Politischer Zoff-Thread oder so

  • Rekordgewinne für Landwirte – in extrem schwierigen Zeiten | agrarheute.com


    "Demnach verzeichnen die Landwirte in Hessen – und wahrscheinlich auch den anderen Bundesländern - im abgelaufenen Wirtschaftsjahr „ein absolutes und bisher nie dagewesenes Spitzenergebnis mit einer nochmaligen erheblichen Gewinnsteigerung über alle Haupterwerbsbetriebe von fast 80 %", heißt es in der Untersuchung des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.


    Für Landwirte war das Wirtschaftsjahr 2022/23 ein Ausnahmejahr. In allen Betriebsformen wurden Spitzengewinne erzielt.

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    :grübel: :verwirrt:

  • Das ist in der Tat endlich mal ein gutes Ergebnis. War nach vielen Jahren, in denen der Gewinn im Durchschnitt nicht ausreichend hoch war, überfällig.


    Ein bisschen zur Einordnung, was Gewinn bei einem landwirtschaftlichen Betrieb bedeutet. Auf einem klassischen Familienbetrieb arbeiten mindestens zwei Familienmitglieder unentlohnt mit. Dies bedeutet, dass beide vom Gewinn entlohnt werden müssen. Bei Vollzeit-Familien AK reden wir hier oftmals über 2.400 h im Jahr oder mehr.


    Neben den aktuellen Arbeitskräften wird durch den Gewinn auch die Großelterngeneration unterstützt. Das Rentensystem in der Landwirtschaft wirft nach 40 Beitragsjahren in etwa 700-800 € pro Monat ab (Bei meinem Vater sind es bei fast 50 Jahren in etwa 900 € pro Monat Altersgeld). Die nachfolgende Generation übernimmt den Betrieb. In Niedersachsen durch die Höfeordnung geregelt und bezahlt den Alternteiler dafür ein monatliches Geld in Höhe von 1.000 bis 1.500 € plus die Gewährung von lebenslangen Wohnrecht und Pflege im Bedarfsfall. Hier sind es also noch einmal 12.000 bis 18.000 € pro Jahr.


    Für Krankenversicherung und Rentenversicherung gehen in der Landwirtschaft ca. 10-15.000 € für ein Paar drauf.


    Hinzu kommen Tilgungen und alle Investitionen in die Zukunft, die ebenfalls vom Gewinn geleistet werden müssen.


    Wenn ich von den 150.000 nun die Einkommenssteuer, die Kranken- und Rentenversicherung sowie den Altenteil (hier als Beispiel 15.000 €) abrechne verbleiben 75.000 €. Bei 2 Voll-AK sind das bei 2.400 h ein Stundenlohn in Höhe von 15,62 €. Dabei sind hier noch nicht einmal die Zukunftsinvestitionen oder Tilgungen berücksichtigt.


    Und das ganze in einem ausgesprochenem guten Jahr.

  • Auf einem klassischen Familienbetrieb arbeiten mindestens zwei Familienmitglieder unentlohnt mit.

    Nur gibt es diese klassischen Familienbetriebe ja immer weniger und ist nicht mehr der Normalfall. Die Zahlen vom Bauernverband ergeben zumindest ein deutlich anderes Bild.


    Aber ich würde für meine Darlegung auch immer ein sehr für mich günstiges Beispiel nehmen.


    Apropos: Ich finde auch, dass mein Gewinn im Durchschnitt die letzten Jahre nicht hoch genug war :(

  • Falls jemanden langweilig ist, kann er sich mal einen Landwirt in seinem Ort oder Gemeinde raussuchen und gucken, was er für 2022 an Förderung bekommen hat von der EU.


    Zahlungen aus den EU-Fonds für Landwirtschaft und Fischerei - Suche EU-Agrarfonds


    Habe es mal eben gemacht und da waren es über 80 T€ für einen Landwirt bei uns. Die Frage ist dann, ist das gut oder schlecht das System für uns alle und sind diese Summen in den Gewinnrechnungen denn enthalten?


    Und dann wird wegen des Agradiesel auf die Straße gegangen und „randaliert“ von manchem. Was macht der Wegfall denn aus auf einem Hof?

  • Ich hatte vorhin einen LinkedIn Post gelesen und gerade nochmal rausgesucht (Sascha Pallenberg auf LinkedIn) ich fasse das mal kurz zusammen:


    - Die Hälfte der Fläche von Deutschland wird durch Landwirtschaft erzeugt

    - Die Landwirtschaft erwirtschaftet weniger als 1% unseres BIPs

    - Nur 2% der Arbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft

    - Landwirtschaft erzeugt 7% der CO2 Emissionen

    - 70% der europäischen landwirtschaftlichen Fläche wird für Tierfutter genutzt

    - 40% des EU-Haushalts geht in die Subventionierung der Branche


    Unabhängig von der aktuellen Diskussion die Branche braucht eine krasse Veränderung. Und das nicht nur (aber natürlich auch) unter den Aspekten des Klimaschutzes...

  • Thema Polenz, das wäre eine gute Strategie auch die CDU in den Abgrund zu schießen. Seine Twitter-Beiträge bestehen einzig und allein daraus gegen die eigenen Leute zu schießen, nichts an seinen Überzeugungen ist konservativ. Er ist eher der Posterboy von linken Politikern, die sich einen Konservativen vorstellen.


    Derzeit ist Polenz sehr zum Thema „WerteUnion“ unterwegs. Zählt das auch zu „gegen die eigenen Leute zu schiessen“ dazu. Er legt sich in der Einschätzung zur WerteUnion klar fest: „Die Werte Union ist nur der Steigbügelhalter der AfD“ Teilst du diese Einschätzung?

    Ansonsten ist er ganz klar für die Brandmauer zur AfD. Das Thema treibt ihn als langjährigen CDUler um. Dich auch?

    Losgelöst von deiner Haltung zur Sinnhaftigkeit der Brandmauer interessiert mich deine Einschätzung. Wie lange hält die Brandmauer noch?

  • Bezogen auf den Post von Juk96:


    Was bedeutet nicht normal? Oder was ist ein Familienbetrieb für dich?


    Für mich ist ein Familienbetrieb ein Betrieb, der in Familienbesitz ist und auf denen natürlich auch Familienfremde Arbeitskräfte arbeiten können. Im Handwerk reden wir auch von Familienbetrieben wenn dort bis zu 10 Angestellte arbeiten.


    kleine Betriebe, auf denen nur Familienmitglieder arbeiten gibt es leider immer weniger. Gerade diese Betriebsstruktur wird immer weiter zurückgedrängt. Vor allem, da es sich wirtschaftlich nicht rechnet. Besonders zu sehen ist das an Betrieben in der Veredelung (z.B. mit Sauen). Dort haben in den letzten Jahren bis zu 10 % der Betriebe pro Jahr aufgehört.

  • Die Landwirtschaft erzeugt weniger als 1 % des BIPs. Wenn die vor- und nachgelagerten Bereiche eingerechnet werden, die direkt im Zusammenhang stehen (wie z.B. Futtermühlen, Molkereien, Schlachthöfe) ist der Wert nicht mehr unerheblich. In Niedersachsen ist dieser Wirtschaftszweig nach der Automobilindustrie der zweitgrößte.


    Edit: Die Zeiten in denen 40 % vom EU-Haushalt für die Landwirtschaft drauf gehen sind leider vorbei. Der Anteil am aktuellen Haushalt beträgt 20-25 % für den Bereich Agrarpolitik

  • Die vor- und nachgelagerten Bereiche sollten dann aber auch bei der Gewinn- und Einkommensverteilung mit berücksichtigt werden. Das sind bestimmt nicht alles die beschriebenen idealtypischen Familienbetriebe.

  • Inwiefern spielt es eine Rolle für den landwirtschaftlichen Betrieb bzw. inwiefern sollte das mit berücksichtigt werden?


    Das bspw. ein Tönnies eine viel zu starke Stellung in der Kette einnimmt finde ich auch nicht gut. Aber was hat das mit dem Gewinn des landwirtschaftlichen Betriebes zu tun?

  • Du hast die doch ins Spiel gebracht, als du die Zahlen vom Feuerraben kommentiert hast. Cherrypicking hilft aber nicht weiter.

  • Ja habe ich, um zu verdeutlichen, dass es nicht nur 1% vom BIP und somit unwichtig ist. Das habe ich da zumindest rausgelesen. So unwichtig ist der Bereich dann doch nicht. Nicht mehr aber auch nicht weniger.


    Das ein Tönnies Millionen verdient bestreite ich ja gar nicht. Ändert am Einkommen eines Betriebes in der Landwirtschaft aber nichts. Die hören trotzdem auf, weil es sich nicht lohnt.


    Ich verstehe deinen Post wirklich nicht. Bitte klär mich auf, wie du es dir vorstellst.

  • Thema Polenz, das wäre eine gute Strategie auch die CDU in den Abgrund zu schießen. Seine Twitter-Beiträge bestehen einzig und allein daraus gegen die eigenen Leute zu schießen, nichts an seinen Überzeugungen ist konservativ. Er ist eher der Posterboy von linken Politikern, die sich einen Konservativen vorstellen.


    Derzeit ist Polenz sehr zum Thema „WerteUnion“ unterwegs. Zählt das auch zu „gegen die eigenen Leute zu schiessen“ dazu. Er legt sich in der Einschätzung zur WerteUnion klar fest: „Die Werte Union ist nur der Steigbügelhalter der AfD“ Teilst du diese Einschätzung?

    Ansonsten ist er ganz klar für die Brandmauer zur AfD. Das Thema treibt ihn als langjährigen CDUler um. Dich auch?

    Losgelöst von deiner Haltung zur Sinnhaftigkeit der Brandmauer interessiert mich deine Einschätzung. Wie lange hält die Brandmauer noch?

    Zugegeben, ich habe seit einiger Zeit nichts mehr von ihm gelesen, aber bis vor 1-2 Monaten war es meist Kritik in die eigenen Reihen.

    Ziel der WerteUnion dürfte es sein das Feld der Nichtwähler zu bedienen, die keine Union mehr wählen und die AfD nicht wählen möchten, ich weiß nicht wie groß dieses Potential ist.

    Eine erfolgreiche WU kann ein Mehrheitsbeschaffer für bürgerliche Mehrheiten sein, die mit der AfD einfach nicht zu erreichen sind, siehe vorherige Beiträge. Sobald die WU als eine Machtoption wahrgenommen wird, kann das Projekt Erfolg haben und auch die AfD schwächen.

    Es kann aber auch das eintreten, was mit der AfD seit 2013-2016 passiert ist, genauso kann das Projekt ganz schnell wieder in der Versenkung verschwinden, was vielleicht sogar wahrscheinlicher ist, angesichts der derzeitigen Erfolge der AfD.


    Also aus der Kommunalpolitik hört man zunehmend ja Kritik an der Brandmauer. Ich würde es generell für extrem tragisch halten, dass man einer immer weiter radikalisierten AfD zugestehen würde, was man einer damals noch liberal-konservativen AfD niemals zugestehen wollte. Das wäre schon eine bittere Ironie.

    Minderheitsregierungen unter Tolerierung der AfD halte ich in den neuen Bundesländern für nicht unrealistisch. Im Bund kommt es ganz auf die SPD an, sie könnte sich durch eine gescheiterte Vertrauensfrage in die große Koalition mit der Union retten. Der linke Parteiflügel würde dadurch extrem gestutzt, aber wenn man sich staatstragend geben möchte und die Brandmauer stützen will, dann sollte man das ernsthaft in Erwägung ziehen.

  • Und dann wird wegen des Agradiesel auf die Straße gegangen und „randaliert“ von manchem. Was macht der Wegfall denn aus auf einem Hof?

    Habe mal einen Schulfreund gefragt. Seine Frau hat einen Milchviehbetrieb auf dem er (neben seinem Vollzeitjob) mitarbeitet. Dazu ein/e Auszubildende und die Schwiegereltern. Ist wohl der klassische Familienbetrieb, den Mclusky meinte. Er sagt, nur die Agrardiesel-Subvention macht für ihren Betrieb 6500€ aus. Sie betreiben konventionelle Landwirtschaft, haben mit anderen Betrieben gemeinsam eine Molkerei gegründet und vertreiben ihre Molkereiprodukte in Eigenregie regional. Er sagt das zu versteuernde Einkommen seiner Ehefrau als Betriebsleiterin liegt im Schnitt bei 35000 Euro. Ich kann das nicht prüfen, offensichtlich trennen sie auch nach Betriebseinkommen und "eigenem" Einkommen. Aber nun gut. Du wolltest ja mal ein paar Zahlen haben.


    Meine Meinung zu dem Thema wäre, für faire Erzeugerpreise zu sorgen. Ich kenne aber auch Schweinebauern, die ihre Milch von Aldi-Eigenmarke kaufen und Milchbauern, die ihr Hack für 0,99€/100g abgepackt kaufen. Soviel dazu...

  • Die Landwirtschaft erzeugt weniger als 1 % des BIPs. Wenn die vor- und nachgelagerten Bereiche eingerechnet werden, die direkt im Zusammenhang stehen (wie z.B. Futtermühlen, Molkereien, Schlachthöfe) ist der Wert nicht mehr unerheblich. In Niedersachsen ist dieser Wirtschaftszweig nach der Automobilindustrie der zweitgrößte.


    Edit: Die Zeiten in denen 40 % vom EU-Haushalt für die Landwirtschaft drauf gehen sind leider vorbei. Der Anteil am aktuellen Haushalt beträgt 20-25 % für den Bereich Agrarpolitik

    Das ist dann halt ne komplett andere Aussage, damit wird die obige von mir ja nicht nichtig.


    Die 20-25% erscheinen mir zwar immer noch viel zu viel für die Branche, aber beinhaltet deine Zahl wirklich 1. und 2. Säule des GAPs sowie die Direktzahlungen?

    Am Ende ändert deine Aussage rein gar nichts, aber wirklich gar nichts, daran, dass wir hier eine Branche haben die unwirtschaftlich arbeitet und nicht marktfähig ist. Diese Branche muss sich verändern.


    Edit: Zum Thema kleine Betriebe und so. Die 50% der Fläche von Deutschland die für die Landwirtschaft genutzt werden, verteilen sich auch extrem Ungleich. 2/3 der Fläche werden von nur 14% der Betrieben genutzt. Der kleine Familienbetrieb ist leider nur noch die Ausnahme der Regel

  • Vorweg: Die Branche muss sich ändern. Da stimme ich voll zu. Nur über das Wie können wir gerne diskutieren. Ein einfaches zusammenstreichen von Subventionen und Unterstützungen bringt hier nichts. Die Stellung des Betriebes muss deutlich verbessert werden, damit er in der Kette gegen die "Großen" nicht untergeht.


    Direktzahlungen und 1. Säule sind das gleiche bzw. werden die Direktzahlungen aus der 1. Säule bezogen. Das ist für mich die direkte Subvention, wenn wir darüber sprechen wollen.


    Bei der 2. Säule muss man das Ganze etwas differenzierter sehen. Hier fallen Agrarumweltmaßnahmen, die Förderung der ländlichen Entwicklung, Ausbau ökologischer Landbau etc. darunter. Das sind alles Zusatzleistungen, die ein Landwirt beantragen kann. Er muss hierfür aber eine Gegenleistung erbringen. Das bedeutet, dass hier auch von Betrieben Geld eingesetzt werden muss (z.B. Umbau der Ställe, damit ökologische Tierhaltung möglich wird). Es ist für mich daher keine Subvention, sondern eher etwas wie eine Auftragsarbeit mit der gewünschte Ziele erreicht werden sollen.



    Zum Edit von thefireraven: Ja, es gibt sehr große Betriebe. Vor allen in den neuen Bundesländern gibt es Betriebe mit mehr als 2.000 ha. Dies hat aber auch zu großen Teilen mit den Strukturen zu tun, die es schon damals in der DDR gab. kleine bäuerliche Betriebe gibt es dort fast gar nicht. Ein Freund von mir bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb im LK Uelzen. Ca. 500 ha in Bewirtschaftung mit Kartoffeln, Zwiebeln, Getreide, Mais etc. Das macht er mit insgesamt 5 Arbeitskräften (3 angestellte, Azubi und er). Das ist für mich weiterhin ein Familienbetrieb.

  • Natürlich ist die 2. Säule eine Subvention. Das man für diese Subvention eine Maßnahme durchführen muss ist doch das normalste der Welt, es wäre ja absurd, wenn das Geld einfach so auf dem Konto landen würde.

    Am Ende ist es hier aber vor allem wichtig um die Vergleichbarkeit von deinen 25 zu meinen 40% zu wahren.

  • Bei 2 Voll-AK sind das bei 2.400 h ein Stundenlohn in Höhe von 15,62 €.

    Wobei wir, da du ja schon sämtliche Vorsorge-, Sozial- und Steuerabgaben abgezogen hast, ziemlich genau das Durchschnittsnettoeinkommen eines Vollzeitbeschäftigten treffen.