Politischer Zoff-Thread oder so

  • Ich jedenfalls bin Kiebitz dankbar für seine Einordnung. Ich kann jetzt meinen persönlichen Anteil am Schuldkult um geschätzt 9% verringern, weil ich weiß, das Transsexuelle im dritten Reich nur ein bißchen schlimm verfolgt wurden. Und eigentlich hatten sie sogar gar nix zu befürchten, wenn sie sich komplett verleugnet haben.

    Man muss aber schon den Kontext der Äußerung bedenken, Transsexuelle haben ihre Situation mit der Verfolgung im NS verglichen. Dem muss man schon entgegen treten, wie auch bei den unsäglichen "Querdenkern". In dem Zusammenhang wurde die Aussage getätigt, dass dieser Vergleich die "wahren" Opfer des NS verharmlost. Das ist für mich so zu lesen, dass Transsexuelle in Deutschland nicht gezielt und massenhaft staatlich verfolgt werden und möglicherweise auch nicht wurden.

    Dann könnten auch Konservative oder Katholiken behaupten, dass sie vom NS verfolgt wurden, was ja auch in Einzelfällen stimmt, aber eben nicht in ihrer Gesamtheit und aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit, wie das offensichtlich auch bei Transsexullen nicht der Fall gewesen ist.

    Führt einfach mal das Gedankenexperiment durch und ersetzt in dem gesamten Zusammenhang Transsexuelle durch Konservative oder Katholiken und dann erzählt mir ob ich völlig falsch liege.

  • Transsexualität ist ein Identitätsmerkmal!

    Katholizismus und Nazi-Ideologie war für viele vereinbar.

    Konservatismus und Nazi-Ideologie auch.


    Niemand wurde für seinen Katholizismus verfolgt, und niemand wurde für seine konservative Grundhaltung verfolgt,

  • Das ist doch weitestgehend was ich gesagt habe.


    Edit: sagst du damit nicht auch gerade, dass Katholiken und Konservative keine "wahren" Opfer des NS waren?

    Einmal editiert, zuletzt von Kiebitz ()

  • Für homosexuelle Menschen gab es sogar eigene rosafarbene Aufnäher der Häftlingsklamotten in den Konzentrationslagern. Natürlich wurden diese Menschen gezielt verfolgt und getötet. Glaubst du wirklich, dass die Nazis groß zwischen sexuellen Neigungen oder Identitäten differenziert haben, die nicht in Ihr Weltbild passten?

  • Selbstverständlich haben die Nazis messerscharf zwischen Transgender und Homosexualität unterschieden. Etwa nicht?


    Etwas präziser:

    Wie Herrn betont, liegen keine „[s]ystematische[n] Untersuchungen über Kontinuitäten im Umgang mit Transvestiten aus der Weimarer Zeit im NaziDeutschland sowie über entsprechende Brüche“ vor. Es habe nach der Machtübernahme 1933 „keine einheitliche Strategie“gegeben, die Transvestiten standen aber „unter Geschlechtswechsel unter der NS‐Herrschaft dem Generalverdacht der Homosexualität" bzw. trugen die Beweislast der Heterosexualität. Insbesondere wurde das Tragen von Frauenkleidern durch Männer von den Nationalsozialisten als klares Indiz für Homosexualität und damit Staatsfeindlichkeit gewertet aber auch Frauen in Männerkleidung standen unter der Annahme der Homosexualität.


    https://sexualityandholocaust.files.wordpress.com/2018/07/transvestiten-ns.pdf


  • Da hast du wohl recht, aber im Zweifelsfall wären sie dann wohl als homosexuell (da steht ja etwas von umgekehrter Beweislast) abgestempelt worden, um sie verschwinden zu lassen. Außer natürlich, sie waren hohe Tiere bei SA, SS oder andere einflussreiche Nazi-Schergen.

  • Hach, Badd Company werden ich vermissen, wenn Twitter stirbt


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  • Identitätspolitik: Plötzlich selbst woke
    Eine prominent besetzte Konferenz fragt, ob die Identitätspolitik unsere Freiheit bedroht – und adaptiert am Ende die vermeintlichen Strategien des politischen…
    www.zeit.de


    Aus dieser Warte erscheint linke Identitätspolitik als sektiererisches Programm einer, so Dieter Nuhr, kleinen wie machtvollen Elite.


    Es erstaunt jedoch schon, dass keinem der Teilnehmer aufzufallen scheint, wie sehr sich diskursive Patina über den Abend legt. Denn diese Grundthese – eine links-intellektualistische Minderheit drangsaliert mit freiheitsfeindlichen Theorien die rechtschaffene Mehrheit – ist natürlich uralt und wurde zuletzt in den Siebzigerjahren von liberalkonservativer Seite starkgemacht. Nur hieß der Gegner da nicht "woke Identitätspolitik", sondern "Kulturbolschewismus".


    So zeigt sich hier zunächst das, was der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher in seinem 2019 erschienenen Buch Geistig-moralische Wende als "Tragik der konservativen Erfahrung" bezeichnet hat. Diese besteht darin, dass der Konservatismus in der rasend schnellen Moderne eigentlich immer dann weiß, was er konservieren will, wenn dies schon in der Auflösung begriffen ist. Oder wie Biebricher schreibt: "Erst in der Konfrontation mit den Kritikern der bestehenden Verhältnisse verdichtet sich das konservative Empfinden zu einer systematischen Gegenkritik, und erst durch diese Bewegung wird aus bloßem Empfinden ein reflektiertes Wissen über das, was konkret zu bewahren gilt."


    Dass solche Boomernullen wie Nuhr überhaupt von "machtvollen Eliten" fabulieren dürfen. Die Formulierung kennt man ja aus der Geschichte. :ja: