zum Spießrutenlauf für Lienen werden. Viele Fans sind gegen den Trainer.
Es ist das zweite oder dritte Mal in dieser Saison, dass der Trainer so in der Kritik steht. Aber ich bleibe dabei, dass er gute Arbeit leistet. Wir sind drei Punkte vom 9. Platz entfernt. Und man muss nur mal sehen, wer unter den ersten acht steht.
96 war aber auch schon einmal Vierter.
Ja, weil wir in der Vorrunde weit über unseren Möglichkeiten gespielt haben. Da hat alles gepasst. Jetzt spielen wir leider unter unseren Verhältnissen.
Rein theoretisch droht den „Roten“ sogar noch der Abstieg. Haben Sie Angst, noch nach unten durchgereicht zu werden?
Es ist schade, dass wir überhaupt noch darüber nachdenken und rechnen müssen. Ich bin zwar sicher, dass wir auch so nicht absteigen, aber mit einem Sieg gegen Nürnberg wäre endgültig alles klar.
Eine aufgeheizte Stimmung in der AWD-Arena würde Ihnen dabei sicherlich nicht helfen …
Ich gehe fest davon aus, dass die Fans uns unterstützen werden. Nur wenn es nicht so läuft, kann die Stimmung schon kippen – gegen den Trainer und die Spieler, die uns verlassen werden. Aber damit beschäftige ich mich gar nicht. Wir gewinnen. Punkt. Das wäre auch wichtig für die neue Saison.
Eine Saison, von der niemand weiß, was kommen wird. Trainer und Manager können nicht miteinander. Es ist kein Geld da, einige Leistungsträger verlassen den Klub, neue Spieler sind noch nicht verpflichtet.
Ich hoffe, dass der Verein nachbessert. Dass der Kader auf etwa 23 Spieler verkleinert wird, dürfte ein Vorteil sein. Es muss dann allerdings wirklich jeder die Chance und das Zeug haben, in die erste Mannschaft zu kommen. Das ist in dieser Saison leider nicht so.
Es gibt viele Ungereimtheiten für die Zukunft. Sie zählen zu den herausragenden Torhütern der Liga – müssen die Fans befürchten, dass Sie den Klub verlassen?
Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Ich fühle mich hier sportlich und persönlich total wohl. Wir haben uns gerade ein Haus in der Region gekauft, und außerdem hat sich mein Vertrag gerade erst um ein Jahr bis 2007 verlängert. Hier ist doch alles wunderbar.
Ist Hannover 96 im Hinblick auf die Nationalmannschaft der richtige Verein?
Das liegt einzig an meiner Leistung. Vor der WM 2006 wird das eher nichts mehr, aber danach ist die Nationalelf schon ein Thema. Allerdings gibt es viele gute Torhüter in Deutschland, auch jüngere. Aber mit 28 Jahren bin ich dann im besten Torhüter-Alter.
Interview: Norbert Fettback und Jörg Grußendorf