Eine Auswahl der Fragezeichen
Dieter Hecking blickte schmunzelnd in die Runde. „Die Mannschaft ist komplett“, verkündete der Cheftrainer von Hannover 96 den erstaunten Presseleuten. Gleich danach kam die Auflösung. Die gesamte Familie Hecking wird dem Familienoberhaupt am Sonnabend bei der Partie gegen Bayer Leverkusen in der AWD-Arena die Daumen drücken.
Die familiäre Unterstützung hat Hecking auch bitter nötig, denn seine 96-Mannschaft ist bei weitem nicht komplett – sie gleicht eher einer Auswahl der Fragezeichen. Beispiele gefällig? Der Kapitän drehte gestern einsame Runden; nach einer Dreiviertelstunde verschwand Altin Lala (Oberschenkelprobleme) ins Stadion zur Behandlung. „Die Muskulatur macht noch dicht. Die Chancen stehen fifty-fifty“, sagte der Albaner vorher noch schnell. Ein Test beim Abschlusstraining heute Morgen soll Gewissheit bringen.
Oder Michael Tarnat. Der 37-jährige grippekranke Mannschafts-Senior ließ sich kurz blicken – und wurde von Trainer Hecking umgehend wieder nach Hause geschickt. „,Tanne’ hat sich überhaupt nicht gefühlt“, sagte der Coach. Auch bei Tarnat soll der Abschlusstest letzte Klarheit über einen Einsatz bringen.
Oder Frank Fahrenhorst. Der Manndecker , den eine Beckenprellung plagt, absolvierte ein leichtes Lauftraining in der AWD-Arena, ließ sich vor- und hinterher behandeln. Ein bisschen Hoffnung auf einen Einsatz gegen Bayer besteht, letzte Aufschlüsse soll … Sie wissen schon. Bei Jan Rosenthal (Kniebeschwerden) sieht es ähnlich aus. Heute klärt sich, ob der 20-jährige Nachwuchsspieler zumindest in den Kader berufen werden kann.
Gestern Abend schaute sich Hecking die Oberligaelf der „Roten“ im Spiele gegen Eintracht Braunschweig an, um vielleicht noch die eine oder andere personelle Anleihe bei den Amateuren zu nehmen. „Ich halte mir die Option offen“, sagte er.
Aus der Ruhe bringen können die drohenden Ausfälle den Trainer jedoch nicht. „Es ist, wie es ist“, sagt Hecking, „ich bin sicher, dass eine Mannschaft auf dem Platz stehen wird, die umsetzt, was ich verlange.“ Auf Grund der besonderen Umstände im Stadion und wegen der personellen Lage werde sein Team, da sei er ganz sicher, weiter zusammenrücken. „Die, die zuletzt nur in der 2. Reihe standen, werden diesmal gefordert sein, die Kohlen mit aus dem Feuer zu holen“, sagt der 42-Jährige, „wenn das klappt, kann das nur gut für den gesamten Kader sein.“
Wie immer dieser Kader letztlich aussehen wird – na klar, nach der heutigen Trainingseinheit (10 Uhr, Mehrkampfanlage) wissen alle mehr: Hecking blickt seiner Heimpremiere als 96-Trainer gelassen entgegen. „Wir dürfen auf keinen Fall in Pessimismus verfallen“, sagte er, „das haben wir nicht nötig.“ Er vertraut seiner Mannschaft, den Fans als 12. Mann – und nicht zuletzt seiner Daumen drückenden Familie auf der Tribüne.
Von Jörg Grußendorf