Politischer Zoff-Thread oder so

  • Bitte noch heute aus der NATO austreten...


    Türkei und USA wetteifern ja geradezu darum, einen Krieg anzufangen. Und wenn dann irgendwer zurück schießt den Bündnisfall auszurufen.


  • Vorab: Ich finde gezielte Tötungen ohne akute Notwehr-/Nothilfelagen ethisch völlig unvertretbar. Und ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich klar gegen solche stellt - insbesondere, wenn sie auch nur irgendwie von deutschem Staatsgebiet ausgehen.


    Hier Wikipedia Irreführung zu unterstellen, halte ich allerdings für gewagt. Die zitierte und verlinkte Quelle, bei der es sich um eine Ausarbeitung der Wissenschaftliche Dienste des Bundestaga handelt, führt nämlich weiter aus (Seite 5, Ziffer 3.):


    "Ausländische Militärbasen genießen jedoch ebenso wie diplomatische Missionen (Botschaften) gewisse Vorrechte, steuerliche Befreiungen und Immunitäten, welche die Gebietshoheit des Empfangsstaates funktional einschränken. In diesem Zusammenhang bedeutet Immunität die Freistellung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates. Da sowohl das Gelände als auch die Räumlichkeiten des Militärstützpunktes unverletzlich sind, ist ein Zugriff durch örtliche Behörden grundsätzlich nicht möglich. Weder Strafverfolgungs- noch sonstige Behörden können sich ohne die vorherige Zustimmung der amerikanischen Behörden Zutritt zu dem Stützpunkt verschaffen. Auch die Angehörigen der ausländischen Streitkräfte genießen Immunität" (eigene Hervorhebungen).


    Rechtlich problematisch ist - nach einer anderen Ausbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, auf die obige verweist (WD 2 - 3000 - 149/16) - aber auch schon die Einordnung solcher Drohnenangriffe:


    "Für die Frage nach der Völkerrechtskonformität von Drohneneinsätzen ist demnach entscheidend, ob ein internationaler bewaffneter Konflikt vorliegt. Nach Art. 2 der Genfer Abkommen liegt ein solcher Konflikt vor in Fällen eines erklärten Krieges oder eines anderen bewaffneten Konflikts, der zwischen zwei oder mehreren Staaten entsteht, auch wenn der Kriegszustand von einer dieser Parteien nicht anerkannt wird. Das Jugoslawientribunal definiert den bewaffneten Konflikt als „bewaffnete Gewalt zwischen Staaten sowie lang anhaltende bewaffnete Gewalt zwischen Regierungsstellen und bewaffneten Organisationen“.

    Zudem geht das traditionelle humanitäre Völkerrecht von einem räumlichen Charakter bewaffneter Konflikte – mit anderen Worten von einem geographisch begrenzten Schlachtfeld – aus. Dieses Verständnis wird im Hinblick auf Drohneneinsätze zwar teilweise politisch in Zweifel gezogen; die überwiegende Rechtsauffassung auf europäischer Seite hält jedoch im Grundsatz an der Notwendigkeit einer geographischen Abgrenzbarkeit bewaffneter Konflikte fest. Demgegenüber vertritt die amerikanische Seite die Auffassung, sie befinde sich seit dem 11. September 2001 in einem weltweiten Krieg gegen den Terror (global war on terror), der sie berechtige, nichtstaatliche Gewaltakteure (Terroristen) prinzipiell dort zu bekämpfen, wo diese sich gerade aufhalten bzw. von wo aus sie operieren.

    Zu dieser Frage ist bisher keine verbindliche Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ergangen, weshalb sich beide Positionen weiterhin gegenüber stehen.

    Folglich ist aus juristischer Sicht unklar, ob etwaige via Ramstein gesteuerte Drohneneinsätze der US-Streitkräfte überhaupt eine beihilfefähige, völkerrechtswidrige „Haupttat“ darstellen. Wie die Bundesregierung in politischer Hinsicht mit der Tatsache umgeht, dass das europäische Völkerrechtsverständnis für das Vorliegen eines internationalen bewaffneten Konflikts grundsätzlich ein anderes ist als das amerikanische Verständnis, bleibt ihrem außenpolitischen Gestaltungsspielraum überlassen" (wiederum eigene Hervorhebung).


    Ob der getötete iranische Kommandant in diesem Sinne als "nichtstaatlicher Gewaltakteur" eingeordnet werden kann, scheint mir allerdings zumindest zweifelhaft zu sein. Ohne dass ich jetzt wüsste, welche Implikationen ein Verneinen letztendlich hinsichtlich der Frage der Völkerrechtswidrigkeit hätte. Rein spekulativ gehe ich davon aus, dass ein Angriff auf einen Kommandaten einer offiziellen iranischen Militäreinheit zur völkerrechtlichen Legitimierung einen Kriegszustand zwischen den USA und dem Iran voraussetzte.


    Aber, wie gesagt, unabhängig von der rechtlichen Bewertung lehne ich solche Aktionen strikt ab. Völlig unabhängig davon, was der Getötete selbst für ein Mensch war. Von den weiteren Opfern mal ganz zu schweigen.

  • Also wenn das Handelsblatt eine SPD-Spitze niederschreibt... dann dürfte es sich um eine ziemlich gute Spitze für die SPD handeln...

    Nach dem heutigen ARD-Deutschlandtrend verbleibt die SPD bei 13 %.

  • Ich muss schon sagen, dass ich überrascht bin, dass sich der Iran so eindeutig zu seiner Schuld beim Flugzeugabschuss bekennt. Das hätte ich nicht erwartet, dass das so eine Wendung nimmt. Mag mit dazu beigetragen haben, dass das Pulverfass (noch) nicht vollständig explodiert ist.

  • Die USA haben durch der Tötung gegen jede Regel verstoßen. Mal wieder. Der Iran hat daraufhin eine Gegendemo mit Massenpanik und einigen Dutzend eigenen Opfern gehabt und den irrtümlichen Abschuß eines ganzen Passagierflugzeugs.


    Da haben alle Menschen verloren. Die einen ihr Leben, die anderen ihren Anstand. Ich wünschte mir mehr Verstand als Emotion in der Politik.


    --- Themenwechsel ---

    Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für eine kluge Politik. Ein Beispiel:

    Die in zwei Jahrzehnten mit dem Ausländerthema zur zweitstärksten Kraft im Land aufgestiegenen Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei taten all das als Getue von „Klimaspinnern“ ab und wurden hart bestraft. Die Partei fiel bei der Wahl im Juni von 21 auf unter neun Prozent und hat sich danach durch tätige Reue bei den „Klimaspinnern“ entschuldigt: Als der sozialdemokratische Klimaminister Dan Jørgensen jetzt die Einigung auf das Klimagesetz vorstellen konnte, gehörten auch die Rechtspopulisten zu den Unterstützern.

    Vielleicht kann man das als Blaupause verwenden.

  • Es ändert aber etwas an (Ihrer Präsens) ihrer Präsenz und ihren Einflussmöglichkeiten.


    (Edith: Danke Schneppe. Ich sollte einfach nix mehr am iPad schreiben...)

  • Ist es in Dänemark nicht so, dass die Sozialdemokraten denen mit einer rigiden (ausländerfeindlichen) Flüchtlingspolitik den Rang abgelaufen haben? Wenn andere ihre Positionen einnehmen, dann kann ich mich nicht wirklich freuen, wenn sie selber nicht gewählt werden.

  • Es ändert aber etwas an Ihrer Präsens und ihren Einflussmöglichkeiten

    Sie passen sich in einem Punkt, der ihnen weniger wichtig ist, nämlich der Klimapolitik, der Mehrheit an, um wieder bessere Chancen bei Wahlen zu haben. Ansonsten das, was Bronco sagt (und was die Frankfurter Rundschau, die mittlerweile ein reines Lokallblatt ist, ausgeblendet hat). Hoffnung macht das jedenfalls nicht.

  • Die USA haben durch der Tötung gegen jede Regel verstoßen. Mal wieder [...]

    Ich sehe das genauso wie Du. Leider scheint das aber nicht die allgemeine "Experten-" Meinung zu sein. So zum Beispiel bei unserem lieben öffentlich-rechtlichem:


    https://www.tagesschau.de/ausl…syrien-interview-101.html


    Zitat

    Stefan Talmon: Wir wissen, dass das amerikanische Verteidigungsministerium kurz vor der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani eine lange Pressemitteilung veröffentlicht hat. Darin werden mehrere Angriffe auf amerikanische Einheiten seit November 2019 aufgelistet. Durchgeführt wurden diese von schiitischen Milizen, die vom Iran kontrolliert und gesteuert werden sollen. Gegen diese Serie bewaffneter Angriffe haben sich die USA rechtmäßig verteidigt.

  • Vorweg: Ich halte den Angriff auf Soleimani auch für einen Fehler, auch aus meinem völkerrechtlichen Verständnis als Laie heraus. Und es gibt ja auch viele Experten, die es ähnlich sehen. So weit sind wir d'accord.


    Was mich allerdings gerade stört, ist Dein Umgang mit diesem Interview.


    Leuten den Expertenstatus abzusprechen, nur weil sie eine abweichende Meinung vertreten, halte ich für schwierig. (Durch Deine Anführungszeichen bei "Experten" tust Du gerade genau das.) Recht ist auch Auslegungssache und verlangt, dass Güter gegeneinander abgewogen werden. Talmon hat seine Meinung begründet. Ich würde ihm aus verschiedenen Gründen -- z.B. unilaterial beschlossener Angriff auf fremdem Staatsgebiet, kein formaler Kriegszustand -- widersprechen, aber zunächst einmal steht es mir auf dieser Basis nicht zu, seinen Expertenstatus anzuzweifeln.


    Und das "liebe öffentlich-rechtliche" tut meines Erachtens erstmal nichts Böses oder Falsches, wenn es auch über solche Auslegungen berichtet -- bzw. wie hier ein Interview dazu führt. Eine Form der Berichterstattung, in der es sich mit dieser Meinung ja nicht gemein macht, zumal die ARD auch über entgegengesetzte Meinungen berichtet hat und in der Berichterstattung generell die Skepsis gegenüber der Rechtmäßigkeit des Angriffs mitschwingt. Nichtsdestotrotz soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Meinungsbildung beitragen und nicht eine ganz bestimmte Meinung, die mir auch gerade passt, verbreiten. Im Prinzip springst Du damit für einen kurzen Moment (!!!) auf genau den Zug auf, auf dem auch Populisten von Rechts fahren. Das finde ich schon etwas bedauerlich.