Politischer Zoff-Thread oder so

  • Kemmerich also gestern mit einem Redebeitrag auf einer Corona Demo. Das ist aber auch ärgerlich. Erst ausversehen durch Nazis wählen lassen, jetzt ausversehen in so eine schwierige Demo gerutscht und Schulter an Schulter mit Nazis vom Podest gesprochen. Das ihm sowas aber auch einfach niemand früher sagt. Armer Kerl.

  • was mettbrötchen sagt.


    Wir rühmen uns doch in europa so gerne, dass wir keine kriege mehr haben und längste friedenszeit, unsere europäischen regierungen morden allerdings im mittelmeer (nix anderes ist es, wenn man menschen willentlich im mittelmeer ertrinken lässt, obwohl sie sos rufen und kapazitäten vor ort sind). Und aus welchen gründen, wenn nicht aus "zügehörigkeit". Natürlich ist das rassismus. Man möchte den ereignissen vor 75 jahren eine "besonderheit" zuschreiben und relativiert damit. Ich finde ja, man kann scheisse nicht nach geruch sortieren.


    Was man ganz sicher vergleichen kann ist das weggucken. Hinterher will es wieder keiner gewusst haben.

  • Kemmerich also gestern mit einem Redebeitrag auf einer Corona Demo. Das ist aber auch ärgerlich. Erst ausversehen durch Nazis wählen lassen, jetzt ausversehen in so eine schwierige Demo gerutscht und Schulter an Schulter mit Nazis vom Podest gesprochen. Das ihm sowas aber auch einfach niemand früher sagt. Armer Kerl.

    Es wird User geben, die das zu relativieren wissen.

    Zumindest Strack-Zimmermann und die Julis haben deutliche Worte gefunden.

  • Man möchte den ereignissen vor 75 jahren eine "besonderheit" zuschreiben und relativiert damit.

    Genau der Gedanke kam mir auch.


    Und die Frage, wie weit kann Mensch wohl noch gehen, wenn er auf die Einzigartigkeit seiner großen Menschenfeindlichkeit so fokussiert ist, dass keine andere Menschenfeindlichkeit in ihre Nähe gerückt werden darf?


    Es kann doch wohl nicht ernsthaft daran geglaubt werden, durch die Tabuisierung Menschenfeindlichkeit verhindern zu können?


    Wozu soll es dann dienen?


    Erinnert mich irgendwie an die Diskussion um Mbembe :(

  • Die moralischen Ansprüche von Lifeline kenne ich natürlich nicht, aber in ihrer Außendarstellung geben sie sich als Menschenrechtsorganisation. Wer jetzt bei der Kommunikation bewusst darauf setzt tote Menschen für seine Agenda zu missbrauchen, bei einem Thema, bei dem sie wissen, dass die Aufmerksamkeit höher ist, der verrät seine eigenen Ansprüche.

    Da kann dir geholfen werden:


    https://mission-lifeline.de/ueber-uns/


    https://taz.de/Aktivist-ueber-…er-Gefluechtete/!5671926/


    https://m.tagesspiegel.de/berl…lin-fliegen/25701974.html


    Wenn ich nicht ganz falsch liege, dann geht es Mission- Lifeline darum, Menschen vor dem Ersaufen im Mittelmeer zu retten und auf die menschenunwürdige Situation in den Flüchtlingslagern hinzuweisen. Und wie dramatisch die ist, darauf hat auch schon Norbert Blüm hingewiesen:


    https://m.dw.com/de/europa-muss-sich-zusammenschließen/av-19176768


    Mission-Lifeline weist in ihrer Kommunikation darauf hin, dass die Tragik der Opfer aus Faschismus und Krieg und die Tragik der Menschen, die im Mittelmeer ersaufen, eine Gemeinsamkeit in der Logik der Dramatik haben. Aus humanistischer und christlicher Perspektive ist das legitim, da es darum geht, Menschenleben zu retten. Eine Relativierung kann ich nicht erkennen.

  • Der Ursprungsvorwurf war die Relativierung des Holocaust. Auch mit diesem facebook-Eintrag ist keine Relativierung zu erkennen. Die Anschuldigungen die du als absurd empfindest ist


    Elendslager, in denen tausende Menschen fremder Herkunft, anderer Religionen und Kulturen unter unmenschlichen Bedingungen interniert werden


    entspricht der Realität. Belege gibt es genügend.


    zu Zwangsarbeit missbraucht, erschlagen, dem Hungertod ausgesetzt, für Experimente benutzt oder auf unterschiedlichste Weise umgebracht.


    Das bringst Du ins Spiel. Mission Lifeline macht dieses ganz explizit nicht, denn sie nehmen eine präzise Abgrenzung vor.


    Beim folgenden wird es spannend:


    aber in ihrer Außendarstellung geben sie sich als Menschenrechtsorganisation. Wer jetzt bei der Kommunikation bewusst darauf setzt tote Menschen für seine Agenda zu missbrauchen,


    Sie geben sich als Menschenrechtsorganisation, bedeutet also es ist keine. Was sind sie dann?

    Sie missbrauchen tote Menschen (ja welche eigentlich: die von Flucht und Vertreibung als Folge von Faschismus und Krieg, oder die toten Menschen auf dem Boden des Mittelmeeres, in den Flüchtlingslagern von Libyen....) für ihre Agenda.

    Das impliziert den Vorwurf, ihre Flüchtlingsarbeit sei Mittel zum Zweck um eine Öffentlichkeit für ihre Agenda zu schaffen.

    Nur, welches ist den ihre Agenda?


    Zudem ist der Beitrag auch ein wenig selbstgefällig. Plötzlich erscheint der Einsatz für Flüchtlinge als verspäteter Widerstand gegen Hitlerdeutschland "solange haben wir uns nicht befreit". Es ist diese Absolutheit, die einfache Moral, die aus dem Beitrag trieft.


    Der Beitrag erscheint (!) Dir selbstgefällig. Und bezüglich der Moral: vielleicht orientieren sie sich an den Worten von Gustav Schröder, dem Kapitän der St. Louis:


    "Niemals möge die Mahnung vergessen werden, die das tragische Schicksal der schwergeprüften Passagiere für die gesamte Menschheit bedeutet: damit sich Grausamkeit und Unmenschlichkeit nie wieder breitmachen können." link zu spon

  • Ich wollte nur mal auf ein aktuelles Beispiel für Rassismus hinweisen: unser billiges Fleisch von gequälten Tieren dürfen uns Menschen insbesondere aus Rumänien produzieren, die wir nicht nur wirtschaftlich ausbeuten, sondern auch noch einpferchen und einem massiv erhöhten Infektionsrisiko aussetzen... welches Natur-, Tier- und insbesondere Menschenbild stehen dahinter.

  • Ich sehe da nirgendwo eine präzise Abgrenzung. Wie gesagt, ich finde die Kommunikationsstrategie unwürdig und perfide.

    Und ja, natürlich stecken da Interessen dahinter. Sie vertreten advokatorisch die Interessen von Flüchtlingen und Migranten. Agenda ist hier ohne normative Wertung. Jeder politische Player hat eine Agenda und verfolgt eine bestimmte Strategie seine Agenda zu positionieren und darzustellen. Manchmal werden hierbei Grenzen überschritten, wie in dem genannten Fall.


    Davon ab, zu deinen Punkten. Wie gesagt, ich kenne die Verhältnisse aus eigener Anschauung. Unmenschlich ist ein hartes Wort, ich würde es in dem Zusammenhang nicht benutzen. Es ist Europa unwürdig, man kann von Griechenland erwarten weitaus bessere Verhältnisse zu schaffen als der Libanon oder die Türkei.

    Was es auch zu bedenken gilt(meinetwegen auch im Vergleich), diese Menschen sind dort mehr oder weniger freiwillig. Es mag sein, das nicht immer die genauen Umstände bekannt sind, aber in Zeiten von Social Media erscheint das unwahrscheinlich. Migration ist entgegen landläufiger Meinung eine rationale Entscheidung (Es kostet sehr viel Geld, bedarf Vorbereitung usw.). Vielfach sind in Griechenland Personen, die vor dem Bürgerkrieg in Afghanistan geflohen sind. Ein Großteil hat viele Jahre im Iran verbracht und anschließend in der Türkei. Besonders in den letzten Jahren haben beide Länder ihre Politik gegenüber den Afghanen massiv verschärft und wer es sich leisten kann macht sich auf den Weg in den Westen.

    Die Verhältnisse in Griechenland werden dabei bewusst in Kauf genommen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in (Nord-)europa. Schon hier muss jedem vernünftig denkenden Menschen der Unterschied auffallen zu den Geschehnissen im Zweiten Weltkrieg. Nochmal, die Verhältnisse sind nicht gutzuheißen, aber wir haben es hier mir rational-agierenden Menschen zu tun, die sich freiwillig in die Boote begeben.

    Deutlich komplexer ist die Lage in Libyen und auf dem Mittelmeer. Die Migration dort verläuft fast immer in Etappen. Kaum jemand kann sich die komplette Reise leisten. Deshalb wird selbst Libyen angesteuert. Es gibt dort relativ viel Arbeit und die Möglichkeit zur Überfahrt nach Europa. Die Kriegsparteien haben offensichtlich schnell gemerkt, welche Resource die Migranten darstellen und mischen jetzt kräftig im Menschenhandel mit, was die Situation wirklich erbärmlich gemacht hat.


    Insgesamt ist Europa auf einem guten Weg Menschen den Zugang zu internationalem Schutz zu ermöglichen, durch die Verfahrensweise an den Außengrenzen. An der tatsächlichen Umsetzung ist noch viel zu verbessern und es ist nicht hinzunehmen, dass Griechenland versucht durch schlechte Verhältnisse abzuschrecken, aber der EU sind da die Hände weitestgehend gebunden. Was die Bootsmigration angeht kommt langfristig sicherlich das gleiche Verfahren wie beim Griechenland-Türkei Abkommen.

    Die Seenotretter müssen sich Fragen gefallen lassen zu den Pull-Faktoren ihres Handelns. Bei der moralischen Bewertung ist dies auch ein wichtiger Faktor.

  • Klar, wenn man thematisch hart an der rechten Ecke fischt, kann man nur schwer vermeiden, dass man dabei auch Beifang von rechts erwischt. Wirklich ein verdammter Konflikt. Ich sag's ja, der arme Kemmerich.

  • Es geht nicht nur um Moria und die anderen griechischen Lager. Es gibt da noch die in Libyien und die von Malta dahin zurück geschickten. Wie sieht dein Erfahrung zu diesen Lagern aus? Ich war da noch nicht, kenne aber neben einigen Verlusten in meiner und anderen Familien (wie auch im Mittelmeer) diverse Erlebnisberichten, wenn auch nur aus zweiter Hand oder aus dem Mund derer, die es mir übersetzten.


    Und wie lange müssen die NGOs sich die Fragen bezüglich Pullfaktor denn noch gefallen lassen? Wurde das nicht mittlerweile sehr oft von Menschen, die dazu forschen verneint?

  • Es geht nicht nur um Moria und die anderen griechischen Lager. Es gibt da noch die in Libyien und die von Malta dahin zurück geschickten. Wie sieht dein Erfahrung zu diesen Lagern aus? Ich war da noch nicht, kenne aber neben einigen Verlusten in meiner und anderen Familien (wie auch im Mittelmeer) diverse Erlebnisberichten, wenn auch nur aus zweiter Hand oder aus dem Mund derer, die es mir übersetzten.


    Und wie lange müssen die NGOs sich die Fragen bezüglich Pullfaktor denn noch gefallen lassen? Wurde das nicht mittlerweile sehr oft von Menschen, die dazu forschen verneint?

    Weit hergeholt, wenn dort steht, Elendslager IN Europa und der Hashtag #Moria verwendet wird. Ganz davon abgesehen, dass Europa da wenig Verantwortung für Libyen trägt. Ich habe mit Libyen keine persönlichen Erfahrungen und muss mich auf die schrecklichen Berichte verlassen.


    So einfach ist das nicht. Die viel zitierte Oxford-Studie leidet an methodischen Schwächen. " Ökonomen der Uni Palermo, die die Flüchtlingszahlen mit niedrigeren Werten früherer Jahre verglichen, meinen indes, beide Operationen hätten zu mehr Migranten geführt. Die Studienlage ist dünn und teils widersprüchlich, die Aussagekraft also überschaubar. Viel mehr als Momentaufnahmen liefern die Untersuchungen bislang nicht. „Über die langfristige Wirkung der Seenotrettung kann man keine Aussage treffen“, sagt Daniel Thym."

    Es ist also keineswegs so eindeutig wie kolportiert. Man muss dabei auch die langfristigen Folgen bedenken, insbesondere die Erzählungen in die Heimatländer. Das spielt bei Migration immer eine große Rolle.

  • Die finden immer Wege, so lange es Migrationszwänge gibt und wir das "tolle" Leben vorleben, bis in die hinterwäldlerischste Ecke.

    Wie selbst erlebt. Es sind Konsumenten gewünscht, deshalb gibt es erstmal das Internet, ehe andere Infrastruktur kommt. Irgendwie müssen die Bedürfnisse ja geweckt werden.


    Unser Wirtschaftssystem produziert Flüchtlinge, das liegt nicht in deren Verantwortung. Wir wollen unser "tolles" Leben weiterleben, also Wachstum, Wachstum, Wachstum und dafür interessiert offensichtlich nicht, was darauf folgt. Das interessiert erst, wenn es da ist und stört. Und dann soll das Problem am besten mit den Mitteln gelöst werden, die dazu führten oder einfach weg. Ich finde das eher minderintelligent.

  • Unser Wirtschaftssystem produziert Flüchtlinge, das liegt nicht in deren Verantwortung. Wir wollen unser "tolles" Leben weiterleben, also Wachstum, Wachstum, Wachstum und dafür interessiert offensichtlich nicht, was darauf folgt. Das interessiert erst, wenn es da ist und stört. Und dann soll das Problem am besten mit den Mitteln gelöst werden, die dazu führten oder einfach weg. Ich finde das eher minderintelligent.


    So nämlich! Der nachfolgende Bericht spricht hier von „Rohstoff-Kolonien“.

    https://www.global2000.at/shell-oelpest-im-nigerdelta


    Neben der ökonomischen Verantwortung haben wir schließlich auch eine historische.


    https://m.dw.com/de/völkermord-namibia-wartet-weiter-auf-deutsche-entschuldigung/a-50402887

  • Die finden immer Wege, so lange es Migrationszwänge gibt und wir das "tolle" Leben vorleben, bis in die hinterwäldlerischste Ecke.

    Wie selbst erlebt. Es sind Konsumenten gewünscht, deshalb gibt es erstmal das Internet, ehe andere Infrastruktur kommt. Irgendwie müssen die Bedürfnisse ja geweckt werden.


    Unser Wirtschaftssystem produziert Flüchtlinge, das liegt nicht in deren Verantwortung. Wir wollen unser "tolles" Leben weiterleben, also Wachstum, Wachstum, Wachstum und dafür interessiert offensichtlich nicht, was darauf folgt. Das interessiert erst, wenn es da ist und stört. Und dann soll das Problem am besten mit den Mitteln gelöst werden, die dazu führten oder einfach weg. Ich finde das eher minderintelligent.

    Das ist zwar ein beliebter Narrativ, weil es da einerseits "um's große Ganze" geht und man andererseits weiter dem Westen oder gleich dem bösen Kapitalismus die Schuld in die Schuhe schieben kann. Allerdings befreit das letztendlich auch die Herkunftsstaaten von Verantwortung zu guter Regierungsführung.

    Außerdem entbindet das Argument, dass es Migration so oder so gibt, nicht von der Frage, wie sich Migration möglichst gerecht gestalten lässt. Das kann dann nicht bedeuten, dass man das System "survival of the fittest" weiter betreibt.

    Fairer wäre es, illegale Migration so weit es geht zu unterbinden, gleichzeitig aber die Möglichkeiten zu legaler Migration zu stärken. Das kann Bausteine umfassen, wie eine mssive Ausweitung des Resettlements, sowie eine großzügige Ausbildungs- und Arbeitsvisumsvergabe. So könnte man, zumindest theoretisch, eine Trennung von Flüchtlingsproblematik und Arbeitsmigration herbeiführen. So würden auch Personen in den Genuss von Flüchtlingsschutz kommen, die sich die illegalen Wege nicht leisten können oder zu schwach sind.

    Eine großzügigere Visavergabe hätte natürlich den negativen Effekt des Brain-Drains zur Folge, der die Herkunftsländer schwächt. Das ließe sich aber auch durch zeitliche Begrenzung der Visa, samt Kautionspflicht lösen.