Interview mit 96-Vorstandsvorsitzendem Sebastian Kramer (Teil 1)

Hallo Sebastian. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.


Danke für die vielen interessanten Fragen die ihr gesammelt habt. Das zeigt mir, dass das Interesse an unserem Verein weiterhin groß ist. So viel Fanpost muss ich normalerweise nicht beantworten, daher hat es auch ein bisschen gedauert, entschuldigt bitte.


In den letzten Monaten war ja auch einiges los zwischen Verein und Profifußballgesellschaft, u.a. in Bezug auf den von Martin Kind vorgesehen neuen Geschäftsführer Robert Schäfer, der aber – anders als es die 50+1-Regel zur Vorgabe macht – nicht mit euch als Vereinsseite abgestimmt war. Wie war deine Gefühlslage, als klar wurde, dass dieses Kapitel nun wieder beendet ist?


Das ist eigentlich keine Frage der Gefühlslage. Es war von Anfang an klar und eindeutig, was die Geschäftsführung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG („S&S“) und der Hannover 96 Arena GmbH & Co. KG („Arena GmbH“) darf und was nicht und dass es unserer Zustimmung bedurft hätte, wenn die Kompetenzen auf die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA („Profigesellschaft“) hätten erweitert werden sollen. Der Weg dorthin, dass Herr Schäfer perspektivisch überhaupt als zukünftiger Geschäftsführer für die Profigesellschaft ausgewählt wurde, lief dabei leider ohne den Mutterverein. Wir waren damit nicht einverstanden, so ist es zwangsläufig zu der Trennung gekommen. Ich bin zuversichtlich, dass es solche Alleingänge in Zukunft nicht mehr geben wird. Aber ja, ich bin froh, dass das Kapitel beendet ist, da es uns natürlich auch Ressourcen gekostet hat.


Warum ist es euch denn überhaupt so wichtig, die Geschäftsführung bei den Profis mitzubestimmen?


Weil wir die volle Verantwortung dafür tragen, wer diesen sehr wichtigen Posten bei der Profigesellschaft einnimmt und wer nicht. Schließlich ist die Management GmbH zu 100 % eine Gesellschaft des Vereins. Dadurch ist es nicht weniger als unsere Pflicht, hier besonders gründlich zu sein. Alles andere würde bedeuten, dass wir unsere Pflicht nicht wahrnehmen. Ich denke, die Mitglieder dürfen von uns zurecht erwarten, dass wir das Thema ernst nehmen.


Geht es dabei eigentlich um eine zusätzliche Person neben Martin Kind oder um seine Nachfolge?


Wir legen uns auf kein Denkmodell fest. Wenn es eine realistische Personaloption geben sollte, wird man sich auch mit dieser Frage beschäftigen. Perspektivisch will und wird Martin Kind die Geschäftsführung aber natürlich abgeben, das steht ja nun schon länger fest. Wie der Weg dorthin aussehen wird, hängt von beiden Seiten und auch von potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten ab.


Wurden der Kapitalseite von euch aus auch schon Vorschläge unterbreitet und falls ja, wie wurde darauf reagiert?


Vorweg einmal ganz grundsätzlich: alle Fragen zur Geschäftsführungssuche obliegen der Geheimhaltung des Gremiums, über das wir uns austauschen. Daher kann ich hierzu auch nicht alle Fragen beantworten, auch wenn es für viele genau jetzt spannend wird. Aber wir halten uns daran, um auch unsere Verlässlichkeit und unsere Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten, ohne die wir nie zu einem Ergebnis kommen werden. Wenn interne Informationen zu laufenden Prozessen irgendwann in der Zeitung landen, herrscht Misstrauen anstatt Vertrauen. Bisher haben sich alle Parteien, auch im Rahmen der Verhandlungen zum Hannover-96-Vertrag beispielsweise, stets an Verschwiegenheit gehalten, wenn dies vereinbart wurde. Das ist gut so und soll auch so bleiben. Nur so viel: Ja, wir haben bereits Vorschläge gemacht. Wir schlagen aber auch nicht alle paar Wochen jemand Neues vor. Es gibt erst einen Vorschlag von uns, wenn wir denken, dass die Person auch wirklich zu 96 passen könnte.


Wie ist die Vereinsseite konkret in die Kandidatensuche eingebunden und wie läuft die Kandidatensuche operativ?


Abgesehen von dem unglücklichen Alleingang mit Herrn Schäfer tauscht man sich gegenseitig aus, sobald es etwas auszutauschen gibt. Alle Parteien können Kandidatenvorschläge einbringen. Zu einem konkreten Ergebnis ist es aber leider noch nicht gekommen.


War dabei auch schon einmal eine Frau im Gespräch oder ging es immer nur um Männer?


Bisher ging es tatsächlich nur um Männer, auch wenn das nicht zu den Kriterien des Profils gehört und somit auch nicht so bleiben muss.


Kind sagte jüngst selbst in einem Interview, dass er keine drei Jahre mehr weitermachen würde. Glaubst du das auch?


Ich kann nicht in den Kopf von Herrn Kind sehen, aber letztlich weiß er ganz genau, dass irgendwann der Wechsel kommen wird und auch kommen muss. Wann dieser Zeitpunkt erreicht sein wird, hängt sicherlich maßgeblich von einer Einigung in Sachen Geschäftsführung in der Profigesellschaft ab.


Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Verein und Profigesellschaft insgesamt?


Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Manches ist einfacher geworden, einige Dinge sind immer noch ausbaufähig. Aktuell läuft es tatsächlich ziemlich holprig, es gibt wenig Bewegung in wichtigen Themen. An manchen Punkten kommen wir einfach nicht weiter, wir könnten gemeinsam schon viel weiter sein. Aber wir arbeiten täglich daran, dass die Einheit Hannover 96 früher oder später auch ideell zu 100 % hergestellt sein wird.


Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den weiteren Gesellschaftern? Gibt es zu diesen, wie zum Beispiel Dirk Roßmann, direkten Kontakt?


Zu bestimmten Themen ja und dann auch anlassbezogen. Herr Roßmann und Herr Baum sind ja nicht operativ eingebunden und somit ist Herr Kind unser Hauptansprechpartner.


Hat sich im Laufe der Zeit Martin Kinds Auftreten Dir gegenüber geändert?


Sicherlich, aber das ist ja auch normal. Bis zur Mitgliederversammlung 2019 haben wir grundlegend unterschiedliche Ansichten zur Vereinsführung gehabt. Er hat den neuen Vorstand aber von der ersten Minute an respektiert und versucht auch nicht, uns vorzuschreiben, wie wir den Verein seiner Meinung nach zu führen haben.


Den damaligen Antrag auf Ausnahme von der 50+1-Regel für Martin Kind stellte dieser ja zusammen mit dem Verein, in Form des damaligen Vereinsvorstands. Und obwohl der Verein somit ein aktiver Part in der Angelegenheit war, hat der damalige Vorstand den Mitgliedern den Inhalt des Antrags nicht offen gelegt. Plant ihr nun, den damaligen Antrag mitsamt Begründung den Mitgliedern offen zu legen?


Natürlich verstehen wir, dass dies Teile unserer Mitglieder brennend interessiert. Aber wir haben uns damals dazu entschlossen, lieber vertrauensvoll mit Herrn Kind zukunftsorientiert zusammenarbeiten zu wollen anstatt öffentlich nachzutreten. Da wäre es sicherlich nicht förderlich gewesen und wird es auch nicht förderlich sein, den Antrag nachträglich offen zu legen. Außerdem ist es rechtlich schwieriger geworden, gewisse Schriftstücke einfach öffentlich zu machen. Bevor da Gerüchte aufkommen: Dies ist unsere freie Entscheidung, hier wurde kein Schweigen „erkauft“ oder ähnliches, und wir „kuschen“ auch nicht. Der Mutterverein hat eine starke Position und die nutzt er auch. Wir sehen es aber so als besten Weg für den Verein und für Hannover 96 als Ganzes. Fakt ist: 50+1 ist in Hannover gerettet worden und darauf kommt es an. Indirekt durch uns, letztlich aber durch die Stimmen der Vereinsmitglieder.


Wer vertritt Hannover 96 bei künftigen DFL-Sitzungen zum Thema 50+1? Welche Position ist zum Abstimmungsverhalten vereinbart, wenn es diesbezüglich zu Abstimmungen bei DFL-Sitzungen kommt?


Es gibt keine feste Regelung hierzu, auch wenn wir das Thema selbstverständlich auf dem Schirm haben. Es ist Sache der Geschäftsführung der Profigesellschaft, die Vertretung in der DFL sicherzustellen. Eine Vertretung durch den Mutterverein ist gemäß Satzung der DFL nicht vorgesehen. Der Mutterverein kann allerdings Weisungen zum Abstimmungsverhalten erteilen.


Besteht aus deiner Sicht eigentlich die realistische Chance, dass der Verein seine Anteile an der Profifußballgesellschaft zurück erhält? Welche Modelle sind da denkbar? Martin Kind hat ja immer mal wieder gesagt, dass er bereit wäre, sie zurück zu veräußern…


Im Hannover-96-Vertrag aus 2019 haben wir uns genau diese Option geben lassen, wohl wissend, dass es realistisch gesehen in den kommenden Jahren nicht dazu wird kommen können, da der Verein dafür das Geld nicht hat. Es ist, wenn überhaupt, eher eine mittelfristige Option, die wir uns aber offen lassen wollten.


Wann gibt es wieder Amateurfußball bei den Herren und im Jugendbereich des Vereins?


Vertraglich sieht es so aus, dass die aktuellen U-Mannschaften bei der Profigesellschaft bleiben und wir dazu nicht in Konkurrenz treten, was ja auch absolut widersinnig wäre. Es gäbe also höchstens die Möglichkeit, abseits davon neue Mannschaften aufzubauen. Und ja, wie zu vielen anderen Dingen gibt es auch dazu Überlegungen, aber nicht zu sofort. Die Fußballabteilung des Vereins ist schon sehr breit aufgestellt, hat bereits jetzt extrem erfolgreiche Ü-Mannschaften, dazu sprechen wir bei der ersten Frauenmannschaft von einem oben mitspielenden Regionalliga-Team sowie bei den B-Juniorinnen sogar von einer Bundesligamannschaft, worauf wir besonders stolz sind, auch wenn die Klasse leider nicht gehalten werden konnte.


Teil 2 des Interviews findet ihr hier.


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