Politischer Zoff-Thread oder so

  • Selbstverständlich ist Cancel Culture ein Kampfbegriff. Wer benutzt ihn gegen wen? Er wird pauschal gegen "das Linke" bzw. "die Linken" verwendet. Er ist somit einseitig und nicht neutral. Er definiert von vornherein Täter und Opfer.


    Das sind doch wieder genau diese Pauschalisierungen die die Debatte darüber so schwierig machen. Wenn man sich mal damit beschäftigt und von diesem deutschen Fokus auf das Thema wegkommt und in den angloamerikanischen Raum schaut und sich da mal einige Sachen druchliest merkt man das "Cancel Culture" erstmal eine neutrale(!) Beschreibung eines Phänomens ist.


    Edit: Gerade noch drüber gestolpert, extrem interessant für diejenigen die sich für das Thema interessieren, eine Untersuchung der Harvard Kenndy School (Uni Harvard):


    Closed Minds? Is a ‘Cancel Culture’ Stifling Academic Freedom and In tellectual Debate in Political Science?



    Eine sehr gute Definition ist die folgdende (mMn):

    [...]

    Cancel culture refers to the illiberal tendency to not only criticize or even insult someone who thinks differently but to actively demand institutional or personal consequences for her behavior. There is nothing illiberal about holding people to account for what they say. But there is something illiberal about demanding their workplaces fire them for expressing those views or calling on the state to inhibit such opinions. There is nothing illiberal about criticizing a person’s intentions or even her character. But there is something illiberal about sharing details of or speculating about her personal life, reducing her to a pariah, or attempting to shame her so thoroughly that expressing her viewpoint becomes impossible, without facing public ridicule.

    [...]


    Und natürlich ist dieses Phänomen auf allen Seiten des politischen Sepktrums anzutreffen, wenn man den Blick nur auf eine Seite verengt macht es sich zu einfach.

    Gerade in Zeiten von Twitter ist dies schön zu beobachten, vielleicht ist Corona da sogar ein gutes Beispiel: Wie da die "Fanlager" der einzelnen Virologen, Experten, Politiker etc. übereinander herziehen inklusive Morddrohungen, Forderungen die Arbeit niederzulegen etc. ist halt genau Ausdruck dieser Kultur andere mundtot zu machen und dies kommt von allen Seiten, da schmückt sich keiner mit einem Ruhmesblatt.


    Aeromagazine - History and Cancel Culture


    Die folgenden Links beschreiben das Phänomen aus Sicht einer Marketingagentur aus Kanada, die auch selber Autor der Texte ist:


    Cancel Culture Part 1: The History (Autor: Pound&Grain)


    Cancel Culture Part 2: The Case of The Cancelled YouTube Stars (Autor: Pound&Grain)


    Cancel Culture Part 3: Navigating Cancel Culture as a Brand (Autor: Pound&Grain)

    Einmal editiert, zuletzt von andremd ()

  • andremd


    Danke für die links. Sie scheinen (auf den ersten Blick) hilfreich zu sein. Ein bisschen Zeit brauche ich aber noch.

    Fürs erste bestätigt sich meine Vermutung, daß Cancel Culture, wie sie in dem von Kai verlinkten Beitrag verarbeitet bzw. mit dem Begriff der verengten Diskussion verwurstet wird, sich erheblich von dem unterscheidet, was in den Beiträgen angesprochen wird.

  • Danke, andremd.


    Das sind doch wieder genau diese Pauschalisierungen die die Debatte darüber so schwierig machen.

    Genau diese Pauschalierungen machen die Debatte nicht nur schwierig, sondern führen wie so oft erst zu immer weiteren Zuspitzungen, einem Auseinanderdriften von Leuten, deren Meinung/Sichtweise zunächst gar nicht so weit auseinander waren und dann zu (vermeintlichen) Gruppenbildungen. Einhergeht die Verschärfung des Tones in den Debatten bis hin zu persönlichen Beleidigungen. Es ist ein Muster, dass sich immer wieder wiederholt.


    Das führt bei mir ganz persönlich dazu, dass ich mich - auch hier im Forum - immer weniger an solchen Diskussionen beteilige. Konkret heißt das, dass ich bei solchen Aussagen wie "Culture Culture ist ein Kampfbegriff", "Dieter Nuhr ist ein Arschloch", "Jeder kann seine Meinung sagen, wenn er das Echo aushalten kann" usw. einfach zurückhalte und nichts dazu sage/schreibe. Spart (meine) Nerven und (meine) Zeit.

    Einmal editiert, zuletzt von Kai ()

  • ich schreibe nur eine kleine anmerkung: "aber du darfst doch sagen , was du willst!" ist doch ein verschleiertes totschlagargument. wundert mich , dass dieser trick nicht durchschaut wird.

    Man lädt sechs leute in eine talkshow ein , von denen sich fünf plus moderatorin einig sind. und derjenige mit der abweichenden meinung darf tatsächlich sagen , was er will. Das problem dabei: Das stimmt zwar , aber die meinung , die er äußert , wird von allen anderen und der ganzen sendungsdramaturgie durchgehend explizit und implizit als illegitim und geächtet gebrandmarkt. das ist der kern um den es eigentlich geht, und dafür gibt es massenweise beispiele, und da denke ich keineswegs nur an konservative positionen, sondern eine ganze liste von themen, da hatte ich neulich schon mal was zu geschrieben.


    und was an the menace "rechts" gewesen sein soll verstehe ich überhaupt nicht. Wie kommt man da überhaupt drauf ? seine beiträge hatten gesellschaftspolitisch eine glasklar liberale ausrichtung, außerdem fand er den kapitalismus ganz okay. Er hätte wahrscheinlich marktwirtschaft gesagt.

  • und was an the menace "rechts" gewesen sein soll verstehe ich überhaupt nicht. Wie kommt man da überhaupt drauf ? seine beiträge hatten gesellschaftspolitisch eine glasklar liberale ausrichtung, außerdem fand er den kapitalismus ganz okay. Er hätte wahrscheinlich marktwirtschaft gesagt.

    Ich denke, das kommt daher, dass bei wirtschaftspolitischen Themen das betrachtete Spektrum meist nur von Kommunismus bis Laissez-faire reicht und letzteres dann halt das rechte Ende des Spektrums darstellt. Liberale oder libertäre Positionen werden dann als rechts eingeordnet. Das sehe ich insbesondere im englischsprachigen Bereich häufig bei Selbsttests, bei denen anhand einiger Fragen die eigene Position in meist zwei verschiedenen Dimensionen, üblicherweise wirtschafts- und gesellschaftspolitisch, verortet wird. Natürlich möchte sich das aber niemand gerne nachsagen lassen, denn der Begriff "politisch rechts" ist hierzulande ja ganz klar mit der gesellschaftspolitischen Positionierung verbunden.


    [Exkurs: Das könnte daran liegen, dass es in dem klassischen bundesdeutschen Koordinatensystem, wie wir es aus der Bonner Republik kennen, eigentlich weder "rechte Wirtschaftspolitik" noch "linke Gesellschaftspolitik" gab. Das wirtschaftspolitische Spektrum reichte im Prinzip vom linken Flügel der SPD (bevor es eine Linkspartei gab), den ich der Einfachheit halber mal als Sozialisten bezeichnen würde (klar gab es damals auch Splitter wie KPD/MLPD, aber die spielten ja quasi keine Rolle), bis zur FDP und wurde danach nicht mehr "rechter" in dem Sinne, dass CDU/CSU für eine noch größere Freiheit in wirtschaftlichen Angelegenheiten eingetreten wären als die FDP (in Einzelfällen eher im Gegenteil, wenn ich an Themen wie Öffnungszeiten denke).


    Und gesellschaftspolitisch reichte das Spektrum quasi spiegelbildlich dazu vom rechten Rand vor allem der CSU, wo es kein Problem war, im Bierzelt offen rassistisch aufzutreten und Frauen an den Herd zu wünschen, ebenfalls bis zur FDP und wurde danach nicht mehr "linker" in dem Sinne, dass die SPD bei Themen wie Frauenrechten, Ehe für alle oder Migration deutlich progressiver gewesen wäre als die FDP (auch hier teilweise eher im Gegenteil; das änderte sich erst mit dem Schwerpunktwandel von Gleichberechtigung zu Gleichstellung).]


    Der Haken an so einer Darstellung: Es fällt unter den Tisch, dass es natürlich auch eine dezidiert rechte Wirtschaftspolitik gibt, die sich durch Interventionismus bzw. Dirigismus auszeichnet und oft auf Aspekte wie Aufrüstung oder das Anstreben einer ökonomisch eigentlich nicht sinnvollen Autarkie gerichtet ist. Die Nazis haben keine Produktionsmittel vergesellschaftet und einzelne Großkapitalisten konnten sich weitgehend ungestört bereichern, aber natürlich war die generelle Ausrichtung der Industrie Führersache. Wobei es da aber wohl keinen großen Druck gebraucht haben dürfte; als Schwerindustrieller hatte man damals vermutlich nichts dagegen, jede Menge Panzer zu bauen (siehe Keppler-Kreis, Industrielleneingabe).


    Interessanterweise erinnert mich das anekdotisch an die aktuelle Politik im zumindest nominell kommunistischen China: Man lässt das Wirken marktwirtschaftlicher/kapitalistischer Mechanismen zu (was auch hier einige Akteure superreich werden lässt, begünstigt z. B. durch die weitgehende Abwesenheit von Arbeitsschutz oder Arbeitnehmerrechten), steuert aber die generelle Ausrichtung der Wirtschaft. Und zwar unter anderem unter Rüstungs- und Autarkiegesichtspunkten... An der Stelle passt die Hufeisentheorie vielleicht mal :D

    • Offizieller Beitrag

    Eine Frage, die ich mir stelle: Muss es denn wirklich ein iPad sein? Ginge ein Medion-Tablet für 139 Euro nicht auch?
    (Wobei mir klar ist, dass das wohl auch nicht gezahlt worden wäre - eine weitere Frage wäre daher: Warum zahl das die Schul(behörde) nicht?)


  • wenn die hier gesellschaftlich toleriert schon keine steuern zahlen, sollen sie wenigstens mit aller gebündelter kaufkraft von (öffentlichen) schulen bombardiert werden!


    .. kann man sich echt nicht ausdenken.

  • Eine Frage, die ich mir stelle: Muss es denn wirklich ein iPad sein? Ginge ein Medion-Tablet für 139 Euro nicht auch?
    (Wobei mir klar ist, dass das wohl auch nicht gezahlt worden wäre - eine weitere Frage wäre daher: Warum zahl das die Schul(behörde) nicht?)

    Habe ich auch gedacht. Allerdings ist das vielleicht eine Frage der Nachhaltigkeit bzw. Nutzungsdauer. Ich hatte mal ein Tablet in dieser Preiklasse, mein Vater mehrere. Die sind ein, maximal zwei Jahre maximal ausreichend schnell, danach wird es schnell sehr langsam. Ganz abgesehen von den irgendwann ausbleibenden Updates.

  • Ich hatte letztens sogar irgendwo gelesen, dass ein grafikfähiger und programmierbarer Taschenrechner, der auch wirklich zwingend für den Unterricht vorgeschrieben wurde, nicht vom Jobcenter übernommen wurde.


    Ein Darlehen ist jetzt aber auch nicht das Schlechteste. Das bekommt man natürlich nicht für alles, aber ich selbst hatte es schon mehrfach bekommen. Zum Beispiel für meine aktuelle Mietkaution oder für Beschaffung neuer Kleidung aufgrund meiner starken Gewichtsabnahme während der noch laufenden Diät. Immerhin ist es zinslos. Zudem können von der Regelleistung monatlich "nur" 10% einbehalten werden. Egal wie hoch die Darlehenssumme auch ist. Was zumindest bedeutet, dass man sich nicht zu sehr einschränken muss in den Monaten der Abzahlung.


    Optimal finde ich hier aber auch das Vorgehen der Antragsteller nicht. Nie, aber auch wirklich nie erst etwas kaufen und dann erst die Übernahme der Kosten beim Jobcenter beantragen. Das kann ja fast nur schiefgehen.


    Was die Schule anbelangt: Wenn man nicht zwingend solch ein Luxusmodell benötigt, weil nur dieses eine dringend benötigte Funktion bietet, was ich in diesem Fall doch eher bezweifeln möchte, verstehe ich das überhaupt nicht, dass man nicht ein gutes, aber dennoch günstigeres Modell verlangt. Oder halt den einkommensschwachen Familien eins schenkt oder wenigstens einen guten Teil der Kosten übernimmt.

  • Stephan535

    Blöd ist nur, wenn die Schule das IPad fordert und der komplette Unterricht dann über Apps und die Steuerung läuft, die von Apple abhängen. Da kommste mit MEDION nicht weit. IPad-Klassen gehen nur mit Ipads. Nomen est Omen. Apple macht das schon geschickt. Da gibt es vorher coole FB für die Lehrkräfte und (das muss man ja leider neidlos anerkennen) Apple läuft stabil und ist wenig störanfällig.
    Was mich nur wundert: an der Schule meiner Tochter gab es Möglichkeiten für Leute mit nicht so guter finanziellen Ausstattung, das IPad trotzdem zu beschaffen (Förderverein, Mietkauf).


    Und dann kannste natürlich die Frage stellen, warum das Land nicht sagt: wir machen BYOD und lernen nur auf/mit Open Source Sachen.

  • Stark, musketeer. Sehr lesenswert und lehrreich.


    Wer theMenace als rechtslastig bezeichnet, darf mir gerne einen Beitrag zeigen, der das untermauert.

    Eine neoliberale Nervensäge und Großmaul mit Performer-Attitüde. Aber kein Rechter.

  • so entstehen Legenden. Man muss nur lange genug was in den Raum stellen.


    Ich bin ermüdet von der tM-Diskussion. Der wird mir hier echt zu sehr in die Opferrolle gepackt.

  • Wie Du siehst, entsteht eben keine Legende.

    Opfer nennst Du ihn, das finde ich übertrieben. Er hat ordentlich Lack gekriegt und Spaß dran gehabt, vermute ich. Zumal er amtlich streitbar war.

    Und dann war's zu viel, und fertig.

    Aber über jemanden, der so spalten konnte, spricht man halt auch.

    Das ist schon ok. Opfer passt nicht.