Das mit den "autoritären Vorstellungen" halte ich für eine intellektuelle Bankrotterklärung.
Gesellschaftliche Konflikte in psychologischen Begriffen zu verstehen, gerade in der Opposition zu soziologischem Verstehen, hat noch nie funktioniert. Platt vereinfacht und verharmlost handelt es sich um einen Kategorienfehler.
Die "Studie zum autoritären Charakter" war immer falsch. Eine haarsträubende Arbeit von Sozialphilosophen, die von Tuten und Blasen der empirischen Sozialforschung keine Ahnung hatten. (Ali Wacker hat die Studie mal nach Strich und Faden methodologisch auseinandergenommen.) Im Grunde ist das eine unterschwellige Dämonisierung des politischen Gegners durch kritische Theorie, und meinem Eindruck nach ist die These genau deswegen nicht totzukriegen, obwohl sie nie dazu beigetragen hat, irgendwas zu verstehen geschweige denn zu verbessern.
Hm, schwierig, hierauf differenziert einzugehen, aber vielleicht ein paar Anmerkungen:
Autoritäre Charaktereinstellungen begegnen mir regelmäßig, empfinde ich als allgegenwertig, insbesondere im beruflichen Alltag. Sei es beim Energiedienstleister (der Fall gewesen) oder in der kommunalen Jugenarbeit. Beispielsweise wenn Personalmangel nach "unten", also auf die Monteure, ausagiert wird, anstatt sie nach "oben", gegenüber dem Chef, zu kritisieren. Oder wenn der "einfache" Mitarbeiter eine Mail schreibt, die ohne Antwort bleibt, aber sobald der Abteilungsleiter dieselbe Anfrage stellt, von der angesprochenen Person umgehend Antwort kommt. Wenn sich bei der höher (ein)gestellten Person vorgestellt wird, beim "einfachen" Mitarbeiter aber nicht...usw. Dass sich entsprechende Denk- und Handlungsweisen (in verschiedenen Formen) auch in politischen Prozessen zeigen, steht für mich außer Frage (allzumal in einer von Macht-/Herrschaftsverhältnissen und Hierarchien (Status) geprägten Welt).
Dann sehe ich die von dir genannte "Opposition" nicht wirklich. Ging es (der kritischen Theorie) doch um eine Verknüpfung von historischem Materialismus und Psychonanalyse, also um eine Sozialpsychologie als Gesellschaftstheorie, um zu verstehen, wie es zu den (damaligen) gesellschaftlichen Entwicklungen und menschlichen Dispositionen kommen konnte.
Besagte Studien ließen das dann insofern vermissen, dass sie die gesellschaftstheoretische Komponente und damit Verknüpfung ausklammerten und es bei individualpsychologischen Untersuchungen und Erklärungen beließen. Sie sind damit nicht falsch (meines Erachtens), aber eben unvollständig. Das lag aber nicht an Adorno, der die Studie(n) noch auf den gesellschaftstheoretischen Punkte brachte.
PS: Mir hat kritische Theorie jedenfalls sehr dabei geholfen, Gesellschaft, andere Menschen und nicht zuletzt mich selbst (besser) zu verstehen (allen voran Erich Fromm), aber natürlich nicht alleine, da gehör(t)en dann noch viele mehr dazu, insbesondere auch Vertreter*innen klassischer bzw. Politischer Ökonomie, von Soziologie/Sozialwissenschaft, (Foucaults) Diskursanalyse, die ja auch (der Soziologe) Lessenich, der inhaltlich ganz nah bei dir ist, immer wieder (sehr plausibel und verständlich) aufgreift...usw.