Zeit des Nationalsozialismus
Im April 1933, kurz nach dem Tode August Kühnes, wurde Adolf Maass – mit 45 Prozent der größte Anteilseigner von Kühne + Nagel – von den Söhnen Alfred Kühne (1895–1981)[5] und Werner Kühne (* 1898, erwähnt 1951)[6] aus dem Unternehmen gedrängt.[7] Er wurde 1945 im KZ Auschwitz ermordet.
Kühne + Nagel kam eine Schlüsselrolle bei der „M-Aktion“ des NS-Regimes zu. Insgesamt hatte die verantwortliche NS-Dienststelle bis August 1944 in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Luxemburg die Einrichtungen von rund 65.000 Wohnungen abtransportieren lassen. 500 Frachtkähne und 674 Züge waren dafür nötig. Bei der Umsetzung half Kühne + Nagel. Das Unternehmen war direkt und mit Hilfe von Subunternehmen in allen besetzten westlichen Ländern aktiv. Die Transporte aus den Niederlanden sind am ausführlichsten recherchiert. K + N charterte beispielsweise einen eigenen Dampfer, um jüdisches Raubgut in das Deutsche Reich zu transportieren. Das erste Frachtschiff aus Amsterdam traf im Dezember 1942 in der Hansestadt Bremen ein. Die Stückliste weist 220 Armsessel, 105 Betten, 363 Tische, 598 Stühle, 126 Schränke, 35 Sofas, 307 Kisten mit Glasgeschirr, 110 Spiegel, 158 Lampen, 32 Uhren, ein Grammophon und zwei Kinderwagen aus. Dabei handelte es sich um das Eigentum niederländischer Juden, die im Sommer 1941 in Konzentrationslager deportiert worden waren.[8]
Für den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg führte Kühne + Nagel laut dem Historiker Wolfgang Dreßen „allein aus Paris […] zwischen 1941 und 1944 29 Kunsttransporte“ durch.[9] In Südfrankreich suchte auch ein Mitarbeiter von Kühne + Nagel aktiv nach Möbeln. Laut Dreßen gab es eine äußerst enge Zusammenarbeit mit Behördenmitarbeitern und der deutschen Besatzung. Eine eigene DIN-Norm gab es, nach der geraubtes Gut verteilt wurde.
„Die Firma ist somit mitverantwortlich für den Tod von Leuten, sie haben damit Geld verdient“,[10] ordnet Dreßen die Verantwortung von Kühne + Nagel ein. Auch der Historiker Frank Bajohr vom Münchner Zentrum für Holocauststudien im Institut für Zeitgeschichte (IfZ) sieht in den Geschäften von Kühne + Nagel „eine relative Nähe zum Massenmord“. Bei der Verschickung des zusammengeraubten Mobiliars der deportierten Juden habe die verantwortliche NS-Dienststelle Westen eng mit der Spedition Kühne + Nagel zusammengearbeitet, sagt der Historiker Johannes Beermann,[11] der zu den M-Transporten forschte.[12] Kühne + Nagel übernahm schließlich selbst die Organisation der Transporte aus den besetzten Westgebieten ins Reich.
Wolfgang Dreßen weist darauf hin, dass Kühne + Nagel nicht alleine gewesen sei, denn andere große Logistikunternehmen seien ähnlich verstrickt gewesen. Allerdings war Kühne + Nagel führend in dem entstandenen verbrecherischen Wirtschaftszweig; „dabei gelang es dem Fuhrunternehmen, sich so erfolgreich gegen potenzielle Mitbewerber durchzusetzen, dass Kühne + Nagel im Verlauf der 'M-Aktion' quasi das Monopol auf diese lukrativen Staatsaufträge erhielt“, beurteilt Beermann die Rolle des heute drittgrößten Logistikunternehmens der Welt.[13] Das jüdische Eigentum wurde oft als Hollandmöbel bezeichnet.[14]