Politischer Zoff-Thread oder so

  • Dazu eine Frage meinerseits:

    Sind die letzten Maßnahmen vom 03.04.2020 in Niedersachsen, die dann wieder etwas entschärft wurden, auf Basis eines Parlamentsbeschlusses, oder via 'Dekret' aus der niedersächsischen Regierung beschlossen worden?


    prickelpit96 : diese Verordnungen laufen als reine Verwaltungsentscheidungen ohne parlamentarische Beteiligung.


    Das ist richtig, es muss für solche Verordnungen, zumal für Grundrechtseinschränkungen, aber immer eine parlamentsgesetzliche Grundlage geben, die dazu ermächtigt und den Rahmen vorgibt; hier ist das das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Insofern erfolgen die Maßnahmen also schon "auf Basis eines Parlamentsbeschlusses"; zwar wurden nicht die konkreten Maßnahmen parlamentarisch beschlossen und es war auch nicht der aktuelle niedersächsische Landtag sondern der zum Zeitpunkt der einschlägigen IfSG-Regeln amtierende Bundestag, aber immerhin hat damit ein Parlament zumindest die Möglichkeit vorgesehen, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Jedenfalls ist das die Interpretation der Landesregierung(en).


    § 28 IfSG, der eine der Grundlagen auch für die niedersächsische Rechtsverordnung ist, wurde übrigens kurz zuvor geändert. Während es bis dahin in Satz 2 hieß, "kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige größere Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten", wurde nun das Wort "größere" gestrichen, sodass es heißt: "kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten". Auch wenn ich diese Änderung durchaus nachvollziehen kann, "größere" ist ja nun auch ein ziemlich unbestimmter Begriff, ist es in meinen Augen doch etwas kurz gegriffen, dass die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/18111, S. 25) diesbezüglich nur ausführt, der Wortlaut sei "aus Gründen der Normenklarheit angepasst" worden. Ich sehe da schon auch eine inhaltliche Änderung. Auch vor dem Hintergrund, dass der vorsätzliche Verstoß gegen in diesem Zusammenhang getroffene, vollziehbare, behördliche Anordnungen nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG strafbar ist, sollte dies dem Gesetzgeber schon bewusst gewesen sein.

  • Um das beruflich zu machen, habe ich leider zu oft mein Register verlegt und finde die richtige Seite nicht wieder. ;)


    Ich denke ja, dass andere hier noch sehr viel mehr wissen als ich. Und hoffe, meine Beiträge nicht irgendwie zu nervig sind oder so. :)

  • Nervig ist wichtig!


    Nachtrag:


    Sagen zu dürfen:


    "Du nervst!"

    ist wichtig!


    Ergänzend:


    Trollen ist nicht nerven!

    Einmal editiert, zuletzt von andro96 ()

  • Das ist richtig, es muss für solche Verordnungen, zumal für Grundrechtseinschränkungen, aber immer eine parlamentsgesetzliche Grundlage geben, die dazu ermächtigt und den Rahmen vorgibt; hier ist das das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Insofern erfolgen die Maßnahmen also schon "auf Basis eines Parlamentsbeschlusses"; zwar wurden nicht die konkreten Maßnahmen parlamentarisch beschlossen und es war auch nicht der aktuelle niedersächsische Landtag sondern der zum Zeitpunkt der einschlägigen IfSG-Regeln amtierende Bundestag, aber immerhin hat damit ein Parlament zumindest die Möglichkeit vorgesehen, derartige Maßnahmen zu ergreifen. Jedenfalls ist das die Interpretation der Landesregierung(en).

    Ja gut, das fußt dann zwar auf einem parlamentarischen Beschluss, aber eben nur als Startsignal.

    Da die konkreten Maßnahmen dann per Verordnung durch die Verwaltung erlassen werden, ist die parlamentarische Basis lediglich eine Maske.

    Nach der Logik könnte man auch alles, was nach dem Ermächtigungsgesetz passiert ist, parlamentarisch legitimiert bezeichnen.


    Nicht falsch verstehen: Ich sehe die Maßnahmen als richtig und wichtig an, aber sie stellen eben doch eine besondere Situation innerhalb einer Demokratie dar und zeigen, wie schnell das Parlament aus dem Rennen sein kann.

  • Die einschneidendsten Maßnahmen werden doch vom Bund unterstützt, aber von den Ländern verordnet. Ich finde, wir sind durch den (Edit: ups) KonFöderalismus gut vor Missbrauch geschützt. Auch wenn ich sonst kein Freund von diesem Flickenteppich bin, hier fühle ich mich sicher.

  • Ich fühle mich auch sicher, und trotzdem reicht einer AfD-Regierung eine Krise wie die aktuelle, um ihre Form der Regierung zu installieren.

    Man kann nur darauf bauen, dass Föderalismus und genug klar denkende Menschen Widerstand böten.

  • Warum stellt der "Staat" der TUI jetzt 3,1 Milliarden zur Verfügung?

    Die hatten schon vorher eine Kreditlinie von 1,75 Milliarden.

    Das ist ein kaputtes Unternehmen, welches jetzt weiter künstlich am Tropf des Steuerzahleres hängt. Krankes System!

  • Ich denke auch, dass wir gut beraten sind, auf unsere Demokratie aufzupassen. Die Aushöhlung von demokratischen Gesellschaftssystemen war immer schon ein schleichender Prozess, siehe Polen oder Ungarn.


    Die einschneidendsten Maßnahmen werden doch vom Bund unterstützt, aber von den Ländern verordnet. Ich finde, wir sind durch den (Edit: ups) KonFöderalismus gut vor Missbrauch geschützt. Auch wenn ich sonst kein Freund von diesem Flickenteppich bin, hier fühle ich mich sicher.


    Föderalistische Kompetenzen lassen sich in Krisenzeiten allerdings auch leicht einschränken.


    https://rsw.beck.de/aktuell/me…illigt-corona-krisenpaket


    https://www.vorwaerts.de/artik…ugnisse-bund-corona-krise


    Auszug:

    Mehr Befugnisse des Bundes im Krisenfall

    Auf seiner Grundlage können auch Grundrechte eingeschränkt werden, wie zum Beispiel die Versammlungsfreiheit oder die Freiheit der Person, aber auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Nach dem föderalistischen Prinzip waren bisher die Länder die zuständige Instanz, das Gesetz auszuführen. Auch in einem Krisenfall konnte der Bund nicht eingreifen. Er hatte nur koordinierende Befugnisse und konnte Empfehlungen abgeben. Um aber das Gemeinwesen vor der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars CoV-2 wirksam zu schützen, bekommt der Bund die Möglichkeit, schnell mit Schutzmaßnahmen einzugreifen.


    Ich fühle mich auch sicher, und trotzdem reicht einer AfD-Regierung eine Krise wie die aktuelle, um ihre Form der Regierung zu installieren.

    Man kann nur darauf bauen, dass Föderalismus und genug klar denkende Menschen Widerstand böten.


    Darauf hoffe ich auch. Immerhin hat der Ethikrat gestern die Einschätzung abgegeben, dass eine breite Debatte über Exit-Strategien notwendig sei. Alles andere wäre ein Anzeichen eines Obrigkeitsstaates. Diese Worte waren wohltuend.

  • Ja gut, das fußt dann zwar auf einem parlamentarischen Beschluss, aber eben nur als Startsignal.

    Da die konkreten Maßnahmen dann per Verordnung durch die Verwaltung erlassen werden, ist die parlamentarische Basis lediglich eine Maske.

    Nach der Logik könnte man auch alles, was nach dem Ermächtigungsgesetz passiert ist, parlamentarisch legitimiert bezeichnen.


    Nicht falsch verstehen: Ich sehe die Maßnahmen als richtig und wichtig an, aber sie stellen eben doch eine besondere Situation innerhalb einer Demokratie dar und zeigen, wie schnell das Parlament aus dem Rennen sein kann.


    Guter Punkt, der Hinweis auf das Ermächtigungsgesetz. Ich sehe da aber (ganz abgesehen natürlich von der völlig anderen Intention) schon wesentliche Unterschiede:


    - Es ist nicht nur ein "Startsignal", sondern das Parlamentsgesetz muss auch den Rahmen vorgeben. Ja, der scheint hier extrem weit zu sein (und möglicherweise ist die Ermächtigung auch im Rechtssinne zu weit gefasst, das kann ich nicht beurteilen). Man muss aber auch bedenken, dass die aktuellen Grundrechtseinschränkungen auch deshalb so massiv wirken, weil sie eben jeden treffen. Dass exekutive Akte in Grundrechte Einzelner, und zwar für den jeweiligen Betroffenen noch viel stärker als hier, eingreifen können, ist ja nun nichts Ungewöhnliches. Der Polizist, der einen Verdächtigen festnimmt, hat für die konkrete Festnahme ja auch keinen Parlamentsbeschluss im Rücken. ;)


    - Das Parlament ist zumindest in dem Sinne nicht aus dem Rennen, als es die Macht hat, das IfSG zu ändern und die Ermächtigung näher zu beschränken. Dieses Recht kann das Parlament m.W. genau wie das Recht (und die Pflicht), einen Rahmen vorzugeben, auch nicht preisgeben. Die wesentlichen Entscheidungen müssen in den Parlamenten getroffen werden, wie es so schön heißt. Tja, was nun wesentlich ist, darüber kann man natürlich diskutieren...


    Ich habe überlegt, ob es sinnvoll sein könnte, zu fordern, derart weitreichende Rechtsverordnungen so schnell wie möglich nachträglich parlamentarisch legitimieren zu lassen und falls das Parlament (also hie der Landtag) dagegen stimmt, sie aufzuheben. Aber ich weiß nicht, ob ein solches Verfahren rechtlich überhaupt möglich wäre. Und selbst wenn, stellte sich die Frage, ab welcher "Massivität" sollte das gelten.

  • Bernie Sanders schmeißt hin, meldet der Deutrschlandfunk.

    Dann kann man Trump wohl schon mal zum Wahlsieg gratulieren..

    Mal sehen ob Biden schlimmer abschmiert als Mondale...

    Es wird sich zeigen müssen, ob - und falls ja, in welcher Anzahl - Bernie Sanders Anhängerschaft zur Unterstützung eines Präsidentschaftskandidaten Biden gewonnen werden kann.


    Zumindest ist Biden - in seiner Bodenständigkeit und seiner gelebten Empathie für „normale“ Menschen, insbesondere aber für die verlorenen Blue-Color Wähler - für viele Menschen eine deutlich akzeptablere Alternative, als es Miss Establishment Hillary Clinton je war.


    Das gilt für abtrünnige Demokraten, die 2014 nicht oder gar Trump gewählt, erst recht aber für die independents.


    Bidens Team wird jetzt sehen müssen, WEN aus der Bernie-Kampagne man integrieren kann und will und - mindestens so wichtig - WAS. Im Bereich Gesundheit, Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung ebenso wie beim Green New Deal werden Biden und seine Leute sich inhaltlich in Richtung der Bernie Gefolgschaft bewegen müssen. Erkennbar, glaubwürdig und doch mit Augenmaß, um nicht mehr Leite zu verprellen, als man gewinnt.

  • Man vermutet ja, dass er eine Frau als potentielle Vizepräsidentin benennt. Wenn er klug wäre, eine eher "linkere".

  • Dass exekutive Akte in Grundrechte Einzelner, und zwar für den jeweiligen Betroffenen noch viel stärker als hier, eingreifen können, ist ja nun nichts Ungewöhnliches. Der Polizist, der einen Verdächtigen festnimmt, hat für die konkrete Festnahme ja auch keinen Parlamentsbeschluss im Rücken.

    Jahaaa, aber der Vergleich mit dem einzelnen(!) Verdächtigen, dem auch noch eine potentielle Straftat(!) unterstellt wird, hinkt schon ein wenig, gell? :D

    Das Parlament ist zumindest in dem Sinne nicht aus dem Rennen, als es die Macht hat, das IfSG zu ändern und die Ermächtigung näher zu beschränken. Dieses Recht kann das Parlament m.W. genau wie das Recht (und die Pflicht), einen Rahmen vorzugeben, auch nicht preisgeben. Die wesentlichen Entscheidungen müssen in den Parlamenten getroffen werden, wie es so schön heißt. Tja, was nun wesentlich ist, darüber kann man natürlich diskutieren...

    Ich sehe auch nicht, dass das Parlament komplett aus dem Rennen ist, und ja, es hat den Rahmen beschlossen, in dem die Einschränkungen stattfinden dürfen, aber (du schrubst es selber) die Definition des 'Wesentlichen' ist hoffentlich vorhanden, bzw. vernünftig gefasst.


    Alles in allem kann ich nur wiederholen, dass ich mit den aktuellen Maßnahmen insofern konform gehe, als dass ich glaube, dass sie helfen. Aber es bleibt das Geschmäckle für mich, dass die Grundrechte, die ich als so felsenfest gegeben betrachtet habe, ganz fix vom Tisch sind, und das im Zweifelsfall am Parlament vorbei, wenn es um ein konkretes Verbot geht.


    Wenn ich jetzt noch die geifernde Stimme von Frau von Storch heute Morgen kurz vor 7 im DLF im Kopf nachverfolge und mir vorstelle, dieser braune und menschenverachtende Abschaum(*) sitzt über kurz oder lang in einer Regierung, dann kann ich wirklich nur hoffen, dass die nächste Viruskrise nicht zu einem Trittbrett für einen Umbau der Grundrechtestruktur hier führen wird.


    Ich will damit nur sagen, dass wir einfach wachsam bleiben müssen, wenn wir sehen, wie fix es gehen kann.


    (*) ist exakt so gemeint