Politischer Zoff-Thread oder so

  • Tja, Entschuldigung. Ich habe es in der Tat sehr verkürzt und damit zumindest mißverständlich beschrieben. Eigentlich habe ich folgende zwei Punkte.


    Mir greift es zu kurz, wenn jetzt gesagt wird: Die Marktwirtschaft hat versagt; wir brauchen jetzt mehr Staats- oder Planwirtschaft. Ich bin davon überzeugt, dass die beste Lösung darin besteht, dass der Staat ein Rahmenwerk setzt und dessen Einhaltung kontrolliert, damit marktwirtschaftlicher Wettbewerb stattfindet. Das könnte bei Banken zum Beispiel ein Trennen in Investment- und Geschäftsbanken, verbunden mit einer Größenkontrolle - letzteres sogar für viele Branchen - sein. Außerdem ein deutlich stärkeres Beachten und Durchsetzen von Konsumentensouveräntit durch besseren Schutz der Verbraucherinteressen. Und vor allem eine wirksame Kartellkontrolle. Mit Energieunternehmen meinte ich vor allem die Ölkonzerne. Man möge sich mal ansehen, welche abartig hohen Gewinne dort erzielt werden. Quartal für Quartal. Und zwar nicht von einigen, sondern von allen Unternehmen in dem Sektor. Was der marktwirtschaftlichen Theorie widerspricht, nachdem ein Innovator, der ein neues Produkt erfindet oder einen (Produktions-)Prozess dramatisch verbessert, für diese Innovation zunächst sehr hohe Gewinne realisieren kann. Dies aber Konkurrenten anlockt, die ihn imitieren und so im Laufe der Zeit die hohe Rerndite wegkonkurrieren. Ich sehe also die Aufgabe des Staates darin, das Funktionieren der Märkte sicherzustellen. Wobei die spätestens mit Zusammenbruch des Ostblocks eingetretene Globalisierung insofern ein Problem ist, als dass es den ganz großen Konzernen gelungen ist, sich teilweise von nationalen Regulierungen unabhängig zu machen - vor allem indem die Staaten gegeneinander ausgespielt werden. Auf der anderen Seite mag es tatsächlich Branchen geben, wo ein echter Wettbewerb kaum erreicht werden kann. Als Kandidaten dafür sehe ich vor allem diejenigen Branchen an, wo die Leistung an ein aufwendiges Netz gebunden ist (Gas, Wasser, Elektrizität, Bahn), was die Zahl der Anbieter von vorneherein stark (im Zweifelsfall auf einen) einschränkt. Dort mag es sinnvoll sein, dass der Staat die Leistungen in eigener Regie anbietet. Was ich aber in der aktuellen Euro-, Banken und Finanzkrise abwegig finde, ist die Vorstellung, der Staat könnte politisch gewünschte Ergebnisse gegen den Markt durchsetzen. Das ist nicht nur finanziell Wahnsinn und kann - aufgrund der bestehenden Verteilung von Vermögen und Schulden und damit der verfügbaren Mittel - niemals erfolgreich sein. Es ist darüber hinaus ordnungspolitisch und motivationstheoretisch falsch. Griechenland muss jetzt pleite gehen. Einerseits damit andere Staaten mit unsoliderer Haushaltspolitik wissen, dass ihnen dieses Schicksal ebenfalls droht und andererseits damit Anleger. welche die exorbitant hohen Zinsen einstreichen, wissen, dass ihnen - wie bei allen riskanten Anlagen - ein Verlust der von ihnen angelegten Mittel droht.


    Es gibt aber noch eine andere Dimension von Staatseinfluss. Diese ist wahrscheinlich kaum darzustellen in wenigen Zeilen hier. Ich weiß nicht, ob Jemand den Entwurf für die Vereinbarung von Kopenhagen 2009 gelesen hat. Oder was das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung so veröffentlicht. Die haben bei uns vor einigen Wochen einen Vortrag gehalten und ein Stategiepapier verteilt. Wenn man diese beiden Quellen liest, rollen sich Einem - jedenfalls mir - die Fussnägel hoch. Versteckt hinter der Behauptung die Erde zu retten, wird dort offen ein komplettes Umdrehen der Beziehung zwischen Staat und Bevölkerung gefordert. Mein Verständnis von Demokratie ist, dass der Staat ein Instrument zur Durchsetzung der Interessen der Bevölkerung sein sollte. Er letzten Endes also nur eine Repräsentanz der Bevölkerung ist; Nichts wirklich Eigenständiges. In den neuen Überlegungen wird der Staat hingegen als etwas Eigenständiges definiert, wo - angeblich wissenschaftlich rationell abgeleitet - Ziele vorgegeben werden sollen, denen sich der Einzelne zu unterwerfen hat. Im Prinzip besteht die einzige Funktion des Einzelnen dann darin, dem Staat zu dienen - wenn der Staat denn überhaupt eine Aufgabe hat, die man erfüllen soll. Das ist genau die scientific dictatorship, die Bertrand Russell und die Huxleys bereits vor Jahrzehnten beschrieben haben. Vielleicht mit dem Unterschied, dass dort tatsächlich wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde lagen; heute die Begründungen wie Kampf gegen Terror und Klimakatastrophe nur vorgeschoben (oder sogar nur erfunden) zu sein scheinen. Das klingt zugegebermaßen verschwörungstheoretisch. Aber wann man versucht, die politischen Entscheidungen und Entwicklungen (zumindest) des letzten Jahrzehnts in einen Gesamtzusammenhang zu bringen, der Sinn macht, ist das m.E. die beste Erklärung. Die westlichen Industriegesellschaften mit hohem Ressourcenverbrauch, aber auch mit funktionierender Demokratie und breiten wohlhabenden Bevölkerungsschichten werden bewusst gegen die Wand gefahren. Dazu mal eine Quelle - Maurice Strong, der Gründer des UN-Umweltprogramms bei seiner Eröffnungsrede für den ersten Umweltgipfel (in Rio): What if a small group of world leaders were to conclude that the principal risk to the Earth comes from the actions of the rich countries? And if the world is to survive, those rich countries would have to sign an agreement reducing their impact on the environment. Will they do it? The group's conclusion is 'no'. The rich countries won't do it. They won't change. So, in order to save the planet, the group decides: Isn't the only hope for the planet that the industrialized civilizations collapse? Isn't it our responsibility to bring that about? Wobei man dann noch die Frage stellen müsste, wer die "small group of world leaders" sind, die ja offensichtlich nicht die (Führer der) reichen Länder sind. Bei der aktuell bestehenden Forderung nach "global gouverance" geht es m.E. letztlich um ein hostile private corporate takeover.

    Einmal editiert, zuletzt von Giftzwerg ()

  • Bei der aktuell bestehenden Forderung nach "global gouverance" geht es m.E. letztlich um ein hostile private corporate takeover.



    Ich fang mal mit dem letzten Satz an:


    Die Lösung dieses Problems kann doch nicht sein, dass der Staat entmachtet wird. Das lässt sich eben nur durch einen starken Staat lösen, der auch starker demokratischer Kontrolle unterworfen ist.


    Ich gebe Dir insofern recht, dass eine Umkehr das Verhältnisses Staat/Bürger nicht wünschenswert ist. Zumal das ja im Zusammenspiel mit dem oben von Dir beschriebenen Effekt den Bürger nicht nur zum "Diener" des Staates, sondern zum Objekt von Wirtschaftsinteressen macht. Das kann ja nicht sein.


    Eine Verwissenschaftlichung von Politik ist trotzdem wünschenswert und zwar in der Frage, wie demokratisch entstandene Ziele am besten erreicht werden können. Wenn die gewählten Volksvertreter oder die Bürger selbst beschließen, dass z.B. der Atomausstieg bis zum Jahr x unter Berücksichtigung von weiterhin möglichst günstiger Stromerzeugung das Ziel ist (nur so als Beispiel), dann ist es durchaus legitim, dass Wissenschaft Möglichkeiten aufzeigt, wie dieses Ziel möglichst gut erreicht werden kann.


    Natürlich ist dieses Verfahren schwierig umzusetzen, da es zum einen immer Zielkonflikte geben wird und zum anderen die jeweiligen Interessengruppen immer versuchen werden Wisschenschaft zu instrumentalisieren (INSM und DGB werden z.B. zur Frage der Konsequenzen des Mindestlohns ganz verschiedene Studien auftreiben können). Das kann ja aber nicht dazu führen, dass einer Rationalisierung politischer Konflikte abgelehnt wird. Dann überlässt man den Interessenverbänden nämlich gleich komplett das Feld.


    Wie gesagt, damit sowas funktioniert benötigt man Parlamentsvertreter die Rationalität in der Sache evtl. auch über den eigenen Machterhalt stellen und vor allem gute politische Bildung für die Bürgen, damit sie in komplizierten Sachfragen überblicken können, wer das Blaue vom Himmel herunter erzählt und wer konstruktiv auf Problemlösungen hinarbeitet.

  • Es hätte auch gut in den "Witze andere und lustige Sachen"-Thread gepasst, aber hier ist es besser aufgehoben. Die direkte Sprache von Larry Hagman ("Dallas") ist umwerfend, wenn er die gesellschaftlichen Probleme seines Heimatlandes anspricht:


    http://www.zeit.de/2011/45/Larry-Hagman/seite-1


    Die beste Stelle ist eigentlich die, an der er Sarah Palin nahelegt, ihre private Krankenversicherung zu kündigen. Nach dem Motto: Wenn's nach ihr ginge, bräuchte doch kein Mensch Krankenversicherung. Die Charakterisierung von Bush jun. und seine Meinung zu den Banken ist aber auch nicht übel.

  • ???


    Ich formuliere hier ja nur Zielvorstellungen. Demokratie kann nur funktionieren, wenn das Volk mit dem System zufrieden ist. Also entweder einlullen oder kritische Öffentlichkeit. Die Schwierigkeit letztere zu schaffen, bringt mich nicht dazu erstere zu akzeptieren.


    edit: im Übrigen war der Ausgangspunkt für meinen Beitrag die These von Giftzwerg, dass Verwissenschaftlichung zu Entdemokratisierung beiträgt und ich wollte aufzeigen, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Dass das nicht/schwer umsetzbar ist, ändert ja daran nix.

    Einmal editiert, zuletzt von BigRumbo ()

  • Die direkte Sprache von Larry Hagman ("Dallas") ist umwerfend, wenn er die gesellschaftlichen Probleme seines Heimatlandes anspricht:

    "...Mein Traum wäre es, dass mein Körper in einem Häcksler zerkleinert und über ein Marihuanafeld gestreut wird. An meinem Geburtstag würden meine Freunde zusammenkommen und aus den Pflanzen einen großen Haschkuchen backen. Dann hätten alle ein bisschen Larry in sich und würden drei Tage lang tanzen...."


    sehr schön! ;)

  • Also das Interview von Larry Hagman ist ja nicht zu übertreffen!!!


    Vor allem seine Aussage über George Bush junior:


    Zitat

    Hagman: Nach seiner Wahl zum Präsidenten wirkte er wie ein texanischer Ochse, den man versehentlich zum Mond geschossen hat. Er ist nie über diesen Schock hinweggekommen.


    In meinen Augen kann man das nicht treffender Formulieren ;)

  • Ich dachte locke will andeuten, dass Rick Perry die Rolle "texanischer Ochse" noch besser verkörpern könne. Ich wollte hinzufügen, dass er das zumindest als Präsident bestimmt nicht tun wird.

  • Ich wollte natürlich sagen, dass der nächste Texaner im weißen Haus eben kein Ochse ist. Mit diesem Vorurteil würde dann ordentlich aufgeräumt.


    Sollte der Kommunist Obama aus dem Amte gejagt und Perry gewählt werden, werden sich die USA wirklich in ein freies und liberales Land verwandeln, in dem Minderheiten geachtet werden, Religionsfreiheit herrscht, soziale Gerechtigkeit hergestellt und natürlich endlich die Todesstrafe abgeschafft wird. Ach ja, der Waffenbesitz wird sicherlich auch eingeschränkt werden, denn über allem wacht ja der liebe Gott. Der kann ja auch Waldbrände beenden.

  • Der hat bestimmt im Stadion zu viel Rauch eingeatmet.
    Da kann es schon mal zu Nebenwirkungen kommen.


    ( Gehe jetzt lieber arbeiten nicht das ich noch als Stalker gelte ) :lookaround: