Schiedsrichterleistung (bei 96-Spiel)

  • Kai: Es ist schon klar, dass es nicht einfach ist, egal wie es mit den Entscheidungen weitergeht. Ich formuliere mal deutlicher: Es könnte doch viel einfacher sein! Und da bin ich mir sicher. Regeln wurden auch in der Vergangenheit aus gegebenen Anlässen immer wieder geändert, verfeiert, spezifiziert. Aber wie im wirklichen Leben bedeutet das nicht automatisch mehr Gerechtigkeit, mehr Klarheit und mehr Vereinfachung. Vielleicht ist der Fußball hier an einem Punkt, wo es vielleicht mal einer Grundsatzdiskussion bedarf. Wo und wie will man mehr Gerechtigkeit erreichen? Wollen wir eine Abseitsregel konsequent durchziehen, in gar nicht so ferner Zukunft vielleicht mit allen technischen Hilfsmitteln? Oder halten wir es da eher mit Toleranzen wie bei Verstößen im Straßenverkehr (Rote Ampel, Geschwindigkeitüberschreitung etc.).
    Zurück zum Fußball, stelle ich mir schon die Frage, warum wir letzte Saison eine s.g. Einführungs- bzw. Testphase hatten, wenn man aus den offenkundigen Kritikpunkten nichts gelernt hat?
    Ich hatte es schon einmal erwähnt, dass ich es bemerkenswert finde, wie häufig die Kölner eingreifen, was ja gleichzeitig ein Eingeständnis einer Fehlentscheidung auf dem Platz bedeutet. Wenn man sich dann aber die Zeit vor dem Videobeweis ins Gedächtnis ruft und die anschließenden Selbstbewertungen der Schiedsrichter, dann ist hier ein krasses Mißverhältis zu beobachten. Da gab es vielleicht in der ganzen Saison 15 - 20 Entscheidungen, die von den Schiedsrichtern als Fehlentscheidung eingeräumt wurden. Heute hat man an einigen Spieltagen ja schon diesen Wert fast erreicht.
    Ich denke es würde vieles erleichtern, wenn man sich
    a. langsam an das neue Hilfsmittel herantastet und sich deutlich zurückhaltender einmischt (und dann kann auch gleich ohne Rücksprache und Blick auf den Bildschirm am Spielfeld entschieden werden) und
    b. Themenbereiche wie Abseits gleich ausklammert und dem Feldassistenten überläßt und
    c. Regeln wie Handspiel klarer formuliert und auch kommuniziert (Es gibt hier ja immer wieder selbst bei Fußballern, Trainern, Managern unterscheidliche Sichtweisen ob das Thema "Absicht" überhaupt ein Rolle spielt oder gibt es den Begriff der "Vergrößerung der Körperfläche" überhaupt? etc.)


    Muß alles nicht sein, könnte also sooo einfach sein :)

  • Absicht ist der einzige Maßstab. Nun kann man Menschen aber nicht hinter die Stirn gucken. Ob jemand etwas mit Absicht tut, weiß nur derjenige selbst - und der ist zugleich keine besonderes zuverlässige Quelle, weil er ja bestraft werden soll. Man braucht daher objektive Kriterien, anhand derer man jemandem subjektive Absicht unterstellt.


    Nein, das sehe ich wirklich vollkommen anders. Wenn man versucht, etwas Subjektives in objektive Kriterien zu übersetzen, ist das Problem, das wir jetzt haben, vorprogrammiert, dieser Versuch ist für mich die Ursache des Problems. Denn genau dabei ist ja diese unsägliche Formulierung von der Vergrößerung der Körperfläche entstanden. Solch eine Vergrößerung ist der Arm eines in Bewegung befindlichen Sportlers nun einmal immer und dieses Kriterium hat deshalb keinerlei Aussagekraft, wenn es eigentlich nur um Absicht gehen soll. Entscheidend ist für mich ganz allein, das warum, also eben genau das hinter der Stirn. Und das sollte der einzige Anhaltspunkt für einen Elfmeter sein, das gilt es vom Schiedsrichter zu beurteilen. Und das wäre viel einfacher, wenn es nicht diese ganzen Hilfskriterien gäbe, die so nicht funktionieren können.


    Ich kann mich überhaupt nicht damit abfinden, dass ein Spieler, der sich ganz normal verhält (das sehe ich bei Haraguchi so), in keiner Weise aktiv versucht, am Arm angeschossen zu werden oder sogar noch deutlich versucht, den Arm aus der Schussbahn zu ziehen (z.B. Thomas Müller vor einigen Wochen), einen Elfmeter gegen sich bekommt. Dass also ein Spieler keinerlei Chance hat, einen Elfmeter zu verhindern, weil er schlicht und einfach ohne jegliches Verschulden angeschossen wird. Weil dann immer wieder einer kommt und etwas von der Vergrößerung der Körperfläche faselt. Deshalb ist Absicht schon lange nicht mehr der einzige Maßstab, theMenace. Sollte es aber bitte wieder sein.

  • Maßstab ist die Regel und die Regel verlangt Absicht. Der Schiedsrichter - und insoweit hat theMenace völlig Recht - kann aber die Frage Absicht oder nicht nicht direkt beantworten, sondern ausschließlich danach beurteilen, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt. An diesem grundsätzlichen Problem ändert auch ein VAR nichts, dieser kann allenfalls dazu beitragen, dass das tatsächliche Geschehen auch wahrgenommen wird.
    Auch ich habe wie Du, Tower, den Eindruck, dass die Schiedsrichter nicht immer die Absicht als letzlich maßgebliches Kriterium zugrunde legen und somit nicht regelkonform handeln. Dann stellt sich mir aber weiter die Frage: Ist das wirklich so, oder entsteht möglicherweise nur dieser Eindruck, weil die Kommentatoren die Entscheidung verkürzt wiedergeben? Weil ein typischer Kommentatorensatz eben ist: "Der Arm war weit draußen, also ist das Handspiel strafbar". Und nicht: "Der Arm war weit draußen, also hat der Schiedsrichter auf Absicht geschlossen und aufgrund dieses Schlusses das Handspiel geahndet".

  • Das kann Absicht oder Zufall sein.


    Also im Zweifel für den Frei-/ Strafstoß? Wenn Du nicht sehr, sehr sicher bist, ob das Absicht oder Zufall war, dann darf man das m. E. eben nicht pfeifen. Alles andere wäre nach meinem Empfinden der falsche Weg. Ein Schiri sollte nur das pfeifen, was er wirklich gesehen hat, selbst wenn dann einige Pfiffe unterbleiben. Ich denke, das gleicht sich dann irgendwann aus, denn die Schiris sehen manche Dinge ja nicht absichtlich nicht. Bin da tendenziell bei Tower.
    Hier sehe ich einen merklichen Unterschied zwischen deutschen und internationalen Schiris (wobei ich nur diejenigen aus internationalen Begegnungen, insbesondere Länderspielen kenne): Die deutschen Schiris pfeifen meiner Meinung vielmehr aufgrund von Rückschlüssen. Deshalb - nach meinem persönlichen Empfinden - schreien und schwalben in der BuLi auch viel mehr Spieler, als sie dies in internationalen Spielen tun.

  • Auch ich habe wie Du, Tower, den Eindruck, dass die Schiedsrichter nicht immer die Absicht als letzlich maßgebliches Kriterium zugrunde legen und somit nicht regelkonform handeln. Dann stellt sich mir aber weiter die Frage: Ist das wirklich so, oder entsteht möglicherweise nur dieser Eindruck, weil die Kommentatoren die Entscheidung verkürzt wiedergeben?


    Ich denke, das ist wirklich so. Durch die ganzen Hilfskriterien, die heranzuziehen sind, um Absicht erkennen zu können, scheint mir der gesunde Menschenverstand dabei abhanden zu kommen. Und nach diesem dürfte es sich in den allermeisten Fällen nicht um Absicht handeln. Hat denn Haraguchi hier durch eine bewusste Armhaltung wirklich die Körperfläche in der Absicht vergrößert, den Ball ggf. auch mit diesem Arm abblocken zu können? Oder war der Arm dort nur unkontrolliert und somit bestenfalls fahrlässig im Weg? Und dieser Fall von gestern ist ja nicht einmal der krasseste in dieser Saison, da gab es noch andere.

  • Maßstab ist die Regel und die Regel verlangt Absicht. Der Schiedsrichter - und insoweit hat theMenace völlig Recht - kann aber die Frage Absicht oder nicht nicht direkt beantworten, sondern ausschließlich danach beurteilen, was er mit seinen Sinnen wahrnimmt. An diesem grundsätzlichen Problem ändert auch ein VAR nichts, dieser kann allenfalls dazu beitragen, dass das tatsächliche Geschehen auch wahrgenommen wird.


    Genau das hat der Schiri hier doch zunächst getan und dies auch umgehend gestenreich zum Ausrduck gebracht - er hat die Szene in Realgeschwindigkeit gesehen, mit seinen Sinnen wahrgenommen und so geurteilt: kein absichtliches Handspiel. Dann kommt Köln, um einen "Wahrnehmungsfehler" des Schiris zu korrigieren. Produziert wird dadurch aber nur ein weiterer Wahrnehmungsfehler, der dann zum Tragen kommt, wenn der Schiri sich am Spielfeldrand das Ganze noch einmal - womöglich in Zeitlupe - anschaut. Die Realgeschwindigkeit, die eigentlich alleiniges Urteilskriterium sein muss, ist dann sofort unbewusst ausgeschaltet, die Konzentration gilt nicht mehr dem gesamten Bewegungsablauf - dem Ball entgegenlaufen, den Schuss kommen sehen, sich in die Schussbahn drehen - sondern nur noch dem Flug des Balles, dem Kontakt mit der Hand. Da sieht alles immer viel mehr nach Absicht aus. Siehe etwa auch hier: https://www.mdr.de/wissen/zeit…l-schiedsrichter-100.html

    Einmal editiert, zuletzt von Zackzack ()

  • Also gerade auf den Emotions-Pegel bezogen, ist für mich der VAR der absolute Totengräber.
    Ich kann da ja nur für mich sprechen, aber zu 80% freue ich mich bei einem Tor schon gar nicht mehr, sondern warte erst mal ab, ob der Treffer denn auch wirklich zählt. Und das ist super ätzend.


    100% Zustimmung.

  • Zackzack: Vielen Dank für den Link.
    Eigentlich so oder so ähnlich seit langem bekannt. Umso verwunderlicher, dass dieses Wissen bei der Einführung des Videoassisten keine Berücksichtigung fand.

  • Ein ähnliches Ärgernis wie beim Handspiel haben wir ja auch bei der Entscheidung Foul oder Schwalbe. Hier wird durch den VAR in der Zeitlupe nur darauf geachtet ob es eine Berührung gab oder nicht. Berührung = Foul = Elfmeter. Das ist doch auch Blödsinn und führt dazu, dass die Spieler es noch häufiger mit "cleveren" Schwalben versuchen.
    Die Sportschau konnte ich gestern nicht mehr ertragen. Diese ganzen langwierigen VAR-(Fehl-)entscheidungen... Das können die doch einfach nicht ernst meinen.

  • Habe ich auch mal gelesen. Ich merke nur nichts davon. Bei konsequenter Anwendung dieser Erkenntnisse kann es doch also in derartigen Fällen keinen Sinn machen, den Schiedsrichter auf dem Platz an den Bildschirm zu bitten, oder?

  • Das mit dem Bildschirm auf dem Platz scheint mir auch ein Widerspruch zu sein. Eigentlich soll der Videoassistent doch nur einschreiten, wenn es eine klare (!) Fehlentscheidung gab. Eine klare Fehlentscheidung ist doch aber wohl per Definition eine solche, bei der es keine zwei Meinungen gibt, halt ein wirklich klarer Fall, den niemand anders beurteilen würde. Wieso muss der Videoassistent dann denn bitte eine zweite Meinung einholen und der Schiri auch noch selbst nachschauen? Dann war der Fall wohl doch nicht so klar, oder?

  • Was ich beim VAR im Übrigen nicht verstehe: Es ist ja schön und gut, dass nun auf der Anzeigetafel die Entscheidung des Schiri-Gespanns eingeblendet wird. Aber das konnte man ja auch vorher ohne Einblendung in der Regel erkennen. Nur warum blendet man denn nicht die Bilder, auf denen die Entscheidung beruht, ein?

  • Findet es. Diese Erkenntnisse sind auch der DFB-Schiedsrichterkommission bekannt und werden in der Fortbildung auch gelehrt.


    Klar, das ist bekannt, nur ist die Umsetzung auf dem Platz mangelhaft bis kaum leistbar. Kampka etwa war gestern maximal 10 Sekunden am Spielfeldrand. Dabei wurde ihm gewiss nicht eine Szene in Realgeschwindigkeit eingespielt, die den gesamten Bewegungsablauf erfasst, eine Einstellung, die nochmal seitlich hervorhebt, wie weit Schütze und Getroffener tatsächlich voneinander entfernt waren, und dann eben eine, die aus der Perspektive hinter dem Schützen glasklar das Handspiel aufzeigt. Stattdessen wird es wohl nur die letztere Einstellung gegeben haben, was die anderen Kriterien (Abstand des Schützen, gesamter Bewegungsablauf) bereits von der Kölner Bildregie her zugunsten eines "klaren Handspiels" in den Hintergrund drängt. Das ist eine Suggestivkraft, der sich noch der vorbereitetste Schiri in der konkreten Situation, wo von ihm sehr schnell eine Entscheidung erwartet wird, kaum entziehen kann. Er kann natürlich zu Köln sagen "Zeigt mir nochmal den Abstand der beiden Spieler und auch den gesamten Bewegungsablauf" und sich dann ne Bi-Fi reinpfeifen, während Köln am Rumschneiden ist. Wird so aber nicht passieren.

    Einmal editiert, zuletzt von Zackzack ()

  • Sag ich ja, reine Alibiveranstaltung. Wenn sich die Kölner melden, ist die Entscheidung gefallen. Dann bitte auch sofort umsetzen, ohne Wenn und Aber. So wird der Zuschauer auch nur verarscht.
    Wenn die Schiedsrichter kommunizieren, dass sie wirklich nur bei klaren Fehlentscheidungen einschreiten werden, dann bitte als erstes klares Zeichen den Bildschirm am Spielfeldrand weglassen.

    Einmal editiert, zuletzt von martin ()

  • Was ich beim VAR im Übrigen nicht verstehe: Es ist ja schön und gut, dass nun auf der Anzeigetafel die Entscheidung des Schiri-Gespanns eingeblendet wird. Aber das konnte man ja auch vorher ohne Einblendung in der Regel erkennen. Nur warum blendet man denn nicht die Bilder, auf denen die Entscheidung beruht, ein?


    Nun ja, deshalb:


    Sag ich ja, reine Alibiveranstaltung. Wenn sich die Kölner melden, ist die Entscheidung gefallen. Dann bitte auch sofort umsetzen, ohne Wenn und Aber. So wird der Zuschauer auch nur verarscht.
    Wenn die Schiedsrichter kommunizieren, dass sie wirklich nur bei klaren Fehlentscheidungen einschreiten werden, dann bitte als erstes klares Zeichen den Bildschirm am Spielfeldrand weglassen.


    Bzw.: Weil man sich damit genau bei solchen Entscheidungen angreifbar machen würde. Wurden wirklich alle Szenen gezeigt, die ein "absichtliches" Handspiel belegen und/oder entkräften? Oder gab es nur die eine Zeitlupe, die hervorhebt, dass der Ball tatsächlich an die Hand klatscht (was der Schiri aber ohnehin schon wusste - und 80 % des Stadions ebenfalls)? Und ist das dann wirklich "Aufklärung" oder "Wahrnehmungsverschiebung" und damit letztlich Suggestion? Es gibt da ja durchaus einen Unterschied etwa zwischen "klarem Foul", das eine Zeitlupe durchaus aufdecken kann, und "klarem absichtlichem Handspiel", für das es dann ja genau genommen noch ner MRT-Aufnahme des Sünders bedürfte, wenn eine solche denn etwas aussagen würde. Vielleicht auch das Ergebnis eines Lügendetektortests, ist schließlich noch viel Platz für weitere Alibi-Gerätschaften neben dem Flatscreen am Spielfeldrand. Vielleicht ist es aber auch einfach nicht umsetzbar, keine Ahnung.

    Einmal editiert, zuletzt von Zackzack ()

  • Richtig. Die "Absicht" läß sich nicht eindeutig beweisen und daher muss es immer bei Vermutungen bleiben. Man (die Schiris, der VAR, die Zuschauer, die Journalisten) unterstellt "Absicht" oder "NIcht Absicht" bzw. man schlußfolgert anhand von Indizien. Selbst vermeintlich eindeutige absichtliche Handspiele wie von Maradonna könnten noch mit einem unterbewußten (und damit nicht absichtlichen) Reflex erklärt werden.


    Und weil an die Stelle des Beweises eine Unterstellung/eine Indizienschlußfolgerung tritt, sind Fehl-Urteile/ -entscheidungen und damit Diskussionen vorprogrammiert. Daran kann der VAR nichts ändern, sondern er kann nur dem Schiri die Situation nochmals aufzeigen, damit dieser seine Interpretation überprüfen kann. Das ist übrigens auch ein Grund mit, dass es Videoassistent und nicht Videobeweis heißt. Ein reines Hilfsmittel.


    Ein anderer Punkt: Hier wurde gesagt, dass immer dann, wenn sich Köln meldet, der Schiri schon mehr oder weniger gezwungen wird, seine Entscheidung zu überprüfen und dann in den meisten Fällen zu ändern. Ich gebe zu bedenken, dass wir Zuschauer und auch die Journalisten gar nicht wissen, wie oft sich Köln meldet. Will sagen: Es ist durchaus denkbar, dass der Schiri häufiger von Köln etwas aufs Ohr bekommt als wir es mitbekommen. Wir bekommen ja nur mit, wenn der Schiri tatsächlich das Spiel unterbricht. Der Schiri ist nämlich m.W. nicht verpflichtet, auf jede Meldung aus Köln zu reagieren und kann damit einfach weiterspielen lassen, weil er von seiner Entscheidung überzeugt ist und wir bekommen das gar nicht mit. Dazu auch das Video in diesem Link von der DFL-Seite:
    Fragen und Antworten zum Video-Assistenten
    Da heißt es (ab Sekunde 57):
    "Der VAR bewertet die Situation durch Ansicht der Kamerasignale und teilt dem Schiri seinen Eindruck per Funk mit. Dieser kann
    - bei seiner Entscheidung bleiben,
    - den Vorschlag annehmen oder
    - sich die Situation noch einmal auf einem Monitor am Spielfeldrand anschauen.
    Letztendlich entscheidet der Schiedsrichter auf dem Platz."


    Der Schiri hat also drei Optionen und kann darunter frei wählen. Natürlich ist er bestrebt, keinen Fehler zu machen (denn nach Fehler wird er bewertet und hängt seine Schiri-Kariiere ab) und wird daher das Hilfsmittel VAR immer dann nutzen, wenn er selbst nicht 100% sicher ist (also Zweifel an seiner eigenen Entscheidung hat). Bei diesen Zweifeln an der eigenen Entscheidung ist es ähnlich wie bei dem Thema "Absicht": Wir können nicht sehen/wissen, ob der Schiri Zweifel hat. Im konkreten Fall wissen wir nicht, ob der Schiri nach dem Handspiel von Haraguchi sich 100 % sicher war. Wir haben nur gesehen, dass er zunächst weiterspielen ließ. Und daraus schlußfolgern wir, dass der Schiedsrichter sich seiner Sache wohl sehr sicher war (und offenbar keine Zweifel hatte, so dass die Korrektur seiner Entscheidung quasi gegen seinen Willen "von oben" bzw. aus dem Keller kam). Diese Schußfolgerung kann stimmen, muss aber nicht.

  • Für mich bleibt am Ende immer nur eins: der VAR ist genauso subjektiv wie der eigentliche Schiri. Mit dem Nachteil: der VAR wertet nur Videos aus. Er ist nicht vor Ort. Und deshalb soll der VAR eigentlich nur dann eingreifen, wenn er Dinge sieht, die der Schiri nicht wahrgenommen hat oder nicht wahrnehmen konnte. Beurteilt er (der Schiri auf dem Rasen) aber eine Situation mit Blick auf die Situation ganz bewusst, darf der VAR nicht eingreifen. Wenn er eingreift, ist aus meine Sicht der Druck auf den Schiri so gross, dass er quasi immer nachgibt. Für mich ergibt sich daraus: Torlinientechnik ist gut und schafft Gerechtigkeit. VAR ist reine Willkür. Je nach Schiri am VAR in Köln greift bei gleichen Situationen der eine ein und der andere eben nicht. Das ist für mich keine Verbesserung und kein "Plus" an mehr Gerechtigkeit. Meine Meinung ist ganz klar: VAR wieder abschaffen.

  • Kai: Sonst bin ja häufig bei deiner neutralen Sicht der Dinge, hier aber eher nicht.
    Ganz einfach weil die menschliche Psyche dagegen spricht. Schiedsrichter standen schon immer unter besonderer Beobachtung. Jeder Fehler wird aufgedeckt und in der Öffentlichkeit gnadenlos diskutiert. Das ist nicht einfach damit umzugehen. Gerade auch weil er weiß, dass er sich nicht zu viele Fehler leisten kann, sonst war es das dann mit der "Karriere". Seit einigen Monaten hat er die Möglichkeit, sich helfen zu lassen. Seine Fehlentscheidungen werden von einer höheren Instanz umgehend korrigiert. Das ist ein super Gefühl. Du hast das Gefühl, dass dir eine schwere Last, die Versagensangst, genommen wird. Soweit, so gut.
    Nun bekommst du im Spiel einen Kölner Hinweis. Was machst du? Du weißt, in Köln sitzt ein Kollege, ein Fachmann wie du, allerdings mit allen technischen Möglichkeiten. Und du weißt, dass er sich nur bei klaren Fehlern von dir melden soll. In dem Moment einfach weiterspielen lassen, weil du eine andere Wahrnehmung hattest? Da brauchst du Eier! Wir im Stadion würden das ja gar nicht mitbekommen, aber die in Köln schon. In der Nachbesprechung mit "Chef" stellt sich raus, dass deine Entscheidung falsch war. Was du dir dann für Fragen gefallen lassen mußt, kann sich jeder selbst ausmalen. Warum gehst du nicht zum Bildschirm? Warum machen wir diesen Quatsch hier in Köln eigentlich, wenn du nicht auf uns hörst? Usw.
    Also wählst du wohl eher die andere Variante, du gehst zum Bildschirm. Das ist aber auch nur Alibi. Die oben beschrieben Gedanken hast du auch in diesem Fall schon durchlaufen. Man hat ja vereinbart, sich nur bei klaren Fehlern, also nicht bei 50:50 oder Auslegungsfragen zu melden. Im Zweifel hast du, sofern du dem Kölner folgst, den Fehler in einen anderen Zuständigkeitsbereich verschoben.

  • Richtig. Die "Absicht" läß sich nicht eindeutig beweisen und daher muss es immer bei Vermutungen bleiben. Man (die Schiris, der VAR, die Zuschauer, die Journalisten) unterstellt "Absicht" oder "NIcht Absicht" bzw. man schlußfolgert anhand von Indizien. Selbst vermeintlich eindeutige absichtliche Handspiele wie von Maradonna könnten noch mit einem unterbewußten (und damit nicht absichtlichen) Reflex erklärt werden.


    Und weil an die Stelle des Beweises eine Unterstellung/eine Indizienschlußfolgerung tritt, sind Fehl-Urteile/ -entscheidungen und damit Diskussionen vorprogrammiert. Daran kann der VAR nichts ändern, sondern er kann nur dem Schiri die Situation nochmals aufzeigen, damit dieser seine Interpretation überprüfen kann. Das ist übrigens auch ein Grund mit, dass es Videoassistent und nicht Videobeweis heißt. Ein reines Hilfsmittel.


    Na klar, doch Indizienbeweise waren das ja immer schon, deshalb ja "Vergrößerung der Körperfläche" und andere Dinge, die nicht für sich das Vergehen eindeutig beweisen (deshalb auch nicht in den Regeln stehen), sondern nur die Absicht indizieren sollen. Sprich: Dieses "Hilfsmittel" zur Absichtserkennung haben auch der Schiri und die Assistenten auf dem/am Platz immer schon genutzt. Und Kampka hatte die ebenso im Kopf, als er sofort "Weiterspielen" fuchtelte. Was Köln dann macht, ist ja nicht "neutrale/objektive Bilder" zur Verfügung zu stellen, sondern sie nehmen einen Ausschnitt vor, der altehrwürdige Diskurs von der manipulativen/suggestiven Kraft der Bilder: "Schau mal, hier noch mal schön in Zeitlupe: Der Ball knallt an die Hand und die liegt nicht an der Hüfte." Und der Schriri sagt sich: "Joa, stimmt schon, so gesehen..." Ob und wie das wg. Entfernung des Schützen/Gesamtbewegungsablauf Haraguchis doch auch anders zu beurteilen ist, ist dann auf einmal aus dem Beurteilungsfeld verschwunden, obwohl der Schiri gerade deshalb mutmaßlich weiterspielen ließ. Wie übrigens wohl auch viele Zuschauer und vor allem auch irgendwelche Kommentatoren, die dann nach der ersten Zeitlupe stante pede umschwenken, sagen wir von 50:50 zu zunächst "Hmmm, kann man aber geben" und dann nochmal eine Minute später zu "Ja, doch, muss man eigentlich geben." Obwohl auch sie die Szene in Realgeschwindigkeit zunächst durchaus anders beurteilt haben (und eben nicht durch die Zeitlupe etwas aufgedeckt bekamen, dass sie vorher gar nicht gesehen hatten). Aber das ist weder der Plan von VAR noch "hilft" er hier wirklich. Er sorgt nur dafür, dass bei 50:50 die Waage zur anderen Seite kippt als der, die der Schriri zunächst gewählt hatte. Man sieht ja auch schon häufiger Kommunikation zwischen Köln und Schiri, während letzterer noch am Monitor steht. Dann dauert das meist etwas länger, anzunehmen ist, dass der Schiri hier noch weitere Bildausschnitte verlangt, um wirklich urteilen zu können. Gestern bei Kampka aber ging das ratzfatz, und natürlich, was auch Hotte nach dem Spiel gen Boden murmelte, wird er letztlich sagen, dass er das Handspiel selbst gar nicht gesehen hatte. Damit - auch hier wie bei der Nichtveröffentlichung der zur Beurteilung bereitgestellten Bilder - keine Nachfragen kommen können. Also ist einzuknicken für den Schiri, wenn er sich nun schon mal an den Spielfeldrand hat beordern lassen, immer der ungefährlichste Weg, denn dann fragt hinterher niemand mehr, weder seine Spielbeurteiler noch die Presse, was er sich dabei nur gedacht hat. Zumal wenn er hinterher eben angibt, eigentlich gar nichts von einem Handspiel mitbekommen zu haben.