Politischer Zoff-Thread oder so

  • Kiebitz und ggf. andere, die meinen, dass struktureller Rassismus kein deutsches Problem ist.

    Gerad hat uns der Europarat in seinem Bericht zu Menschenrechten attestiert, dass wir ein rassistische Land bleiben und dies besonders die Polizei.

    Und das Problem wird nicht besser, weil hier nicht anerkannt wird, dass es so ist!


    https://taz.de/Europarat-Beric…Menschenrechten/!5672094/


    Als Beleg nicht ausreichend? PDF des Berichts ist im Text verlinkt.


  • Ok, vom strukturellen Standpunkt gibt es einiges zu kritisieren. Welche Institution würde schon zu einem Ergebnis kommen, das die Selbstabschaffung bedeuten würde? Sicherlich ist man immer bestrebt Probleme zu sehen um eine Rechtfertigung zu haben.

    Aber auch an anderer Stelle sehe ich Probleme mit dem Bericht. So wird in dem Bericht ja gesagt, dass keine eigenen Erhebungen oder Zeugenbefragungen stattfanden, sondern auf öffentliche Quellen zurückgegriffen wurde. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass wiederholt einzelne Aussagen von AfD-Politikern als Beleg angeführt werden. Aber die Partei hat keinerlei Regierungsverantwortung inne. Das kann ja kaum als Beleg für strukturellen Rassismus angeführt werden, sondern ist Bestndtteil der politischen Willensbildung, mithin auch ihr grundgesetzlich geschützer Auftrag.

    Als ein Beispiel ist auch die im Beitrag genannte "Islamophobie" zu nennen, ein ohnehin sehr problematischer Begriff, der hier als Beleg für vermeintlichen Rassismus genannt wird.

    Nur um ein Beispiel für die schwache Fundierung zu nennen: DieserhoheGradanIslamophobiewirddurcheineweitereneuereUmfragegestützt,beiderdieHälfteallerbefragtenMuslimeausAfrikasüdlichderSahara(48%)sagten,siehättenindenletzten12MonatenmindestenseinmalBelästigungaufgrundihrerethnischenHerkunftoderihresMigrationshintergrundserlebt


    Tatsächlich sind das doch aber zwei verschiedene Sachverhalte, da hier nicht belegt ist, dass die Personen aufgrund ihres religiösen Hintergrundes oder ethnischen Zugehörigkeit diskriminert wurden.


    Letzendlich ist das ein methodisch sehr schwacher Bericht.


  • Der bundesdeutsche Antsemitismusbeauftragte Klein hat den afrikanischen Philosophen Achille Mbembe des Antisemitismus bezichtigt und wird dafür zu recht massiv kritisiert.


    Leerstelle Antisemitismus


    Und den heutigen Kommentar von Dominic Johnson kann ich nur unterschreiben.


    Debatte um Achille Mbembe

    Zitat

    Mbembe durfte in Kamerun seine Magisterarbeit über den antikolonialen Widerstand, mit dem er familiär verbunden war, nicht offen schreiben, sondern versteckte das Thema 1981 in einer anderen Arbeit, bevor er das Land verließ. Draußen editierte er die Schriften des ermordeten Unabhängigkeitsführers Ruben Um Nyobè – in Kamerun verboten – und legte 1996 doch noch sein großes historisches Werk über den antikolonialen Untergrund vor, „La naissance du maquis dans le Sud-Cameroun, 1920–1960“, auf das 2001 sein grandioser Essayband „De la postcolonie“ über koloniale Kontinuitäten in Afrika folgte.


    Zufällig arbeitete just damals der heutige deutsche Antisemitismusbeauftragte und aktuelle Mbembe-Chefkritiker Felix Klein als Diplomat an der deutschen Botschaft in Kamerun und promovierte dann mit einer Arbeit über „Eherecht und Ehewirklichkeit in Kamerun“. Man darf also bei Klein davon ausgehen, dass er genau weiß, wer Mbembe ist, und dass ihm klar ist, was er anrichtet, wenn er ihn als Antisemiten diffamiert: nämlich einen der wichtigsten afrikanischen Kolonialismusdenker in deutschen Augen zu diskreditieren. Mbembe hat sofort begriffen, dass es darum geht, ihm die Deutungshoheit über sein Werk zu entziehen. Er fühle sich, als sei er „nichts als ein Neger“, erklärte er in einem Interview.

    Mbembes Definition zu "Neger":

    Zitat

    Der „Neger“ [...] ist der Mensch als Ware. Er ist Rohstoff und Arbeitswerkzeug, zu zähmendes Lebewesen, zu dressierender Wilder, im Zustand permanenter Erniedrigung gehalten, mit einer auf Gehorsam und Ungehorsam reduzierten Gedankenwelt. Die Sklaverei gründet darauf, der Kolonialismus, die Apartheid, auch die Segregation in den USA oder der Antisemitismus in Europa.

    ...

    Er ist jeder, dessen Identität andere bestimmen. Er ist das „vergiftete Subjekt“. Er ist der Proletarier im Schatten, zum Arbeitseinsatz gerufen oder ausgesondert. Er ist keine Person, sondern eine Kondition. „‚Neger‘ sagen“, schreibt Mbembe, „heißt, all die Leichen in Erinnerung zu rufen.“

    Klar, dem muss man natürlich irgendwie das Maul stopfen.

    Notfalls mit der Unterstellung, er seie Antisemit, das geht immer bei Menschen, die sich mit Ungerechtigkeiten auseinandersetzen und drauf zeigen.


    :kotzen:

  • Es wäre natürlich schön, wenn du auch die Vorwürfe von diesem Antsemitismusbeauftragten direkt zitiert hättest, damit wir wissen, worum es genau geht. Ja, irgendwas mit Antisemitismus, schon klar, aber etwas genauer wäre ja nun nicht verkehrt...

  • Die Debatte läuft schon länger.


    Es geht dabei um die Eröffnung der Ruhrtriennale.


    Zeitonline

    Sehr gute Auseinandersetzung mit Mbembe hier


    Feuilleton · Ijoma Mangold Wie rassistisch ist der Westen?


    Daraus

    Zitat

    Es wirft schon genug Fragen auf, warum ein Autor, der im Zentrum des Menschheitsunheils den Rassismus identifiziert, geradezu um sich schlägt, sowie es um Israel geht. Eine mögliche Erklärung bietet sich an: In Mbembes Gedankenarchitektur werden wir alle zu »Negern«, die höchste Form des »Negers« aber waren die Juden als Opfer des Holocaust. Wenn aber die Juden in diesem Sinne »Neger« waren, dann sind die Israelis als Grenzzieher keine Juden mehr, sondern Weiße.


    [...]


    Sein Hass auf Israel hat etwas vom Zorn über einen Verräter, der die Seite gewechselt hat.

  • Wer überall Rassismus wittert, der wird ihn sicherlich auch hier sehen. Wenn man die Debatte jedoch vorurteilsfrei und jenseits von intersektionalistischen Opferhierarchien führt, kann man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Aussagen von Mbembe sehr fragwürdig sind.

    Zuallererst müsste man natürlich anerkennen, dass eine bestimmte Form der "Israelkritik" (an sich schon ein einzigartiges Wort, denn man hört nichts über mit gleicher Verve vorgetragene Irankritik, Venezuelakritiker oder ähnliches) antisemitisch ist. Nämlich immer dann, wenn diffamiert wird und mit doppelten Standards gearbeitet wird. Das alles hat nichts als eine Dämonisierung Israels zum Ziel, wie an diesem Beispiel deutlich wird:


    „Und da alles, das sie [die Besatzer Palästinas] anzubieten bereit sind, ein Kampf bis zum Ende ist; da sie bereit sind, den Weg bis an sein Ende zu gehen – Gemetzel, Zerstörung, schrittweise Vernichtung –, ist die Zeit für weltweite Isolation gekommen.“ [Aus dem Vorwort zu Apartheid Israel]

    Zudem vergleiche er die südafrikanische Apartheid mit dem Holocaus:
    "Die Sätze, die er in seinem Aufsatz „Politik der Feindschaft“ äußert, sind zumindest missverständlich, wenn er das Apartheidssystem in Südafrika und die Zerstörung von Juden in Europa unmittelbar hintereinander erwähnt und auf die ideologischen Hintergründe hinweist, dass beides „emblematische Manifestationen einer Trennungsfantasie“ seien."
    [https://www.deutschlandfunkkul…ml?dram:article_id=475092]

    Das ganze fußt auf der üblichen Rhetorik der BDS-Aktivisten unter völliger Verkennung der israelischen Realität:


    „Die Metapher der Apartheid trägt […] dem spezifischen Charakter des israelischen Trennungsprojekts nicht vollständig Rechnung. […] Die apokalyptischen und katastrophalen Elemente, die ihm zugrunde liegen, sind weitaus komplexer und entstammen einem längeren historischen Horizont als die Elemente, die früher den südafrikanischen Calvinismus unterstützten.
    Darüber hinaus sind die Auswirkungen des israelischen Projekts auf den palästinensischen Körper angesichts seines „Hi-Tech“-Charakters weitaus beeindruckender als die relativ primitiven Operationen, die das Apartheidregime in Südafrika zwischen 1948 und den frühen 1980er Jahren durchgeführt hat.
    Dies zeigt sich […] in den verschiedenen Techniken der materiellen und symbolischen Auslöschung. Es zeigt sich auch in seinen Verfahren und Techniken der Zerstörung […] und in seiner fanatischen Zerstörungspolitik, die darauf abzielt, das Leben der Palästinenser in einen Trümmerhaufen oder einen zur Säuberung bestimmten Müllhaufen zu verwandeln. In Südafrika haben die Trümmerhaufen nie ein solches Ausmaß erreicht.

    Schon die Wortwahl "israelisches Projekt" und "palästinenischer Körper", vor allem im Zusammenhang mit der Hi-Tech Rhetorik, die Israel schlimmer als Südafrika erscheinen lasse, da sie angeblich nicht so primitiv vorgehen würden, lässt erkennen, dass hier an der Legitimität Israels per se gezweifelt wird und als besonders unmenschlich dargestellt wird (Technik, Operation) gegenüber dem biologischen Körper Palästina.

    Anscheinend will oder kann Mbembe nicht anerkennen, dass die arabischen Staatsbürger Israels gleichberechtige Mitglieder der Gesellschaft sind und es ihnen vermutlich besser ergeht als in allen umliegenden Staaten.

    Abschließend noch zu dem Unsinn, Mbembe habe angeblich nichts mit BDS zu tun:
    https://www.mena-watch.com/ach…ischen-wissenschaftlerin/


  • Historiker und Afrikawissenschaftler Prof. Andreas Eckert zu den Antisemitismus-Vorwürfen gegem Mbembe


    und ja, ich stehe dazu, dass ich es eine Unverschämtheit finde, dass man ihm Antisemitismus unterstellt. Und von Rassismus habe ich gar nichts geschrieben Herr Giftzwerg! Aber schön, dass du gleich so drauf angesprungen bist, ich nehm das mal als Bestätigung meiner beisherigen Wahrnehmung, dass du davon unterschwellig einiges in dir trägst ohne es zu reflektieren, so wie das bei vielen Menschen wahrnehmbar ist. Also mir zumindest 8)


    In dem Interview sagt Eckert auch, dass es Klein und Co. wahrscheinlich gar nicht um Mbembe ging sondern um die schon lange in der Kritik stehende Leiterin der Ruhrtrienale ging. Daher hat er es auch von "gewissen Kennzeichen einer Hexenjagd" gesprochen.

  • Du konstruierst immer die hanebüchtesten Zusammenhänge, die vor allem eins sind: Rassismus.

    Blue: „(...) Und von Rassismus habe ich gar nichts geschrieben Herr Giftzwerg! (...)“


    Ich hatte des Giftzwergs Anmerkung so verstanden, dass er Dir zum Einen das ständige Konstruieren hanebüchenster Zusammenhänge vorwirft und zum Anderen, dass sich darin stets Rassismus offenbare - und zwar Deiner.

    Darüber denke ich nun schon seit Montag nach.

  • Ich denke seit Tagen darüber nach, wer da einer anderen Person das "ständige Konstruieren hanebüchenster Zusammenhänge" vorwirft...

  • :idee:


    Dauert bei mir Landei halt ein bisschen länger - ich verstehe die großen Zusammenhänge ja nicht sofort...


    Ist das mit dem Wechsel der Weltregierung am Samstag jetzt eigentlich safe oder müssen wir da noch auf die Pressekonferenz von Attila, Xavier und ... warten? :mundzu:

  • Wo du es schreibst, stimmt so hat er es gemeint. Da habe ich wohl zu konditioniert gelesen.


    Denk gern über meinen Rassismus nach, tu ich auch oft, sehr oft sogar. Ich kann mich nämlich auch nicht von meiner Sozialisation in europäischer/westlicher Überheblichkeit freisprechen und deshalb schreib ich auch öfter, dass ich mich da nicht ausnehme, aber versuche, es zu reflektieren. Ich weiß nämlich, dass ich viel zu wenig (immer noch) über die Dinge weiß, als dass ich sie nicht erstmal aus meiner Warte beurteile. Daher beobachte ich ja soviel, um dahinter zu kommen. Um die Perspektive zu wechseln.


    Meine Beobachtungen vor Ort haben mich aber eben schon so weit gebracht, dass ich einige Dinge von einer anderen aus Perspektive beurteile, allerdings immer noch mit der hier erworbenen Überheblichkeit (manchmal vielleicht auch mit der, die ich mir von meinem Mann abgeguckt hab, wenn es um seine Leute geht, die ich da aber nicht zeige ;)).


    Ansonsten, Ich habe meine spezielle Art und wer mich kennt, weiß das einzuschätzen. Wer nicht, findet mich halt scheiße, aber er übersieht dann auch, dass ich ein Mensch bin, der gern genau das Gegenteil von dem macht, was andere von mir erwarten, bei denen ich den Eindruck habe, dass das Maß, das er an andere legt, nicht unbedingt für ihn selbst gilt. Ich buhle nicht um Freundschaft, schon lange nicht mehr.


    Hier wird mir von verschiedenen Stellen gern unterstellt, ich will bevormunden, verbieten oder sonst was unfreies.


    Ist aber nicht so. Soll jeder machen was er meint, ich habe halt eine andere Sicht und finde eben einiges nicht so wie andere. Ich bin überzeugt davon, dass der Mensch ein ganz anderes Leben führen könnte im Sinne von besser für alle, wenn er sein Hirn anders manipuliert kriegen würde, als es seit Jahrhunderten passiert. Ich bin überzeugt, der Mensch wäre in der Lage sein Denken und Handeln massiv in andere Richtungen zu lenken.

    Leider passiert das immer nur in destruktive Richtungen in unserem System. Macht und damit verbundene Deutungshoheit. Das Konstrukt Macht ist meinem Wesen fremd. Es sollte allen Köpfen so gehen. Das wäre für mich Freiheit.


    Ich weiß aber, dass die, die Macht haben, sie nicht freiwillig abgeben werden und somit immer dafür Sorge tragen, das Konstrukt in den Köpfen der Menschen zu halten. Und genau diese Art Mensch, die immer wieder behauptet, Konkurrenz muss sein, Hierarchie muss sein, trägt in meinen Augen die Verantwortung dafür, dass Solidarität, dass, was in meinen Augen in Krisen das einzige war, dass die Menschheit vorwärts gebracht hat, möglichst wenig gedeiht.


    Ich gebe offen zu, so sehr ich überzeugt bin, dass der Mensch zu besserem fähig wäre, so sehr habe ich den Glauben an eine Zukunft dieses Besseren verloren und denke, der Mensch hat seine Zukunft hinter sich. Er stirbt gerad (ja, ein bischen dauert es noch, aber er ist dabei) und das nicht an Corona. Eher an nicht übernommenen Verantwortung dafür, dass er meint, Krönung der Schöpfung zu sein.