Politischer Zoff-Thread oder so

  • Ich glaube ganz fest, dass Böhmermann den Erdogan beleidigen wollte. Um eben die Grenze aufzuzeigen.
    Jetzt braucht man eine souveräne Landesführung, die höflich aber bestimmt den osmanischen Kalifen zurückwedelt, bzw. ihm zu verstehen gibt, dass sie, die Regierung, keinen Anlass sieht, ihm in die Kimme zu krabbeln und ganz im Gegenteil, von der Ermächtigung (uhh.., was ein Wort in dem Zusammenhang) der Staatsanwaltschaft absehen wird.


    Nach §185 kommt es ja augenscheinlich eh zu einem Verfahren.

  • Ich denke, dass Böhmermann (wie viele andere) den Erdogan doof (wahlweise durch andere Adjektive ersetzbar) findet, Stichwort Menschenrechte und/oder Pressefreiheit. Dass der Kalif keine Ziegen bevorzugt, davon gehe ich jetzt einfach mal aus. Aber ihn direkt beleidigen, glaube ich jetzt auch nicht, weil er ihn 1. nicht kennt und ihm der Erdogan 2. sicherlich so wichtig ist wie Spinat im Kühlschrank.


    Die Geschichte soll jetzt beendet werden und gut ist. Merkel kann Erdo doch sagen, dass sie das Gedicht ebenso miserabel findet. Sie erntet doch auch regelmäßig Hohn und Spott. Da muss man als öffentliche Person leider durch.

  • ...die Bundesreigerung wird sich raushalten und kein Verfahren eröffnen (lassen). Das ahnt Herr Erdogan sicherlich, deshalb hat er eine persönliche Anzeige nachgeschoben/aufgesetzt.
    Dieses Verfahren wird m.E. eröffnet und gleich (relativ zeitnah) wieder geschlossen, da die künsterische Freiheit/Meinungsäusserung ein hohes Gut ist.
    (Ich stell mir gerade den bundesweiten shitstorm vor, sollte ein Verfahren eröffnet werden; bzw. der Delinquent auch noch bestraft werden, mehr als ein kleine Geldstrafe und eine Unterlassung kann es eh nicht werden).


    Der Winkeladvokat (sorry an die ehrbaren Rechtsanwälte/Staatsanwälte in diesem Forum) hat vorhin angedeutet, dass er "die Sache" bis zum Ende durchfechten wird.


    Erdogan möchte sicherlich auch nur ein Exemplar stationieren und der Merkel mal richtig zeigen was so ein Osmane alles kann.


    Ergebnis: Horneberger Schiessen !!
    (wobei, jetzt alle Comedians und die die sich dafür halten auf die Erdogan Satire aufspringen.)


    Moral von der Geschichte, manchmal sollte man als Gelackmeierter einfach mal die Fresse halten souverän die Sache aussitzen.

  • Dass der Kalif keine Ziegen bevorzugt, davon gehe ich jetzt einfach mal aus.


    Eben. Mir fällt da eine Szene aus Larry Flint ein, bei der es um einen Fernsehprediger und einen im Hustler humoristisch unterstellten Koitus mit der eigenen Mutter ging. Übertragen auf die aktuelle Situation liefe es darauf hinaus, dass eine Beleidigung ausgeschlossen ist, wenn ohnehin kein verständiger Mensch aufgrund von Böhmermanns Gedicht davon ausgehen würde, das Erdogan tatsächlich auf Ziegen steht.


    Natürlich sind die Gesetze in Amiland und hier nicht identisch, aber das scheint mir doch ein sinnvolles Prüfkriterium zu sein. Wobei eine kurze Recherche mich zu dem Schluss führt, dass die Frage eher für üble Nachrede bzw. Verleumdung relevant sein dürfte (kann es sich um eine Tatsachenbehauptung handeln, wenn davon ausgegangen werden muss, dass sowieso niemand die vermeintliche Tatsache für wahr hält).

  • Indirekt schon. "Du warst nicht lieb, aber wenn Du was bezahlst, ist die sache vergessen!"


    Besser wäre doch, "Halb so wild, wir vergessen die Sache!"

  • Es setzt eine geringe Schuld voraus.
    Manchmal nimmt man sowas natürlich trotzdem praktikablerweise mit, aber bei dieser öffentlichen Wahrnehmung wäre das evtl. nicht so der Hit.

  • Naja, ganz so einfach ist es nicht. Man kann ja auch nicht einleiten mit "Wenn ich dich beleidigen wollte, würde ich sagen...", um dann unter Verweis auf den Konjunktiv ungestraft die übelsten Injurien vom Stapel lassen zu können.

  • ...auch muss die Anrede richtig sein:


    - mit Verlaub Herr ......, Sie sind ein Arschloch !


    klingt für mich glaubhafter und seriöser als


    - ... Du Arschloch, Du !


    Ich finde Beleidigungen ok, wenn sie gut gemacht sind.

    • Offizieller Beitrag

    Hier ein Interview mit dem deutschen Anwalt von Erdogan:


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    Wirkt auf mich reichlich grotesk. Charismatisch und agil geht anders... Erkenntisgewinn nahe 0. Dennoch fand ich es irgendwie interessant zu sehen.

  • Das Bundesverfassungsgericht hat sich ja im Laufe der Zeit recht ausführlich zur Grenze der Satire geäußert:


    Zitat

    Das Bundesverfassungsgericht hat diesen in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Nur dann kann ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen zu Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben.


    Auf deutsch: findet in dem Beitrag auch eine politische Auseinandersetzung statt (= die Herabwürdigung ist nicht nur auf die Person bezogen) überwiegt die Meinungs-, resp. die Kunstfreiheit. Also keine Strafbarkeit.


    Im Gedicht gibt es 2 Stellen, die politische Kritik darstellen: 1. "Kurden treten, Christen hauen," und 2. "Er ist der Mann der Mädchen schlägt," (mglw. als Kritik an den Prügelorgien der türk. Polizei gegen Demonstranten zu verstehen)


    Der ganze Rest ist ausschließlich persönlich beleidigend.


    Entscheidend dürfte sein, ob die 2 genannten Stellen aus Sicht der StA, bzw. des Richters ausreichen, den ganzen Beitrag als Satire zu werten. Denkbare Argumentationen:
    1. die 2 Stellen reichen nicht aus um das Ganze zur Satire zu machen, man würde mit einer Straffreiheit den Weg freimachen für zukünftige übelste Beleidigungen in ähnlicher Form sofern nur auch ein Satz dabei erkennbar politische Kritik darstellt.
    2. man darf Kunst nicht "filetieren" und das gezielt raussuchen, was als Delikt verfolgbar ist.


    Ich tendiere zu 1. Man öffnete sonst die Büchse der Pandora und verändert die politische Öffentlichkeit in diesem Land, ganz unabhängig davon, was dieser Türke mit dem Fall verbindet. Unsere Maßstäbe sind durch die Gesetze und das BVerfG vorgegeben, ich finde sie richtig. Selbst wenn der verhunzte Osmane seinen Sieg feiern dürfte - die Alternative für uns alle empfände ich als schlimmer. Lassen wir ihm seinen kleinen Spaß. Wer wann wie und wo verfolgt wird, wird bei uns durch Gesetze vorgegeben, die für alle gelten. Und wenn nun dank Böhmermann der Hassopa aus Ankara davon profitiert, zeigt es nur, dass unser System funktioniert und zwar auch dann, wenn es uns (mir!) politisch vielleicht sogar gegen den Strich geht. Das ist eine große Qualität unseres Systems. Böhmermann wusste, was er tut. Er soll nicht rumjanken und die popelige Geldstrafe die dabei rauskommt eben bezahlen. Dann sind in den Medien auch wieder freie Sendeplätze für andere Themen.


    Nur nebenbei: nach meiner Kenntnis verdrängt der § 103 StGB übrigens den § 185 StGB, d.h. wird nach § 103 angeklagt, findet keine Stafverfolgung nach § 185 statt.