HAZ: Blick auf die Tabelle ist verboten

  • Blick auf die Tabelle ist verboten


    Hannover 96 ist nach dem 0:3 in Bremen Schlusslicht.


    Von Heiko Rehberg
    Bremen. Ein kurzer Blick mit der Lesebrille auf die Tabelle, und Ewald Lienen wusste, was zu tun ist. „Wir dürfen uns jetzt keine negativen Gedanken machen“, sagte der Trainer von Hannover 96 nach der 0:3-Niederlage im Fußball-Bundesligaspiel bei Werder Bremen. „Wir müssen die Tabelle und den Punktestand beiseite schieben.“
    Vielleicht ist es auch als 96-Fan derzeit das Beste, was man tun kann: Die Tabelle einfach ignorieren, denn ihr Studium macht wenig Freude. Aber noch ergibt sie Gott sei Dank kein scharfes Bild. Die „Roten“ sind zwar Schlusslicht (negativer Gedanke), aber sie haben noch das Nachholspiel gegen Arminia Bielefeld am 28. September und damit die Möglichkeit (positiver Gedanke), aus zwei Pünktchen fünf Punkte zu machen. Dann würde alles etwas freundlicher aussehen.
    „Das Spiel ist schwer zu bewerten“, sagte Lienen nach dem 0:3 beim Meister und begründete das mit dem frühen Platzverweis für Verteidiger Dariusz Zuraw (19. Minute). Tatsächlich gilt das nach wie vor für die gesamte Mannschaft und Lienens Arbeit: Auch das ist beides schwer zu bewerten, denn Hannover 96 bietet viel Widersprüchliches an.
    In Bremen hatte die Elf direkt nach der Roten Karte in Unterzahl und Rückstand ihre besten Szenen, als sie mit Wut im Bauch nach vorne spielte und „drei tausendprozentige“ (Lienen) Torchancen hatte. Einmal köpfte Leandro an die Unterkante der Latte (29.), ein anderes Mal scheiterte der Brasilianer freistehend an Bremens Torwart Andreas Reinke (36.), das dritte Mal spitzelte ihm Valerien Ismael im letzten Augenblick den Ball weg (23.). In dieser Phase zeigte Hannover 96 das, was auch schon bei Bayer Leverkusen (1:2) und eine Halbzeit lang gegen den SC Freiburg (2:2) zu sehen war: ein ordentliches Offensivspiel. Aber das ist leider nur die eine Seite der 96-Medaille.
    Die ersten 20 Minuten war das hannoversche Spiel unansehnlich, weil anscheinend gar nicht vorgesehen schien, dass man selbst einmal die Initiative ergreifen könnte. „In der 2. Halbzeit wollten wir dann erst einmal das Ergebnis verwalten und am Ende unsere Chancen suchen“, sagte Abwehrspieler Per Mertesacker. 96 schien auf das Glück der späten Stunde zu hoffen, wie es in Dortmund mit dem 1:1 in der Nachspielzeit geklappt hatte. Doch letztlich gilt auch im Fußball, dass man die Dinge möglichst nicht auf die lange Bank schieben sollte. Und dass man sich Glück erarbeiten muss.
    Auch in Bremen stand es nach Ismaels Elfmetertor 0:1, aber die 96-Profis spielten von der 46. Minute an, als hätten sie entweder noch drei Stunden Zeit oder besäßen die Garantie für einen Treffer. Den Bremern, die vorher in der Abwehr wenig souverän gewirkten hatten, kam das entgegen. Ruhig warteten sie ab, bis 96 wieder Fehler machte: Vor dem 2:0 von Johan Micoud stand Michael Tarnat falsch (78.), vor dem 3:0 (88.) von Miroslav Klose unterlief dieses Missgeschick dem sonst guten Christoph Dabrowski. Was hätte Schlimmeres passieren können, wenn die „Roten“ vorher mutiger gewesen wären?
    Drei Auswärtsspiele, nicht ein Sieg: Hält dieser Trend im DFB-Pokalwettbewerb an, dann droht am Mittwoch bei Energie Cottbus Unheil. Doch da wusste Ewald Lienen ebenfalls Rat: „Das ist kein Auswärtsspiel, sondern ein Pokalspiel“, sagte er. Etwas von diesem Einfallsreichtum würde auch der Mannschaft gut tun.