Alles anzeigenKein Trainer macht aus Bakalorz einen Filigrantechniker und aus Haragutchi ein Zweikampfmonster.
Aber es gibt mindestens 5 Punkte, an denen ein Trainer arbeiten kann, und Herr Kocak zeigt, dass das sogar recht flott erfolgreich sein kann:
1. Körperliche Fitness - plötzlich ist nicht nach 60 Minuten "Flasche leer", auch wenn man gestern immer noch Defizite erkennen konnte, was nach meiner Einschätzung den Abfall in der 2. Halbzeit erklärt. Aber ich hatte in diesem Spätsommer das mehrfache "Vergnügen", die Maschseerunden der Profis zu bewundern...
2. Spielverständnis durch Einüben von Standards (über die eigentlichen Fussballstandards hinaus, aber selbst funktionierten ja nicht): noch ist das Repertoire recht begrenzt, aber es gibt wenigstens wieder so etwas wie Laufwege, wie eingeübte Abläufe etc. etc. Aber es wird ja auch wieder regelmässig und mit Intensität trainiert...
3. Taktik, und damit meine ich nicht eine Alibitaktik für die Pressekonferenz: gestern gut zu erkennen, das war eben kein hohes Alibianlaufen, bei dem keiner weiss, was der Andere tut, das war gezieltes hohes Anlaufen und massiver Druck aus einem nachvollziehbaren System heraus... und die hat eine Mannschaft, die von den Einzelspielern her ein ganz anderes Kaliber darstellt als H96, vor riesige Probleme gestellt; und es gibt auch keine Alibiumstellungen mehr, keine Alibiwechsel zu immer demselben Zeitpunkt, es gibt auch wieder Coaching und Reaktion von aussen auf die aktuelle Spielsituation.
4. Und es gibt anscheinend Reizpunkte, die gzielt in der Mannschaft gesetzt werden - und sei es auch nur die Höchststrafe für Muslija gestern; aber es sind ja auch andere Dinge: plötzlich haben wir einen japanischen Neuzugang, denn der läuft nicht mehr stumpf gegen den Gegenspieler und prallt ab, der "klaut" Bälle mit seiner Technik und seiner Spielintelligenz und übernimmt Verantwortung.
5. Aussenwirkung: niemand moderiert den Mist weg, den die Mannschaft und das Trainerteam verzapft haben, niemand philosophiert über Aufstieg nach Magerkost und kleinem Punktgewinn, niemand redet die Abwärtsspirale schön.
Fasst man das ein bisschen zusammen, dann haben wir jetzt wieder einen richtigen Trainer; einen, der an Kondition, Spielverständnis und Persönlichkeit der Spieler arbeitet, der regelmässig und intensiv trainieren lässt, der der Mannschaft ein taktisches Konzept mitgibt und sie während des Spiels unterstützt und leitet. Und der selbst- und fremdreflektierend sachliche Stellungnahmen abgibt zu dem, was da ist und was daraus werden könnte.
Und da H96 vorher das Gegenteil hatte, stellen sich die Fragen: konnte Herr Slomka es nicht besser oder war es ihm einfach egal? Und wie könnte man seinen Auftritt in dieser Saison pointiert bezeichnen?
Ich habe das hierher gezogen, weil es um den Trainer geht, sachlich geschrieben und Diskussionsstoff bietet.
Wenn man schon einen Vergleich Slomka - Kocak anstellt , dann müßte man schon früher anfangen, also bei der Ausgangslage und der Zielstellung und der damit verbundenen Zielstellung.
Als Slomka im Sommer übernommen hat kam er mit der Referenz, dass er damals 96 aus fast aussichtloser Lage in der Bundesliga gehalten hat und daraufhin die erfolgreichsten Jahre von 96 der jüngeren Vergangenheit folgten. Kein Trainer danach hat es mehr geschafft, 96 in den Europapokal zu führen. Slomka kannte 96 gut und die Verantwortlichen von 96 (und auch die Öffentlichkeit) kannten Slomka gut. Kritik an Slomka gab es höchstens aufgrund seines Auftretens und der Befürchtung, dass es wieder eine desolate Auswärtsschwäche geben könnte. Man hatte also Slomka wieder, war zufrieden und zuversichtlich. "Was soll da schon schiefgehen ?" Über solche Sache wie Taktik wurde nicht groß nachgedacht, hatte man doch den Trainer, der die legendäre 10-Sekunden.Regel erfunden hatte und damit sogar überregional Aufmerksamkeit bekommen hat. Geschweige denn wurden sich Gedanken über Basics wie Standardsituationen, Zweikapfverhalten oder Spielaufbau gemacht. Wird schon klappen - immerhin sind wir Hannover 96, der Bundesligaabsteiger, dem der sofortige Wiederaufstieg doch das letzte Mal auch gelungen ist (Im Gegensatz zum HSV !). Dieses Gemisch aus Selbstzufriedenheit und Selbstüberschätzung war Gift. Es dauerte viel zu lange, bis bei den Spielern und bei Slomka das Einsehen kam, dass die Realität ganz anders war, als man sich das so schön vorgestellt hat. Dann war es auch nicht mehr möglich, den Hebel umzulegen, vergleichbar mit einem Spiel, wo der Favorit überheblich diverse Chancen fahrlässig liegen läßt, in Rückstand gerät und es nicht mehr schafft, eine Wende zu schaffen (obwohl die Qualität dazu da wäre). Bei 96 kam verschärfend dazu, dass die Qualität gar nicht in dm Maße vorhanden war/ist, wie man selbst es meinte.
Die Folge war der Absturz in den Tabellenkeller und damit ein böses Erwachen. Die Vorstellungen von der schönen heilen Fußballwelt mit dem Erfolgstrainer Slomka platze und auch da brauche man zu lange, um dies zu realisieren.
Dann wurde der Trainerwechsel vollzogen, was sicher für Schlaudraff auch nicht ganz einfach war, selbst wenn er diese Entscheidung nicht selbst treffen konnte/mußte.
Die Zielsetzung und die Erwartungshaltung an Kocak ist eine völlig andere: Er soll aus diesem abgestürzten und vormals selbstzufriedenen Haufen, der von Slomka und Kind (Schlaudraff) zusammengestellt wurde wieder eine Mannschaft formen, die aus dem Keller raus kommt. Die Erwartungshaltung ist also viel niedriger als sie bei Slomka war. Außerdem war Kocak in Hannover eher unbekannt. Ich denke, auch Kocak kannte nicht viel von 96, außer das allgemein Zugängliche. Von Selbstüberschätzung war keine Spur mehr, statt dessen herrschte Verunsicherung und Orientierungslosigkeit.
Nehmen wir das Beispiel "Standards": Slomka hätte keiner dafür gelobt, wenn im normalen Rahmen Standards gefährlich gewesen wären und Tore daraus entstanden wären. Genauso wenig wäre Slomka dafür gelobt worden, wenn Heimsiege erreicht worden wären. Das setzte man ( auch ich ) als selbstverständlich voraus für eine Mannschaft, die voll mit Bundesligaspielern ist und das Ziel hat, oben mitzuspielen. Jetzt wird Kocak genau dafür gelobt. Finde ich auch ok und richtig, aber ist eben auch ein Zeichen der gesunkenen Erwartungshaltung ( für die die Auftritte mit Slomka als Trainer gesorgt haben).
Festzuhalten ist, dass Kocak vieles anders und damit besser macht als Slomka. Natürlich ist der Zeitraum zur Beurteilung von Kocak noch recht kleine, aber man kann doch schon deutlich sehen, dass es insgesamt besser läuft. Die wahre Leistung von Kocak bis hierher ist jedoch m.E., dass er ganz offensichtlich daran arbeitet, den gemütlichen Trott auszumerzen, den Hebel umzulegen und mehr Zug in das Auftreten und das Spiel zu bringen. Daher war der Trainerwechsel goldrichtig.
Die Frage, ob Slomka es nicht besser konnte oder es ihm egal war, läßt sich naturgemäß nicht wirklich beantworten. Man kann spekulieren und mutmaßen. Fakt ist, dass er ganz deutlich unter den Erwartungen geblieben ist, dass er erfolglos war (um es pointiert auszudrücken, stscherer, versagt hat). "Egal" hingegen wird es ihm nicht gewesen sein, denn Erfolg führt regelmäßig zu Anerkennung, Lobpreisungen, Medienpräsenz, Schulterklopfen. All das sind Dinge, die m.E. Herr Slomka liebt und sehr gerne hat. Ich denke, dass es für Slomka hochgradig befriedigend gewesen wäre, wenn er sich wieder als "Held von Hannover" hätte präsentieren können. Nun ist er wieder gescheitert und im Gegensatz zu Hamburg oder Karslruhe in seinem "Wohnzimmer", was ungleich schwerer wirkt. wo er doch seine Mißerfolge bei seinen beiden früheren Stationen noch irgendwie wegdiskutieren konnte.
Unterm Strich heißt das, stscherer, dass wir beide gar nicht so weit (wenn überhaupt) voneinander entfernt sind, wenn es um die Beurteilungen der Leistungen von Slomka und Kocak geht. Mir gefällt eben nur eine sachliche Auseindersetzung oder Aufarbeiten der Situation wesentlich besser als plumpes Pöbeln. Dazu brauche ich nämlich kein Diskussionsforum.