Politischer Zoff-Thread oder so

  • Heißt das eigentlich im Umkehrschluss, wenn ich ein Problem mit den Straßenblockaden habe, dass ich automatisch konservativ oder liberal bin?

    Das heißt zunächst mal gar nichts, außer dass Du ein Problem damit hast.

    Und das ist doch völlig ok.


    Ich persönlich finde, dass sich die Aktivisti da schon einige profunde Gedanken um ihre Position gemacht haben.

    Und sehr darauf bedacht sind, niemanden zu verletzen und (wenn ich das richtig sehe) keine irreparable Sachbeschädigung zu begehen. Und das finde ich gut, dafür dass sie versuchen, Aufmerksamkeit zu erregen.


    Ja, das nervt, ja, andere Rechtsgüter können dadurch mittelbar in Gefahr geraten.

    Aber wir reden schon noch davon, dass die auf etwas Gravierendes aufmerksam machen wollen. Sollen die sich etwa Montags Abend irgendwo am Stadtrand treffen und ganz leise ein Plakat hochhalten?

    Es ist gar nicht so einfach, sich nachhaltig und auf legale Weise bemerkbar zu machen.



    Ich will das auch nicht gutreden, aber zu bedenken geben, dass viele andere Menschen - einzeln oder in Gruppen - viel mehr Blödsinn machen und mit wesentlich niedereren Beweggründen einen viel größeren Schaden anrichten, ohne dass sich irgendein Mensch darüber aufregt.

    Und selbstverständliche darf man eine andere Meinung haben, sowohl inhaltlich (obwohl ich gar nicht weiß, wie man die aktuelle Situation anders als massiv protestwürdig bewerten kann), als auch was die Form des Protestes betrifft.


    Warum aber gerade die Damen und Herren von der Letzten Generation dafür so dermaßen aufs Maul bekommen, verstehe ich jedenfalls rational nicht. Wenn Ver.di oder die Kurden demonstrierend durch die Innenstadt ziehen, prügelt da ja auch niemand drauf ein.

    Irgendwie scheinen sich viele Menschen darauf verständigt zu haben, endlich mal wieder einen Sündenbock zu haben, auf den man schön eindreschen kann.


    Umso mehr nehme ich die deshalb gern in Schutz.

  • Danke Hedemann. Die Vehemenz mit der auf die letzte Generation eingeprügelt wird steht in keinem Verhältnis zu ihren Protesten. Jedem Politiker der von Klima-RAF faselt sollte man das Mandat entziehen. Denn das gefährdet den Frieden mehr als jede Kleberei.

  • Man braucht auch gar nicht vom Straßenverkehr wegzuschauen, wenn man die Leute finden will, die mit ihrem Verhalten größeren Schaden anrichten. Dort gibt es bekanntermaßen einen nicht unbeträchtlichen Teil von rücksichtslosen Riesenarschlöchern.


    Aber ist Leon denn tatsächlich gegen die Straßenblockaden oder findet er es nur befremdlich, durch eine Meinung zu einem Thema in eine Ecke gestellt zu werden?

  • Guter Beitrag, auch wenn ich anderer Meinung bin.

    Diese Form des Protests bringt aber leider (!) gar nix. Weder wird deshalb ein 9€ Ticket eingeführt, noch Tempo 100. Den gemeinen Autofahrer holt man sich so auch nicht ins Boot, eher im Gegenteil. Man nervt Menschen und tut den Klimaleugnern und AfD Affen sogar noch einen Gefallen.

    Warum klebt man sich nicht an die Karossen der Regierung? Die Audi A7/BMW7er/S-Klassen schlucken lustig über 20 Liter. Das wären doch die Ansprechpartner.

    Die Glaubwürdigkeit der Kleber kommt bei mir einfach nicht an, es wirkt eher wie Abenteuerurlaub.

  • warum das denn nicht ?

    Bin ihr intellektuell massiv unterlegen und da stehe ich immer doof da.

    Trotzdem könnte man mir ja erklären, was die Klimakleber bis jetzt erreicht haben und wie sie mich mitnehmen wollen. Bin dafür auch offen, nur sehe ich keine Schnittpunkte. Sorry.

  • Hedemann

    Zitat

    Tja, was Herr Fischer übersieht, ist, dass eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (die Aktivisten greifen, soweit ich das sehe, keine anderen Rechtsgüter an, jedenfalls nicht die Blockierer) insofern eine rechtswidrige Nötigung vorsieht, damit es sich um einen notwehrfähigen Angriff handelt. Andernfalls ist das keine Gewalt, so das Bundesverfassungsgericht.


    Geht es bei der Argumentation von Fischer nicht auch darum?


    Zitat


    Das ist bei nicht nur kurzfristigen Blockaden zu bejahen: Die Blockierer zwingen ("nötigen") beliebige Dritte Personen (Autofahrer, Straßenbahnführer) mittels körperlich wirkender Gewalt (unüberwindliche physische Schwelle, ggf. "zweite Reihe"), anzuhalten, und hindern sie an der Fortbewegung.

    https://www.lto.de/recht/meinu…klimaaktivisten-blockade/

  • Zum zweiten Zitat:


    Der individuelle motorisierte Verkehr hindert mich - ganz alltäglich - an meiner sicheren Fortbewegung.


    Ich empfände es als einen qualitativen Fortschritt in der Debatte, wenn sich die Perspektive aus der sehr einseitigen Autofahrer*innen-Perspektive auf die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmer*innen -Perspektive erweitert.

    Denn da - bezogen auf das zweite Zitat - herrscht kein Gleichstand und keine gleichberechtigte Position in der Diskussion.

  • Kann ich verstehen.

    Willst du mit dem Fahrrad auf die Autobahn?


    P.s.: die kurzfristige Blockade ist in dem Zusammenhang wichtig, könnte ich mir vorstellen.

  • Fischer hat schon die Rechtsprechung des BVerfG nicht verstanden, ohne die es die „Zweite-Reihe“-Rechtsprechung des BGH schon gar nicht gäbe (oder hat sie nicht verstehen wollen). Psychische Gewalt ist nämlich keine Gewalt iS des § 240 StGB, sie kann lediglich (aber immerhin) mittelbar zu Zwang führen, indem nämlich die hinter den in erster Reihe wegen der dort sitzenden Aktivisten nicht vorankommenden Autos stehenden Autos blockiert werden.


    Kannste Dir nicht ausdenken: Wenn Du nur einen einzigen Autofahrer blockierst, ist das schon tatbestandlich keine Nötigung. Nur der Zwang gegen die dahinter stehenden, wegen des in erster Reihe haltenden Autos stehenden Fahrzeuge, das ist Nötigung (sog. „Zweite-Reihe“-Rechtsprechung).

    Juristen sind manchmal schon etwas schräg.

    Aber wenn sie einen bestrafen wollen, dann finden sie schon einen Weg. (Vermutlich auch, wenn sie es nicht wollen…)


    Kurzfristige Blockade spielt wohl auch bei der Gesamtbetrachtung betreffend die Verwerflichkeit eine Rolle, aber soweit ich das erahne, gab es da selten längere Blockierungen. Da wurde schnell eine Spur von der Polizei freigeschaufelt, und dann war es das auch schon mit Zwang.


    Was mich bei Fischer genervt hat, ist, dass er das Grundrecht der Versammlungsfreiheit quasi unter den Tisch fallen lässt. So ein Grundrecht macht sich in einer Gesamtbetrachtung oder einer Abwägung nämlich durchaus mal bemerkbar…


    Wegen Verstoßes gegen z. B. StVO ist das Handeln der Aktivisten vermutlich ordnungswidrig, also keineswegs eindeutig legal; aber eben auch nicht mehr.

    Wenn irgendein Dulli bei 180 auf der Autobahn auf sein Handy schaut und dann einen Unfall macht, nach dem sich der Verkehr wegen Vollsperrung stundenlang staut, dann will ich den Richter sehen, der den wegen Nötigung in den Knast steckt. Obwohl die Abwägung miserable Klimapolitik versus WhatsApp Chat im Sinne der Zweck-Mittel-Betrachtung recht klar zu Ungunsten des Autofahrers ausfallen dürfte…

  • Was raucht ihr Juristen da eigentlich genau? Will auch haben!


    EDIT: Ebenfalls Solidarität mit der letzten Generation von mir. Aber Hedemann trifft das besser, als ich könnte.

  • Heißt das eigentlich im Umkehrschluss, wenn ich ein Problem mit den Straßenblockaden habe, dass ich automatisch konservativ oder liberal bin?

    Schau dir mal diese Umfrageergebnisse vom ZDF-Politbarometer an:

    Gehen illegale Klimaschutz-Aktionen wie Blockaden von Hauptverkehrsstraßen zu weit?


    Wenn ich hier im Forum zu diesem Thema lese, habe ich den subjektiven Eindruck, dass die Aktionen der "Letzte Generation" eher mit Wohlwollen betrachtet werden. Genauso habe ich den subjektiven Eindruck, dass hier im Forum "konservativ" und "liberal" negativ konnotiert ist. Daher würde ich in der Tat auf deine Frage antworten: ja. (Zumindest hier in diesem Kreis)


    Meine Erfahrungen außerhalb des Forums sind gegenläufig. Wer ein Problem mit den Straßenblockaden hat, wird nach meiner Wahrnehmung nicht als "konservativ" oder "liberal" wahrgenommen, sondern eher als Vertreter einer Mehrheitsmeinung. Also so, wie es auch die Umfrage des ZDF widerspiegelt.


    Es sind ja mitnichten nur konservativ oder "liberal" denkende Menschen, unverbesserliche Ignoranten oder gar Klimawandelleugner, die ein Problem mit den Aktionen haben:

    Fridays for Future : Kritik an Protesten der "Letzten Generation"


    "Elitärer und selbstgerechter Protest" An der Protestform gibt es massive Kritik - nun auch von "Fridays for Future" und den Grünen.


    Nochmal: Ich habe nur meine Wahrnehmung geschildert. Ich kann auch völlig daneben liegen.

  • Es sind ja mitnichten nur konservativ oder "liberal" denkende Menschen, unverbesserliche Ignoranten oder gar Klimawandelleugner, die ein Problem mit den Aktionen haben:

    Fridays for Future : Kritik an Protesten der "Letzten Generation"


    "Elitärer und selbstgerechter Protest" An der Protestform gibt es massive Kritik - nun auch von "Fridays for Future" und den Grünen.

    Ich kann es natürlich nicht belegen, halte das öffentliche Auftreten der FFFs hier für sehr gut kalkuliert.

    Wie jede große Bewegung, braucht/hat auch die Klimabewegung moderate, aktivere und radikale Flügel. Damit jede/r sich dennoch entsprechend der eigenen Gesinnung andocken kann, ist es ein sehr kluger Schachzug, wenn man sich entsprechend abgrenzt (oder es zumindest so kommuniziert).

  • Die geäußerte und begründete Kritik seitens FFF an den Aktionen der "Letzten Generation" (wohlgemerkt an den Aktionen, nicht an der LG selbst) hältst du also für einen Schachzug. Mag sein bzw. will und kann ich nicht ausschließen. Allerdings neige ich mehr dazu, dass die Kritik doch eher nicht taktisch, sondern ehrlich und aus Überzeug kommt.

  • irgendwann blockieren irgendwo Bäume die Straßen. Immer öfter, immer mehr. Oder Felsen oder Wasser.


    Wer wird da dann verantwortlich gemacht, wenn keiner mehr fahren kann?