Alles anzeigenEs ist eine ganze Weile her, dass ich ihn gelesen habe, aber im Kern geht es um seine Rezeption des Kommunalismus, der Rechte für Gruppenidentitäten fordert. Das bedeutet im Kern eine Abkehr vom westlich-individialistischen Ansatz der Menschenrechte.
Linke Identitätspolitik rezipiert die Gruppenzugehörigkeit aus Sicht der Unterdrücker-Unterdrückten Dichotomie, die ich an sich schon für Unfug halte, weil es unterkomplex ist, aber einer bestimmten Erzählung dienlich ist. Diese Zwangskollektivierung endet in der Vertretung unvereinbarer Partikularinteressen. Das wird dann noch mit etwas Kulturrelativismus vermischt und schon haben wir die Misere.
De Benoist war also eine Luftnummer von Dir.
Der Rest - mit Verlaub - ist chauvinistisches Geschwätz. Ein genauer und unverstellter Blick in die Geschichte zeigt die Ausgrenzungsstrategien in deren Folge Interessen und Rechte von ganzen Bevölkerungsgruppen keine Berücksichtigung fanden und schlimmer noch unterdrückt wurden.
Bei der Ausgrenzung ging es selbstverständlich um durch bestimmte Kategorien definierte Gruppen.
Warum musste es in den USA eine Bürgerrechtsbewegung der Afro-Amerikaner geben? Weil sie in den USA gleichberechtigt waren?
Wie konnte es in der BRD dazu kommen, daß bis in die 90er Jahre hinein, der §175 StGB gültig war? In wessen mangelndem Interesse lag die späte Abschaffung und durch wen, wurde diese erreicht und welche Prozesse waren hierfür erforderlich?
Wie groß waren die Bestrebungen der deutschen Gesellschaft, die sog. "Gastarbeiter" Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Prozessen zu gewähren? Dazu könnte man für die heutige Zeit die Analogie zu den Arbeitsverhältnissen in der Fleischindustrie herstellen.
Wie groß war das Interesse der konservativ geprägten zum größten Teil männlich geprägten Politiker, Frauen ein von Männern durch eigene Erwerbstätigkeit unabhängiges Leben führen zu können, zu ermöglichen?
Der ganzen Komplex zum §218 StGB bediente wessen Interesse?
Wenn es die wissenschaftliche Erkenntnis gibt, daß die Herkunft und das soziale Milieu entscheidend für den Grad an Bildung von Kindern und Jugendlichen ist, dann ist die Beseitigung dieses Nachteils kein "Partikularinteresse". Denn Bildung und Demokratie gehören untrennbar zusammen.
Wenn man das zusammenfasst (und es ist noch vielfältig erweiterbar), repräsentiert die Politik in der Umsetzung gesellschaftlicher Fragen bis in die 70er/80er Jahre die Partikularinteressen der deutschen, heterosexuellen Männern. Diese Partikularinteressen werden im Rahmen von Emanzipationsbestrebungen durch die Gruppen deutlich gemacht, die von Teilhabe und Macht bisher ausgeschlossen waren.
Zur Demokratie gehört eben die Gewährleistung der Teilhabe an demokratischen Prozessen für alle. Ausschlusskriterien, wie bspw. Stigmatisierung müssen beseitigt werden.Gegen die Beseitigung wenden sich dann diejenigen, die um Einfluss und Macht fürchten.
Deswegen ist die Betonung von westlich-individualistischem Ansatz auch eine Verschleierung der eigentlichen Intention. Die mangelhafte Umsetzung des westlich-indvidualistischem Ansatzes hat die Emanzipationsbewegungen erst notwendig gemacht. Und deren Errungenschaften sollen in einer "konservativen Revolution" (Dobrindt) zurückgebildet werden.
Du musst dich schon inhaltlich auseinandersetzen bevor irgendwas als Luftnummer und chauvinistisch abgekanzelt wird. Aber wenigstens mal mehr als inquisitorische Fragen und willentliche Missinterpretation.
Dein historischer Exkurs bestätigt doch nur die Überwindung tatsächlich struktureller Benachteiligungen, da in Gesetzesform gegossen. Wenn du mir konkrete Beispiele nennen kannst, wo solche Benachteiligungen nach wie vor per Gesetz bestehen, können wir darüber gerne diskutieren. Das muss dann aber auch mal konkretisiert werden und nicht im luftleeren Raum der vermeintlichen Selbstevidenz schweben.
Da bleibt aber oftmals nichts mehr von übrig, wenn man es genauer betrachtet.
Ein aktuelles Beispiel zur fehlgeleiteten Idenitätspolitik ist die Mandatsliste in Brandenburg, bei der jeder zweite Listenplatz einer Frau zugestanden werden soll. Als würden Männer nicht ebenfalls Politik für Frauen machen können. Was wäre das überhaupt? Als ob nicht Frauen als Gruppe schon die unterschiedlichsten Meinungen hätten, siehe Beatrix von Storch und Petra Pau. Wo hören diese Identitäten auf? Was hindert Brandenburg daran, Quoten für Linkshänder, Landbewohner, Unternehmer oder Katholiken festzusetzen? Stattdessen wird eine Identität erschaffen, die im politischen Sinne so gar nicht existiert. Es geht also nicht um die demokratische Aushandlung sondern als vermeintliche Advokaten einer Gruppe politische Interessen durchzusetzen.
Niemand fragt die Schwarzen, ob sie durch BLM vertreten wollen werden und ob sie sich darüber definieren oder ob sie nicht lieber als Professor, staatlicher Angestellter oder Arbeitsloser repräsentiert werden wollen. Diese gutgemeinte Zwangskollektivierung der Identität ist ein ganz alter Abwasch und ich halte es nach wie vor für sehr gefährlich.