Politischer Zoff-Thread oder so

  • Selbstverständlich. Das hat aber auch niemand geschrieben.


    Es ging lediglich darum, dass - zumindest in der frühen Berichtserstattungsphase - die Meinungsbildung aus Medienberichten einer gewissen Vorsicht unterliegen sollte, weil halt auch gerne ungeprüfte Sachen im Sinne von Sensation und "wir hatten es zuerst!" möglichst schnell rausgehauen und irgendwie konnotiert werden. (Jedenfalls sehe ich das so.)


    Dass die Polizei Sachsen ein unbestreitbares Problem mit rechtem Gedankengut hat und dort in vielen Fällen keine Neutralität bzw. kein rechter Willen zum Eingreifen herrscht, ist noch mal eine andere Geschichte. Das wiederum macht mich schnell skeptisch, wenn Nazigewalt mit "Provokation" erklärt oder gar gerechtfertigt wird.


    Und wenn man das jetzt beides zusammenzählt, hat Prickelpits Aussage "weil ich nicht vor Ort war und bin" aus meiner Sicht (leider) durchaus eine Berechtigung.

  • Bedenklich finde ich vor allem die Ausgangssperre. Ob sie rechtmäßig ist, kann ich nicht bewerten. Zweifel daran werden aber nicht völlig unbegründet sein. So werden davon sicher auch Unbeteiligte betroffen sein; allein der Umstand, Bewohner der betroffenen Unterkunft zu sein, dürfte nicht ausreichen, jemanden als Störer zu qualifizieren. Nun sind polizeiliche Maßnahmen gegen Unbeteiligte nicht per se verboten - gerade als Fußballfan kann man davon ja auch durchaus mal selbst betroffen sein. Aber es sind hohe Hürden zu beachten und die Maßnahmen müssen verhältnismäßig bleiben. Und hier ist die Situation weder z.B. mit akuten Ausschreitungen auf einer Demonstration zu vergleichen, wo ein Teil gewalttätig ist und ein anderer nicht noch sind beispielsweise eine Blocksperre oder der Zwang, eine bestimmte Route zum Stadion zu nutzen, von der Einschränkungsintensität mit einer nächtlichen (und auch schon abendlichen) Ausgangssperre gleichzusetzen.


    Unbeschadet der Rechtmäßigkeitsfrage sehe ich in der Ausgangssperre jedoch ein fatales Signal. Das fängt schon damit an, dass die Verhängung einer Ausgangssperre in Deutschland meines Wissens alles andere als alltäglich ist. Darüber hinaus bedeutet sie in ihrer Einseitigkeit scheinbar (hoffentlich nicht anscheinend) auch eine klare Schuldzuweisung. Sie ist zwar an sich als Gefahrenabwehrmaßnahme nicht repressiv und stellt keine (Kollektiv)strafe dar, ist also auch nicht an Schuld gebunden. Aber sie wird als solche empfunden. So von Teilen der Bevölkerung, die die vorangestellte Differenzierung nicht vornehmen, und sich sagen, wenn die Polizei eine solche Maßnahme gegen sie für nötig hält, dann werden die schon die Bösen sein. So einige werden sich freuen, endlich zeigts denen mal jemand, die tanzen uns schon lange genug auf der Nase rum. Und die Rechtsextremen sind ihrem Ziel näher gekommen, die Ausländer müssen drinnen und somit draußen bleiben.

  • Im Fernsehen sagten sie vorgestern, dass es für eine Ausgangssperre keinerlei rechtliche Basis gäbe und es sich lediglich um eine Empfehlung handeln könnte, abends doch lieber in der Unterkunft zu bleiben. Hat sich daran seitdem was geändert bzw. stimmt diese Aussage gar nicht?

  • Ich kannte diese Aussage nicht, sondern nur die Berichte, in denen von einer "Ausgangssperre" die Rede war; diese habe ich als zwingend verstanden. Sollte es sich tatsächlich lediglich um eine Empfehlung handeln, sollte eine solche m.E. nicht als "Ausgangssperre" bezeichnet werden.


    Bei meinem obigen Beitrag hatte ich eine zwingende Ausgangssperre noch prinzipiell von der polizeirechtlichen Generalermächtigung abgedeckt gesehen, aber im konkreten Fall Zweifel am Vorliegen Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit. Nicht bedacht habe ich dabei, ob eine solche Ausgangssperre bereits eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt, die nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG einer richterlichen Entscheidung bedarf. Wohl ja. Ob da noch eine Rolle spielen könnte, inwieweit es sich um Minderjährige handelt, weiß ich nicht.

  • In den Presseartikeln steht, dass es sich ab 19.00 Uhr um eine zwingende Ausgangssperre handelt (das kann offenbar das Jugendamt festlegen, da es sich um Minderjährige handelt). Irgendeine Fernsehaussage (ohne Angabe des Senders) halte ich für nicht belastbar.


    edit: Es gab aber zugleich die Empfehlung an die Bewohner der Unterkunft, sie auch tagsüber nicht zu verlassen. Vielleicht bezieht sich der von Sasa gesehene Beitrag darauf.

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  • Ich bezog mich auf die "Tagesthemen" von Donnerstagabend, 22.15 Uhr. Das ist keineswegs mehr eine frühe Phase gewesen, sondern 24 Studen später. Das war auch keine Sensationsberichterstattung, sondern eine kritische Hinterfragung der Aussagen des Polizeidirektors. Da gab es jedenfalls keine vagen Konnotationen. Natürlich kann man immer sagen "ich war nicht vor Ort", aber dann kann man nichts mehr beurteilen.
    Prickelpit schrieb zuvor "Nun, ganz so einfach scheint's doch nicht zu sein." Dabei relativierte er sicher ungewollt, dass die 90-minütige Hetzjegd auf die Flüchtlinge blieb. Hinzu kommt, dass die Berichte, die er offenbar las, nicht berücksichtigten, dass es sich um zumeist traumatisierte Jugendliche handelte, vor denen sich eine 80-köpfige Gruppe aufbaute, die sich zuvor im Internet verabredet hatte und auf Provokation aus war.

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  • Zitat

    Augenzeugen berichten von einem organisierten und bedrohlichen Auftreten der Nazis auf dem Kornmarkt am Mittwoch und von einem zweifelhaften Vorgehen der Polizei, die die zum Teil minderjährigen Geflüchteten mit Beschimpfungen des Platzes verweisen wollte. Dies und auch die nun ergriffenen Maßnahmen zeigen die einseitige Zielrichtung des Vorgehens in Bautzen. Als Unruhestifter werden die Geflüchteten gesehen, weil sie allein mit ihrer Präsenz bereits provozierten. Mit einem solchen Vorgehen bestärkt man die Angreifer in ihrem Handeln und macht die Betroffenen zu Tätern.


    Erklärung der RAA Sachsen Opferberatung zu den Ereignissen in Bautzen

  • Die Opfer werden zu Tätern und die Täter machen sich zu Opfern - gleiches Prinzip wie bei der AfD.


    Bautzens Oberbürgermeister Ahrens:
    "Das waren 80 gewaltbereite Rechtsextreme, die die jungen Leute eben provoziert haben. Ich meine, wenn man 16-, 17-Jährige, gerade noch in einer Ausnahmesituation befindlich, provoziert, dann braucht es nicht viel, dass bei denen die Sicherungen rausfliegen. Insofern ist es zwar zutreffend, dass die Gewalt von denen ausgegangen ist zunächst, von den jungen Ausländern, allerdings war das bei der Provokation dann auch so zu erwarten."


    http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=366126

  • Aber Ahrens stellt doch fest, dass die Ursache von den Rechtsextremisten ausging. Ich finde nicht, dass er damit die Opfer zu Tätern macht.