In meine Überlegungen hinein öffnet doch jemand von außen die Tür. Ich bin bei den ersten, die rausgehen auf den Busparkplatz. Die Öffnung erfolgte unvermittelt, es hatte niemand gedrängelt. Alle anderen der 25, die sich inzwischen vermutlich auf 50 vergrößert haben, rechnen nicht mit der Öffnung dieser Tür, sie sind alle mit anderen Dingen beschäftigt. Es hatte sich also keine Traube vor der Tür gebildet, die irgendwas schrie oder forderte. Wir sind einfach alle nur raus, Richtung Busse. Ohne was zu sagen, ohne was zu werfen, still raus. Ich hebe kurz meinen Blick und schaue auf die Polizisten. Ich sehe Feinseeligkeit in den Blicken. Ich beschleunige meinen Schritt, um aus der Nähe der Polizisten zu gelangen. Niemand sagt etwas. Ich komme bei „meinem“ Bus an. Der Busfahrer sitzt drin, die Türen sind geschlossen. Ich finde das nicht so gut, aufgrund meiner Eindrücke wäre ich lieber eingestiegen. Ich stelle mich fast direkt vor die Bustür und zünde mir eine Zigarette an. Es erreichen immer wieder kleine Fangrüppchen den Parkplatz, die Stimmung ist friedlich. Nicht ausgelassen, aber die Überschrift über diesem Parkplatz ist: Sammeln vor dem Bus in den ich gehöre, noch eine rauchen, tschüss sagen, ist da noch ein Bier?
Die meinem Bus zugeteilte Reiseleiterin kommt und wundert sich, dass ich schon da bin. Ich erkläre ihr kurz, dass ich vor kurzem im Nicht-Fußballkontext bedroht wurde, und seitdem etwas vorsichtig mit Menschenmengen agiere. Ich ernte Verständnis, sie hakt mich auf ihrer Liste ab. Immer mehr Fans erreichen den Parkplatz, ich empfinde geordnetes Vorbereiten auf die Abreise. Der Busfahrer öffnet die Tür, ich steige ein. Da ich die erste bin, setze ich mich direkt hinter den Busfahrer. Da keine Handtaschen mit ins Stadion genommen werden sollten, nehme ich meine Handtasche aus dem Gepäcknetz und sortiere die Sachen, die ich in der Jacke habe, wieder in die Tasche. Ich nehme weiter wahr, dass immer noch Fans auf den Busparkplatz strömen, kleine Grüppchen, Einzelpersonen, kein Gedrängel, keine Aggression. Alle eumeln so vor sich hin, Angetrunkene, Nüchterne…“wo is mein Bus..ja tschüss…ja wir sind weiter…nee…ich muss noch mal pullern“. Völlige Normalität. Meine beiden Mitstreiter erreichen den Bus. Da ich die beiden nicht in meine „persönliche Messerbedrohung“ reinziehen wollte, haben die beiden das Spiel bis zum Abpfiff genossen. Sie kommen entspannt am Bus an, berichten, dass zwar alles bisschen wuselig sei, aber alles okay. Wir sitzen und warten auf die Abfahrt des Busses. Die Bustür ist offen, die Reiseleiterin steht draußen vor der geöffneten Bustür. Martin Kind läuft durch die Szenerie. Öhm, was will der denn hier? Ich sortiere weiter meinen Krams, der Bus füllt sich, mallorcatypisch bemerkt jemand, dass die erste Reihe besetzt ist. Gedanklich zucke ich mit den Schultern: „Setz dich doch dahin, wo Platz ist“
Plötzlich Unruhe auf dem Platz, Fans bewegen sich schneller, laufen, schreien. Unsere Reiseleiterin betritt den Bus, sie hustet, es hört sich an, als ob sie sich kräftig verschluckt hat. Sie hustet, jemand bietet einen Hustenbonbon an. Leise sagt sie, dass „die da draußen was gesprüht haben“. Sie kommt wieder zu Atem.
Rückwärts gehende Menschen in Fankleidung kommen in mein Sichtfeld. Rückwärts? Ich muss genauer hinsehen, normalerweise geht man doch vorwärts? Einen Moment sehe ich keine Menschen, die rückwärts Gehenden haben sich hinter (oder in?) Busse verkrümelt.
Unsere Bustür ist immer noch offen, unser Busfahrer sitzt da wie versteinert. Aus dem Bus sagt jemand zu ihm : „Fermez la porte, svp.“ Er schließt ansatzlos und ohne eigene Bewertung die Tür. (Der Busfahrer scheint Einheimischer zu sein, warum habe ich den Eindruck, er sieht so was zum erstem Man?)
Neue rückwärts gehende Menschen in Fankleidung schieben sich vor das Sichtfeld von Bus 2. Einige gehen in den Bus, der uns gegenüber steht, aber da stehen schon welche in der Tür . Zwischen dem Bus, der uns gegenüber steht, und unserem Bus sind ca 20m Platz. Einige Menschen in Fankleidung bleiben stehen, es sind ca 20. Sie bleiben in Reihe stehen, einige zeigen den Mittelfinger, zwei lösen sich und gehen ca 1 m nach vorne, Richtung der Polizisten und zeigen den Mittelfinger. Geworfen wird nichts. Die Polizeikette kommt ins Bild, die Fans verziehen sich. Laute Stimmen. Für oder gegen wen ist nicht klar.
Ein Polizist klopft mit dem Schagstock gegen die Frontscheibe unsres Busses und deutet auf die Tür. Dieses geschieht mehrfach. Schließlich öffnet der Busfahrer die Tür, um sofort durch die halboffene Tür das Kommando durch die Polizisten zum Schließen entgegenzunehmen. Wir alle atmen auf.. Jeder, der im Bus war, hätte sich nicht erklären können, warum in dieser Situation Polizisten darauf bestanden hätten, dass die Tür offen bleibt. Friedlicher ging es nicht. Kein Pöbeln, kein Klopfen, einfach nur Ruhe und ungläubiges Erstaunen.
In diese Stille rollt der tropfende Wasserwerfer ins Bild. Jemand sagt: „der tropft“. Nach ein paar Sekunden ist jedem in unserem Bus klar, dass der Wasserwerfer kurz zuvor noch im Einsatz gewesen sein muss, denn nun tropft er nicht mehr.
Alle, bis auf einen Busmitfahrer sind betroffen, wegen der Dinge, die sie da sehen und erleben. Es herrscht Stille und Betroffenheit. Der eine, der nicht so betroffen ist, möchte furchtbar gerne direkt neben dem Wasserwerfer (Distanz 1 m) rauchen. Er lässt sich schließlich durch die Busbesatzung überzeugen, dass das keine gute Idee ist.
Hier ist im Sinne derer, die sonst sagen: „Wir sind nicht Aggressoren, schaut auch Mal auf die Polizei“ was ganz bisher nie Dagewesenes passiert. Ganz viele Menschen konnten sehen und erfahren, dass man selbst nichts getan haben muss, und trotzdem ein Wasserwerfer und behelmte Polizisten auf weniger als drei Meter an ein einen persönlich rankommen. Und dass diese Polizisten in der Lage sind, eine beeindruckende Drohkulisse aufzubauen.