Haarmänner, Hurensöhne und ihre Folgen

  • RoterHesse: Vielen Dank für den anschaulichen Beitrag aus "Hesse erklärt die Welt" :)

    Ich will dann mal versuchen, mich von dem konkreten Falls zu lösen, dessen Beurteilung schon etwas schwierig ist, da man nicht wirklich 100% wissen kann, welche Seite in welchem Punkt nun eigentlich die Wahrheit spricht. Wobei ich die Jungs eigentlich nicht für so blöde halte, die Fahne nach einem ausdrücklichen Verbot unvermummt zu wedeln und dann auch noch rum zu geben.


    Nach den AGBs könnte Hannover 96 sehr vieles verbieten, was man aktuell im Stadion sieht. Im Prinzip könnte man jede Fahne verbieten (Passus "oder die Sicht anderer Zuschauer zu behindern") und sehr vieles könnte man, wenn man es nur darauf anlegt, über den Passus "anstößig, böswillig, provokativ" verbieten. Auf die Spitze getrieben: Provokativ gegenüber dem Gegner ist eigentlich alles...
    Das mag jetzt juristisch in Ordnung sein, da will ich als Laie gar nicht drüber urteilen, auch wenn ich mich schon frage, wozu es die konkretisierenden Stadion-Ordnungen überhaupt noch braucht.
    Aber muss man das dann gut finden und einfach so hinnehmen? Ich meinen nein, denn dadurch ist vor allem der Willkür des Veranstalters nun Tür und Hof geöffnet. Wenn einem eine Nase nicht passt, wird man nach diesem Passus in einer Fankurve fast immer was finden, was ein Hausverbot rechtfertigen würde. Wenn man dies jetzt so akzeptiert, ist man meiner Meinung nach wirklich auf dem besten Wege in Richtung englische Verhältnisse.


    Deshalb muss es hier verlässliche und nachvollziehbare Regelungen geben. Danach kann man dann immer noch urteilen, ob man dann diese Regelungen akzeptiert oder nicht, weil sie einem z.B. entweder zu weit gehen und Meinungsäusserungen zu weit beschränken oder auch die Spontanität zu sehr beschränken (wenn man alles freigeben lassen müsste). Akzeptiert man das dann nicht, muss man entweder die Konsequenzen ziehen und zu Hause bleiben, kann dagegen, in welcher Form auch immer, protestieren oder muss mit Konsequenzen leben, wenn man trotzdem dagegen verstösst.


    Womit wir dann aber wieder bei den doch für mich bisher sehr schwammigen Zielen des Protestes wären: Ist es ein Ziel, klare Regelungen zu definieren und welche Regelungen stellt man sich da selber konkret vor?

  • Ich möchte darauf hinweisen, dass die rechtlichen Aspekte - wie bereits im Pyrofaden - für gewöhnlich von der Anti-Kindseite in die Diskussion geworfen werden (Rechtsbruch des Vereins usw.)...


    Einigen wir uns doch einfach darauf, dass - wie so oft - verschiedene rechtliche Standpunkte möglich erscheinen. Dann wäre schon viel gewonnen. Und wir müßten AGBs, Stadionordnungen, Stadionverordnungen, §55 Gefahrenabwehrgesetz und son Kram weder lesen noch verstehen oder uns um die Ohren hauen.


    Auch fällt mir auf, dass das "Wortbruch-Szenario" am Ende ziemlich bemüht zusammenkonstruiert erscheint. Mir persönlich war und ist die Fahne scheissegal. Die Reaktion des Vereins finde ich überzogen.


    Aber dass man sie trotz offen bekundeter AAblehnung trotzdem eingesetzt hat, empfinde ich als reine Dummheit. Wäre die Fahne so wichtig, dann hätte man sie auf dem "Verhandlungs-" oder dem juritischen Wege wieder ins Stadion bringen können, da ja die Rechtslage so klar ist, nicht wahr.


    Aber nein, man wollte nach eigenen Regeln spielen. Und dass ist in meinen Augen einfach ein Scheissdreck angesichts dessen, was wir gerade an Fussball hier bei uns erleben.


    In der Folge wurde dann ein Riesenfass aufgemacht und eine Grundsatzdiskussion losgetreten. Hier wurde heftigst und wortreich erklärt wie Scheisse Martin Kind und der Verein eigentlich sindoder sich verhalten haben. Und dass runtergebrochen auf den einen Fakt:


    Die Fahnenschwenker sind nicht schriftlich auf das Verbot hingewiesen worden bzw. das Verbot sein sei angeblich bei dem Gespräch mit Kind nicht thematisiert worden.


    Das ist mir zu wenig. Das ist viel Aufregung um nix. Und das ist auch verlogen: Denn das die Fahne nicht ins Stadion sollte, wußte jeder. Da braucht man sich jetzt nicht auf Scheissformalien zurück zu ziehen und versuchen dem Verein einen Strick draus zu drehen.


    Das Flyerverbot hat mich noch aufgeregt. Die Fahnensache findet nicht (mehr) meine Solidarität.

  • Guten Morgen!


    Gibts was Neues, nein, schade!


    Es entbehrt zumindest nicht einer gewissen Komik hier auf den letzten Seiten zu erleben, wie die eine Seite die absolute Informationspflicht, Vorwarnung eines SV verlangt und dies bitte direkt, sie selbst aber den Verein immer und immer wieder mit Nettigkeiten, mal kostenpflichtig, mal nicht, überrascht hat! Das ist inkonsequent!


    Ich würde vielmehr lesen wollen denn die Konsensbereitschaft liegt und welche 96 Punkte man als Fan, alter Prägung, so durchbekommen möchte, darauf kommt es für mich an.

  • Die letzten Beiträge von U70 finde ich außerordentlich gelungen!


    Ansonsten haben wir doch folgende Situation. Kind sagt vorm Bremen-Spiel, die Fahne kommt nicht ins Stadion. Der Fahnenschwenker sagt daraufhin: "Na das wollen wir doch mal sehen!". Dann ist Kind (und die Fahne) im Stadion und ärgert sich: "Der denkt wohl, er kann alles mit mir machen. Na das wollen wir doch mal sehen!"


    Und was am Ende dabei rauskommt, wenn 2 Leute "Na das wollen wir doch mal sehen" sagen, was halt eine Machtprobe ist, sehen wir leider im Moment. :(

  • Genau das, Tower. Am Ende ist es genau das. Und natürlich ist es eine grundsätzliche Frage nach Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung im Stadion. Was natürlich wichtiger ist, als das wunderbare Spiel unserer Roten.

  • ... ein Hausverbot ist keine Strafe, keine Sanktion, also keine "repressive" Massnahme, sondern dient der Abwehr/Verhinderung einer Gefahr. So steht es auch in der zitierten Stadionordnung. Vielleicht sollte man die Rechtmässigkeit dieser Massnahme der KGaA mal unter diesem Aspekt betrachten... in engem Zusammenhang mit dem Umstand, dass es sich bei einem Bundesligaspiel eben um eine öffentliche Veranstaltung handelt, bei der ein Hausverbot nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen ausgesprochen werden darf.

  • Das Karussell dreht sich weiter.....


    Gestern Abend lief in der Glotze ein feiner Film mit viel, viel Musik von 'The Clash'.
    England zum Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, die Befindlichkeiten der heranwachsenden Generation und die Vorbehalte des Establishments, und dazu die Musik und die Texte von Joe Strummer & Co.


    Was völlig themenfremd klingt, hat einen knallharten Bezug zu unserer aktuellen Diskussion und Situation.
    Ich saß auf dem Sofa und dachte beim Hören der Texte fußwippend: "Das muss eine Demokratie abkönnen, dass in ihr Texte gesungen werden, die sie provozieren, die verbal direkt auf die Machthaber und Würdenträger schießen, denn das ist auch der Unterschied zu einer Autokratie."


    Wisst Ihr, es geht für mich nicht darum, ob Martin Kind das Recht hat, eine Fahne oder eine Choreo oder einen Schal aus 'seinem' Stadion zu schmeißen, es geht darum, wie souverän er in der Öffentlichkeit mit Kritik oder einer harmlosen(!) Provokation umgeht. Und es geht darum, mit welchen Augen er als konservativer Mensch einer Jugendkultur gegenübersteht. Unbestreitbar hat er in meinen Augen die Möglichkeiten, die Fahne und alles, was damit zusammenhängt, auszugrenzen.
    Aber genauso wie ein freies Land ein Punkkonzert voller Wut und Verachtung für die herrschende Klasse ertragen muss, weil es sonst seinen Anspruch aufgibt, genauso wie das Land eine NPD ertragen muss, solange sie nicht verboten ist, genauso sollte es möglich sein, in einem semi-öffentlichen Raum wie einem Fußballstadion eine Fahne zu zeigen, die völlig im Einklang mit geltenden Gesetzen ist und außer dem Geschmack einiger nichts verletzt.


    Wir führen hier einen Disput über das Machbare. Das ist doch aber nicht der Punkt.
    Ich lese immer, Kind wäre provoziert worden und könne nun gar nicht anders, da er sonst sein Gesicht verliere, und das ginge alles gar nicht, und der AWD wäre dann ganz böse, etc.
    Ich bin der Ansicht, dass ein souveräner Präsident das bisschen (und wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen, gell?) Stichelei aussitzen können müsste, einfach weil es eine Nichtigkeit ist. Sich dagegen vom Boulevard über den Marktplatz treiben zu lassen, lässt mich mit einem faden Nachgeschmack im Mund zurück.


    Was hat das mit Fußball zu tun?
    Im Grunde nichts, allerdings hat der Bundesligafußball sich in den letzten 20 Jahren so rasant in die Mitte der Gesellschaft bewegt, dass nunmehr jedes gesellschaftliche Phänomen, das sich ausserhalb der Stadien findet, auch in ihm und seinem Publikum widerspiegelt.


    Kind möchte gerne ein Event für alle Menschen, dann sollte er auch überlegen, ob er die Geduld und die Toleranz für alle Menschen hat.


    Allerdings zeigen mir die vielen Kommentare, die einfach nur auf Kinds Recht am eigenen Haus abstellen, dass ich da ein hoffnungsloser Romantiker bin.

  • Nur ganz kurz, dann bin ich auch schon wieder weg:


    Meiner Ansicht nach könnte ein Kompromiss folgendermaßen aussehen. Ich zumindest könnte damit gut leben:
    Martin Kind macht deutlich, dass er mehrfach darauf hingewiesen hat, dass die Fahne nicht erwünscht sei, räumt aber ein, dass er es vielleicht auf direkterem Wege als dem Umweg über die Medien hätte tun sollen. Er erklärt weiter, dass man davon ausgehen konnte, dass seine Ankündigung, die Fahne gerne mit allen Mitteln aus dem Stadion haben zu wollen, ernst zu nehmen ist. Da die Fahne dennoch geschwenkt wurde, musste man mal auf anderem Wege klar machen, dass man sich nicht alles bieten lasse als Verein. Um aber die Verhältnismäßigkeit zu wahren, würde man das Hausverbot befristen auf (keine Ahnung vielleicht) 2-4 Heimspiele und wenn die Fahne danach aus der Nordkurve fernbleibt, sei für den Verein das Thema erledigt. Es werde auch in Zukunft nicht pauschal mit Hausverbot gedroht, wenn kritische Töne in der Nordkurve angestimmt oder per Banner/Fahne dargestellt werden. Die Haarmann-Fahne kann man unter diesen Punkt aber nicht fassen. Die aktive Fanszene könnte einräumen, dass man tatsächlich keine wirkliche Aussage hinter der Haarmann-Fahne sähe, man sie nur deswegen weiter geschwenkt habe, weil man eben einerseits nicht sicher war, dass das Verbot, welches im Gespräch so nicht erwähnt wurde, tatsächlich ernst gemeint war und man zweitens klarstellen wollte, dass die Kurve nicht möchte, dass willkürlich Banner oder Fahnen verboten werden, sondern eine eindeutige und nachvollziehbare Begründung kommuniziert werden sollte. Man werde in Zukunft auf die Fahne verzichten und davon ausgehen, dass der Verein zu den Aussagen stehe, dass die Kurve Hannover 96 auch weiterhin kritisch begleiten dürfe.


    Meiner Ansicht nach könnten damit beide Seiten ihr Gesicht bewahren und man könnte die Schärfe aus der Auseinandersetzung nehmen und zum Wesentlichen zurückkehren. Dem Fußball.

  • Können wir jetzt bitte endlich mal eine Initiative gründen, die ein Verbot des FC St. Pauli vorantreibt? Diese Provokationen mit dem Totenkopf sind un-er-träg-lich. Was hat denn bitte eine (bzw. Tausende) Totenkopffahne beim Fußball verloren?

  • Sujo


    ist das Hausverbot nicht sogar bis ende Dezember befristet? Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine irgeneiner hat das vor x Seiten mal geschrieben

  • Prickel: :daumen:
    Sujo: da würde ich glaube ich zu 96% zustimmen.
    Cintros: Jawoll, es ist wohl befristet bis Ende Dezember. Sollte mMn aber deutliche frühe aufgehoben werden!

    Einmal editiert, zuletzt von sleeper1996 ()

  • Kind läßt halt ungern ein Fettnäpfchen aus. Er kann m.e. auch keine drei Sätze sagen, ohne zwei Leuten vor den Kopf zu stoßen. (Dies ist eine Eigenschaft, die ich durchaus mit ihm teile)


    Fragt ob Kind das Stadionverbot zurück nimmt, wenn auf die Haarmannfahne verzichtet wird und wir können uns wieder auf die geniale Saison konzentrieren.

  • Entgegen Versuchen hier wieder etwas Folklore in den Faden zu bekommen, finde auch ich den vernünftigen Vorschlag von Sujo, um mit Martins Worten zu sprechen, zielführend! :daumen:

  • Meiner Ansicht nach könnten damit beide Seiten ihr Gesicht bewahren und man könnte die Schärfe aus der Auseinandersetzung nehmen und zum Wesentlichen zurückkehren. Dem Fußball.


    :daumen:


    Bitte erledigen bis zum nächsten Heimspiel. :deal:

  • wenn auf die Haarmannfahne verzichtet wird


    Unabhängig davon, dass es doch gar nicht mehr um die Fahne gehen sollte, liegt in dem Zitat ein entscheidender Denkfehler.


    Die Nutzung oder der Verzicht der Fahne ist keine Angelegenheit mehr, die die Fans bestimmen. Daher ist es auch untauglich, den Verzicht als Gegenleistung der Fans anzubieten.


    Der Verein sorgt völlig humorlos dafür, dass die Fahne nicht mehr erscheint. Das Ding ist durch. Wird sie dennoch wieder eingeschmuggelt, werden weitere Disziplinarmaßnahmen gegen die Fans kommen.

  • Prickel: :daumen:
    Sujo: da würde ich glaube ich zu 96% zustimmen.
    Cintros: Jawoll, es ist wohl befristet bis Ende Dezember. Sollte mMn aber deutliche frühe aufgehoben werden!


    Wenn das Hausverbot befristet ist, erscheint die ganze Thematik doch schon wieder in einem ganz anderen Licht. Ich finde die Strafe zwar hart, aber nicht übertrieben. Damit wäre auch geklärt, wie lange der Boykott maximal andauern wird. Wieso wurde das nicht im Flyer erwähnt?

  • Können wir jetzt bitte endlich mal eine Initiative gründen, die ein Verbot des FC St. Pauli vorantreibt? Diese Provokationen mit dem Totenkopf sind un-er-träg-lich. Was hat denn bitte eine (bzw. Tausende) Totenkopffahne beim Fußball verloren?


    Wenn ich bedenke, wie viele Leute in Hamburg mit St Pauli-Klamotten oder auch nur mit den Totenkopf-Shirts rumlaufen (letztens war ich auf einer Hochzeit, da hatte der Bräutigam doch tatsächlich derartige Manschettenknöpfe!!), müsste man eigentlich sogar die halbe Stadt verbieten. :lookaround:

  • Fragt ob Kind das Stadionverbot zurück nimmt, wenn auf die Haarmannfahne verzichtet wird und wir können uns wieder auf die geniale Saison konzentrieren.


    :daumen: Genau so. Bis Ende 2012 ist nun wirklich too much nach meinem Empfinden. - Warum habt Ihr das nicht gleich thematisiert? Stattdessen wird daraus noch Grundsatzding mit Boykott-Kraftprobe. Gute Güte. Das hätte man nun wirklich auch ausserhalb des Stadions klären können. - Beides: Die überzogene "Strafe" und die grundsätzlichen Fragen. Womöglich wäre die Unterstützung dafür auch breiter gewesen. Nur mal so gesagt.


    Und versucht für künftige Auseinandersetzungen einen anderen Weg - gemeinsam mit Hannover 96 - zu finden, wie solche Kühe vom Eis kommen.